Interview
Kirchmann-Stiftung aus Abensberg hält an ihrem Einsatz in West-Afrika fest

11.10.2023 | Stand 11.10.2023, 5:00 Uhr

Hanns Peter Kirchmann und Mame Sy begutachten im Zentrum „La Porte l‘Espoir“ Ergebnisse der Näherei. Seit 2015 führt die Abensberger Stiftung das Jugendprojekt in der mauretanischen Wüstenstadt Atar. Foto: Manfred Forster

Die Wurzeln der Kirchmann-Stiftung aus Abensberg liegen in Burkina Faso. Doch mittlerweile versinkt das Land südlich der Sahara in einem Chaos aus Putschen und Terrorismus. Die Stiftung hält aber an ihrem Engagement in Burkina Faso fest. Hanns-Peter Kirchmann erläutert im MZ-Interview die Hintergründe und berichtet auch über das Jugendprojekt in Mauretanien.

Militärputsche in Burkina Faso, im Niger, in Gabun: Westafrika entwickelt sich ja immer stärker zu einer schwierigen Region für Engagement aus Europa.

Hanns-Peter Kirchmann: „Die Serie der versuchten und vollzogenen Putsche in Burkina Faso haben ihren Grund in der Enttäuschung der Menschen in Burkina Faso. Nach dem Sturz des Präsidenten Compaoré 2014 hatte man gehofft, zusammen mit dem französischen Militär dem Unwesen der Islamisten ein Ende bereiten zu können.

Doch der Erfolg blieb aus.
Hanns-Peter Kirchmann: „Mit dem Sturz des rechtmäßig gewählten Präsidenten Kaboré 2022 durch das Militär war die Bevölkerung einverstanden, zu wenig hatte sich im Kampf gegen die Islamisten gebessert. Dazu kam eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage. Unter dem aktuellen Machthaber Colonel Ibrahim Traoré werden die Zusammenarbeit mit Russland gestärkt und die demokratischen Rechte der Bevölkerung und der Medien stark eingeschränkt. Besonders erbost sei die Bevölkerung über die Beschneidung der demokratischen Rechte. Auch die antifranzösische Haltung werde von der Bevölkerung ist nur teilweise getragen.

Wie geht es für die Stiftung in Burkina Faso weiter?
Hanns-Peter Kirchmann: Wir haben das Müll-Pilotprojekt in Serekeni erfolgreich zu Ende geführt und wollen in der Universitätsstadt Koudougou zusammen mit der Katholischen Jugendfürsorge eine neue Tagesstätte für behinderte Kinder und Jugendliche ins Leben rufen.
Die Patenkinder der Stiftung werden weiter unterstützt. Zum Glück haben wir ein gutes Netz von Partnern vor Ort.

Seit 2015 führt die Kirchmann-Stiftung die Arbeit von Susanne Heckmann in Mauretanien weiter. Was hat damals den Ausschlag für Ihr Engagement in Atar gegeben?
Hanns-Peter Kirchmann: Das war zunächst der „Hilferuf“ in der MZ von Susanne Heckmann, die in Atar begonnen hatte, eine Förderschule für besonders arme Kinder aufzubauen. Sie hat nicht nur einfach geholfen, sondern in weiser Voraussicht rechtzeitig einen Nachfolger gesucht, um das Projekt zukunftssicher zu machen. Nach einer ersten Reise nach Atar wurde schnell klar, dass „ La Porte de l`Espoir exakt in das Konzept der Kirchmann-Stiftung passt, nämlich Bildung und Gesundheit Benachteiligter in Westafrika.

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Mauretanien gilt politisch als relativ ruhig. Auch von Terrorgruppen, die in den Ländern südlich der Sahara aktiv sind, wie im Niger, in Burkina Faso und Mali, ist nichts zu hören. Wie stellt sich die Situation für die Kirchmann-Stiftung in Mauretanien dar?
Hanns-Peter Kirchmann: Mauretanien war bei genauer Betrachtung nie eine wirkliche Kolonie Frankreichs. Es gibt in dem Land wenig Ressentiments gegen Frankreich, die französische Präsenz ist begrenzt. Nicht umsonst ist Mauretanien wohl im Moment das einzige Land der Region, in das man, auch als Touristengruppe, unbehelligt reisen kann. Sicherheit wird in diesem Land großgeschrieben, täglich sind Flugzeuge und Hubschrauber auch in entlegenen Regionen zu sehen, das Telefonnetz ist, selbst in der Wüste, gut.

Die deutsche Entwicklungsministerin Svenja Schulze hatte im August dieses Jahres Mauretanien besucht: Was bringt so ein Besuch für die Arbeit Ihrer Stiftung?

Hanns-Peter Kirchmann: Die Entwicklungshilfeministerin war in Mauretanien – das stimmt nur teilweise. Sie war in Nouakchott und an der Küste. Das politische Interesse der Bundesrepublik Deutschland gehört dem Eisenerz, das in der Wüste abgebaut wird, dem Erdöl und dem Erdgas. Humanitäre Hilfsprojekte zu besuchen, seht selten auf der Agenda unserer Politiker. Selbst die reiselustige Botschafterin war noch nicht da. Wir versuchen, den Kontakt mit der Botschaft zu halten und Interesse zu wecken.

Was sind die größten Herausforderungen?

Hanns-Peter Kirchmann: Das Kinder- und Jugendzentrum läuft ausgezeichnet. Eine große Herausforderung ist es, in jedem Schuljahr gute Lehrer zu finden, die sich intensiv mit den Kindern auseinandersetzen wollen, sie müssen ein angemessenes Gehalt bekommen und die Schulspeisung wird aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten leider auch immer teurer.
Ein großer Lichtblick ist das seit August von uns finanzierte Projekt „La Bibliothèque“ in der katholischen Pfarrei in Atar - die Pfarrei besteht aus sechs Katholiken. Nach mehrfach gescheiterten Versuchen, die berufliche Aus- und Fortbildung im Jugendzentrum verankern, haben wir jetzt bei der Pfarrei einen zuverlässigen Partner gefunden. Seit drei Jahren werden gezielt Berufsausbildungen für Jungen und Mädchen in Atar angeboten, die Mädchen sind mehr vertreten, weil es für Mädchen nur wenig Chancen zur Ausbildung gibt, vor allem sollen die Mädchen nicht weg von zuhause. Für das Schuljahr 2022/23 hat die Stiftung die Kosten für den gesamten Ausbildungszyklus übernommen, das Spektrum reicht von der Alphabetisierung über Schneiderei, Kochen, Schminken und Hennamalerei, Gastronomie bis zu Informatik. Pater Raymond leitet diese Einrichtung umsichtig, ist sehr gut organisiert, es macht Freude mit ihm zu arbeiten.

Mit welcher Perspektive gehen Sie in Mauretanien in die Zukunft?
Hanns-Peter Kirchmann: Unser Ziel ist, die Berufsausbildung für die jungen Frauen noch stärker auszubauen. Wir sind sicher, damit eine gute Investition für die Zukunft der Frauen weit weg von der Hauptstadt zu leisten.