Tag der Archive
225 Jahre lang ein Kommen und Gehen: Die Geschichte der Neumarkter Gastronomie

04.03.2024 | Stand 04.03.2024, 11:37 Uhr
Lothar Röhrl

Das Cafe Giehl war die Hausnummer 1 der Mariahilfstraße. Stadtarchivar Frank Präger zeigt das 151 Jahre alte Foto des Gebäudes. Dort steht jetzt ein Hochhaus. Foto: Lothar Röhrl

Nein, das Wasser lief keinem Zuhörer im Mund zusammen. Als es am Sonntagvormittag im Bürgerhaus um 225 Jahre Geschichte der Gastronomie in Neumarkt gegangen ist, hätte aber manchem vor Staunen der Mund offenbleiben können. Der Vortrag von Stadtarchivar Frank Präger rückte lustige Wirtshaus-Namen, Erinnerungen an längst vergessene Gasthäuser und einen Wandel bei den Ess-Gewohnheiten der Neumarkter in den Mittelpunkt.

Mit diesem Vortrag endete das zweitägige Programm zum Tag der Archive am vergangenen Wochenende. Vereinzelt untermalte Präger seinen Rückblick mit historischen Fotografien. Diese Schwarz-Weiß-Bilder zeigten zum einen die Seite eines Gebäudes, auf welcher der Name der betreffenden Wirtschaft zu lesen war. Zum andern ließen sie aber offen, wie es in deren Umgebung aussah.

Konzentration in Stadtmitte

Nur dem Namen nach ist erhalten geblieben, welche Gastwirtschaften es zu Beginn der Aufzählung im Jahr 1808 gegeben hatte. Diese befanden sich fast ausschließlich entlang des Unteren und Oberen Marktes. Sehr viele führten ein Tier in ihrem Namen geführt: beispielsweise Zum weißen Lamm oder Zum goldenen Löwen.



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Obwohl es auch außerhalb der Marktstraße noch Gaststätten gegeben habe, habe sich in Neumarkt die Gastronomie dort konzentriert. Damit, so Präger, reagierten die Wirte darauf, dass Neumarkt auf dem Handelsweg von Nürnberg nach Regensburg gelegen war. Wer mit einem Pferde-Fuhrwerk unterwegs war, habe in Neumarkt übernachtet.

In der nächsten vom aktuellen Stadtarchiv präsentierten Liste aus den Jahren 1839/1840 tauchten einige Namen von 1808 nicht mehr auf. Ganz neu für diese Zeit war ein Cafe Wolf. Mehr Cafes haben sich dann in der Aufstellung von 1927 befunden. Darunter war auch das Cafe Schlanghaufer, das es noch weit nach Kriegsende 1945 gegeben hatte. Die Zunahme von Cafes stehe dafür, dass sich in diesen Zwanziger Jahren die Genusskultur der damals lebenden Menschen geändert habe.

Alte Gastwirte bewiesen Zivilcourage in der Nazi-Zeit

Bei der Präsentation der Karte von 1927 wies Präger auf noch heutzutage bekannte Namen wie das Gasthaus Wunder und das erst vor wenigen Monaten abgerissene Gasthaus Zur Linde hin.



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Besonders hob der Stadtarchivar hervor, dass die Neumarkter Wirte bis 1945 jüdische Bürger, die aus Nürnberg gekommen waren, bedient hätten. Das sei den Nazis derart übel aufgestoßen, dass ihr Blatt „Der Stürmer“ darauf reagiert habe. In Neumarkt, so deren Hetze, gebe es „viele Judenfreunde“. Präger betonte, dass sich bei diesem Thema zeige, welch vorbildhafte Zivilcourage Neumarkter Gastronomen damit bewiesen hätten.

Die Kripo schlug zu

Die Aufzählung für 1975 zeigt, dass es bis dahin in Neumarkt immer mehr ausländische Lokale gegeben hat. Mit dem Pellegrin sei zudem die erste Eisdiele in der Stadt eröffnet worden. In der letzten Karte aus dem Jahr 2003 sei nicht nur das erste Internet-Cafe, sondern auch das erste Fast-Food-Lokal aufgezählt worden.

Obwohl es in diesen 225 Jahren so viele Wechsel gegeben habe, hat es laut Präger immer die Gaststätte Türken-Wirt am Unteren Markt gegeben. Ebenfalls 2003 habe es die wohl kurioseste Neueröffnung gegeben: Ein Fast-Food, das aber am Tag danach schon für immer geschlossen hat. Für diesen Vorfall habe sich dann das Finanzamt interessiert.

Außer dem Vortrag über die Gastronomie hatte es am Sonntag eine Lesung von Doris Distler und Frank Präger gegeben. Die Überschrift dazu hieß: „Von Kanten-Tschienis und Schläiaschnaps“. Beide lasen aus ihrem Roman „Liberté am Blomenhof“. Darin sind einige kulinarische Themen enthalten.