Geschichten aus dem Bayerwald
Heute fast vergessen: Schussern war ein beliebtes Kinderspiel am Dorfplatz und im Schulhof

02.05.2024 | Stand 02.05.2024, 5:00 Uhr
Georg Fleischmann

So wurde vor 26 Jahren noch geschussert. Fotos: Georg Fleischmann

Es waren arme und bescheidene Zeiten früher, als die ältesten unter uns noch Kinder waren. Mit einfachsten und billigsten Gegenständen, sprich Spielsachen, vergnügten sie sich von den frühen Kindertagen an bis hin zur Schulzeit. Es waren Spiele, die heute weitgehend vergessen sind, da sie längst durch zeitgemäße ersetzt wurden.

Zu diesen beliebten Kinderspielen gehörte das Schusserspiel. Dieses Spiel war nicht nur beliebt, sondern auch überall bekannt.

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Geschussert wurde somit überall: Daheim, auf den damaligen Straßen, auf dem Dorfplatz und vor allem auf dem Schulhof während der Pause. Nirgends machte es besondere Umstände. Überall, wo sich Kinder aufhielten, konnte man die kleinen Schusser Grübchen sehen.

Kugeln aus braunem Lehm



Und was brauchte man zum Schussern? Sonst nichts als eine Handvoll kleiner Kügelchen, zu denen man Schusser sagte. Mancherorts sagte man auch Murmeln dazu.

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Es waren kleine Kugeln aus braunem Lehm – das waren die billigsten, denn man konnte sie selber machen. Dann gab es noch bunte Schusser in verschiedenen Farben, diese waren auch aus Lehm. Die teuersten waren natürlich die Glaskugeln, aber solche konnten sich die damaligen armen Kinder selten leisten. Die Schusser verwahrte man in einem kleinen Stoffsackerl, das man mit einer Schnur zuziehen konnte.

Reger Handel in der Schulpause



Mit diesem bunten Gemisch im Sackerl waren die Kinder der damaligen Zeit rundum glücklich. So wurde auch während der Schulpause oft reger Tauschhandel mit den runden Dingern getrieben. Zehn kleine Lehmschusser gegen drei bunte oder fünf bunte für eine Glaskugel, so ungefähr stand immer der „Schusser-Kurs“.

Zum Schusserspiel selbst bildete sich immer eine kleine Gruppe von drei oder vier Kindern. Man brauchte dazu nur ein kleines, rundes Grübchen, das mit der Ferse eines Holzschuhs oder im Sommer barfuß in den lockeren Sand gedreht wurde.

Das Spiel begann mit dem „Spicken“. Die Teilnehmer warfen dabei aus kurzer Entfernung einige Kugeln in Richtung Schusser-Grübchen. Die meisten Schusser blieben dabei in unmittelbarer Nähe des Grübchens liegen. Wer am nächsten lag, der durfte beginnen.

Behutsam wurde nun versucht, mit dem Zeigefinger die Schusser in das Grübchen zu schupsen, dabei durfte jedoch kein weiterer Schusser angestoßen werden. War dies der Fall, so musste der Nächste weiterspielen. Wer dann die letzten Schusser glücklich ins Ziel brachte, dem gehörten alle Kugeln und gar oft endete so ein Spiel mit einem heftigen Streit.

„Hex, Hex, Hex“ hieß daher das Zauberwort, wenn man einem Mitspieler seine guten Schübe „verwünschen“ wollte.
Dieses Kinderspiel ist neben vielen anderen im Verlauf der Zeit fast in Vergessenheit geraten. Nur vereinzelt spielen kleinere Kinder damit noch zuhause.

Und wenn heute eine Oma von ihrer damaligen Schusser- Zeit erzählt, so schütteln die Enkel meistens etwas ungläubig den Kopf.