Rechtsserie Cham
Rechtsanwalt Dr. Andreas Stangl klärt auf: Widerrufsrecht gilt auch auf dem Bau

14.04.2024 | Stand 14.04.2024, 5:00 Uhr

Der Handwerker erhält bei einem Widerruf kein Geld und muss sogar die erhaltene Vergütung zurückzahlen. Foto: Armin Weigel/dpa

Verbraucher haben auch bei Beauftragung eines Handwerkers ein Widerrufsrecht. Dabei muss zwischen einem Verbraucherbauvertrag und einem sonstigen Verbrauchervertrag unterschieden werden.

Seit 2018 gibt es im Gesetz einen Verbraucherbauvertrag. Beim Neubau setzt dies aber voraus, dass das Gebäude von einer Hand erbracht wird – das betrifft den Schlüsselfertigbau. Auch erhebliche Umbaumaßnahmen am Bestandsbau können ein Verbraucherbauvertrag sein, setzen aber voraus, dass die Maßnahme einem Neubau gleichkommt. Eine bloße Dacherneuerung oder ein Wärmedämmverbundsystem genügen nicht.

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Dieses Widerrufsrecht ist unabhängig davon, an welchem Ort der Vertrag geschlossen wird. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage ab dem Tag des Vertragsabschlusses, über das der Verbraucher zu belehren ist. Sofern der Verbraucher rechtzeitig den Widerruf erklärt, erlischt die Bindung an den Vertrag, und die erhaltenen Leistungen sind wechselseitig zurückzugewähren. Der Verbraucher muss dem Handwerker Wertersatz leisten, wenn eine Rückgewähr der Leistung in Natur ausgeschlossen ist. Das ist meistens der Fall, weil die Materialien verbaut sind. Die Berechnung des Wertersatzes orientiert sich an der vereinbarten Vergütung. Bei unterlassener oder fehlerhafter Belehrung erlischt das Widerrufsrecht erst ein Jahr und zwei Wochen nach Vertragsschluss.

Weniger bekannt ist, dass ein Verbraucher bei „einfachen“ Handwerkerleistungen ebenfalls ein Widerrufsrecht haben kann. Im Gegensatz zum Verbraucherbauvertrag ist dieses Recht situationsabhängig. Das bedeutet, dass es darauf ankommt, wo der Vertrag geschlossen wird, und auf welche Art und Weise er zustande gekommen ist. Grundsätzlich gilt auch hier, dass der Verbraucher ein 14-tägiges Widerrufsrecht hat. Auch über dieses Widerrufsrecht ist der Verbraucher zu belehren. Wird die Belehrung unterlassen oder versäumt, kann der Verbraucher noch ein Jahr und zwei Wochen lang vom Vertrag sich nachträglich durch Widerruf lösen. Handwerkern ist zu empfehlen, diese Situation nicht eintreten zu lassen. Bei Fehlern kann es teuer werden.

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Kein Widerrufsrecht besteht, wenn der Vertrag bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien in den Geschäftsräumen des Handwerkers unterzeichnet wird, oder wenn es sich quasi um einen „gestreckten Vertragsabschluss“ handelt. Der Vertrag wird nach einem gemeinsamen Termin z.B. vor Ort später in den Geschäftsräumen des Handwerkers oder mittels Telefon, E-Mail oder Telefax geschlossen. Bei reinem Abschluss über Fernkommunikationsmittel wie Brief, Katalog, Telefon, E-Mail und SMS kann im Einzelfall auch ein Widerrufsrecht bestehen. Dies gilt aber nur, wenn der Handwerker eine für den Fernabsatz organisierte Vertriebsform oder Dienstleistungssystem unterhält. Derartiges ist im Handel aus E-Shops bekannt. Kein Widerrufsrecht besteht auch bei dringenden, unaufschiebbaren Notfallreparaturen wie Wasserschäden.

Wenn die Verträge außerhalb des Büros des Unternehmers geschlossen werden und die erwähnten Sondersituationen nicht vorliegen, kann der Verbraucher grundsätzlich innerhalb von 14 Tagen widerrufen. Das Widerrufsrecht besteht sogar noch länger, wenn die Belehrung unterlassen wurde oder falsch war. oder dafür sorgen, dass der Vertragsschluss in einer Situation geschieht, in der das Widerrufsrecht nicht besteht. Fehler sind für den Handwerker fatal. Sofern der Unternehmer mit den Arbeiten noch nicht begonnen hat, bleibt er unter Umständen auf dem Material sitzen. Noch schlimmer ist die Situation, wenn die Leistung bereits begonnen wurde. Der Handwerker erhält bei einem Widerruf kein Geld und muss sogar die bereits erhaltene Vergütung zurückzahlen. Er kann noch nicht einmal Wertersatz für die Materialien verlangen. Im Extremfall hat der Verbraucher so umsonst die Leistung, z.B. ein Dach, erhalten. Es ist ratsam, das Widerrufsrecht zu beachten und entsprechend Vorsorge zu treffen.

MZ-Serie: „Alles, was Recht ist“

Unsere Serie „Alles, was Recht ist“ haben wir im Jahr 2017 wieder aufleben lassen – mit altbekannten und einigen neuen Autoren. Sie erscheint immer samstags im Landkreis-Teil. In einer Woche – in der Ausgabe vom Samstag, 20. April – schreibt Verbraucherberaterin Nicole Bräu ihren nächsten Beitrag. Dabei geht es um das Thema E-Personalausweis.

Autor: Dr. Andreas Stangl ist Anwalt der Kanzlei am Steinmarkt Kuchenreuter, Dr. Stangl, Alt Part GmbH.

Fachgebiete: Andreas Stangl ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Miet- und WEG-Recht, außerdem Dozent bei der IHK und Fachbuchautor.

Kontakt: Kanzlei am Steinmarkt Cham, (0 99 71) 8 54 00, E-Mail info@kanzlei-am-steinmarkt.de