Jugendamt Neumarkt
Immer mehr Kinder in Not: Neue Inobhutnahme-Gruppe in Parsberg kann Bedarf kaum decken

12.03.2024 | Stand 12.03.2024, 19:00 Uhr

Im Gruppenraum der Inobhutnahme-Gruppe im Päz in Parsberg: Einrichtungsleiterin Birgitt Mederer (rechts) mit Raphaela Limmer, Jonathan Bürger und Bettina Lang vom Betreuungsteam. Foto: Markus Rath

Es gibt Einrichtungen, da kann sich niemand freuen, wenn sie schnell und gut angenommen werden. Die Inobhutnahme-Gruppe des Pädagogischen Zentrums (Päz) Parsberg ist eine davon. Zwar gibt es sie erst seit wenigen Monaten, seitdem vergeht aber kaum ein Tag, an dem dort ein Platz frei bleibt. Es sind Kinder mit schlimmen Schicksalen, die dort Hilfe bekommen.

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„Wir müssen immer Anfragen ablehnen“, erklärte die pädagogische Leiterin Birgitt Mederer vom Päz. Die Entwicklung der noch jungen Einrichtung war am Dienstag Thema im Jugendhilfeausschuss des Landkreises.

Zur Eröffnung am 1. November waren zwei Kinder schon da, die vorab in den Heimgruppen untergebracht worden waren, „weil die Not so groß war“. Und es sollte nicht nur wenige Tage dauern, bis auch die übrigen der insgesamt fünf Plätze, die sich der Landkreis Neumarkt mit dem Landkreis Regensburg teilt, voll waren. „Das ist eigentlich gar nicht so gewollt. Wir wollen, dass immer ein Platz frei ist“, erklärte Mederer. Doch einen solchen Notfallplatz freizuhalten, sei angesichts der enormen Nachfrage nicht möglich.

Eigentlich sollte ein Platz für Notfälle frei bleiben



Acht Kinder hat die Einrichtung in den vergangenen Monaten aufgenommen und zum Teil weitervermittelt. Denn das ist die Idee hinter der Inobhutnahme-Gruppe: erkennen, wo die Probleme der Kinder liegen und in welcher speziellen Einrichtung ihnen dauerhaft geholfen werden kann. Auf einen längeren Aufenthalt ist die Gruppe nicht angelegt. In der kurzen Zeit hatte das Betreuerteam – knapp sieben Stellen stehen zur Verfügung – schon mit verschiedensten Problemfeldern zu tun.

Birgitt Mederer berichtete beispielsweise von einem 13-jährigen Mädchen, das von ihrer Mutter körperlich und seelisch schwer vernachlässigt worden war, nicht zur Schule gehen durfte und unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung mit Flashbacks und starken Panikattacken litt. Das Mädchen sei derart verängstigt und verstört gewesen, dass man zunächst eine geistige Behinderung habe vermuten können. Inzwischen gehe es ihr besser. Wie sich herausstellte, ist das Mädchen sehr intelligent. Sie geht mittlerweile wieder zur Schule auf dem Gelände des Päz und kann hoffentlich bald in eine dauerhafte Einrichtung umziehen.

13-Jähriger ist Opfer und Täter

Den richtigen Platz für den spezifischen Bedarf des Kindes zu finden, sei aber alles andere als einfach, weiß Mederer und ist dem Team des Jugendamts für dessen Einsatz daher sehr dankbar. Beispielhaft nannte sie die Geschichte eines 13-jährigen Jungen aus dem Landkreis, der zuvor selbst sexuell missbraucht worden war und nun selbst zum Täter wurde.

„Ihm hatte bis zu diesem Zeitpunkt niemand geholfen. Plötzlich war er das Monster der Familie, dabei war er doch selbst ein Opfer“, berichtete Birgitt Mederer. Das lernte der Jugendliche in Parsberg langsam zu erkennen. Nun laufe bundesweit die schwierige Suche nach einem der raren stationären Therapieplätze.

Gruppe in Parsberg soll in Zukunft mehr Plätze erhalten



Langfristig soll die Gruppe auf acht Plätze wachsen, die sich Neumarkt und Regensburg teilen. Nun hat der Jugendhilfeausschuss aber erst einmal die reguläre Vereinbarung für die aktuelle Gruppe mit fünf Plätzen einstimmig beschlossen. Bisher lief sie nämlich wegen der Platznot nur mit einer vorläufigen Vereinbarung.

Derart drastische Fälle, bei denen Kinder aus Familien genommen werden müssen, kommen im Landkreis Neumarkt immer wieder vor, machen aber nur einen kleinen Teil der Arbeit des Jugendamts aus, erklärte die stellvertretende Sachgebietsleiterin Ute Beer. Grundsätzlich lasse sich beobachten, dass die Fallzahlen nach der Corona-Pandemie zugenommen haben. „Wir hatten einen sehr starken Anstieg der Schulverweigerer“, erklärte sie. Mehr Kinder und Jugendliche hatten auch mit psychischen Erkrankungen wie Neurosen, Angststörungen oder Essstörungen zu kämpfen. Inzwischen pegeln sich die Zahlen wieder auf einem sehr viel höheren Niveau ein, erklärte Beer.

100 Pflegekinder vermittelt

Für Eltern und Kinder bietet das Jugendamt eine ganze Reihe Hilfen an. Im vergangenen Jahr wurden beispielsweise in 210 Fällen ambulante Hilfen vermittelt. Alle sind freiwillig und für die Eltern kostenlos. Dort gibt es zum Beispiel Hilfe in Trennungssituationen der Eltern, intensivere Begleitung eines Jugendlichen mit Entwicklungsproblemen oder Soziale Arbeitsgruppen für Kinder und Jugendliche. Für schwierigere Fälle gibt es teilstationäre oder stationäre Hilfen. 2023 gingen 100 Kinder in Dauer- oder Bereitschaftspflege und 137 in die Heimerziehung.

Infos über die Hilfsangebote des Jugendamts unter Tel. (09181)4706983 oder E-Mail kreisjugendamt@landkreis-neumarkt.de.