Gemeinwohl als Ausweg
Neumarkter Nachhaltigkeitskonferenz beleuchtet Transformation aus vielen Perspektiven

10.11.2023 | Stand 10.11.2023, 16:38 Uhr |
Dagmar Fuhrmann

Frank Ebinger, Johannes Ehrnsperger, Christian Felber, Stella Schaller, Oberbürgermeister Thomas Thumann, Ralf Mützel und Horst Kratzer (v.l.) gestalteten die Nachhaltigkeitskonferenz in Neumarkt. Foto: Dagmar Fuhrmann

Das Gefühl, Krisen und dem Klimawandel mit all seinen Folgen ohnmächtig ausgeliefert zu sein, hat einen mächtigen Gegner: nämlich die Kraft von Gemeinwohl-Initiativen und positiven Zukunftsbildern. Unter diesem Motto stand die 10. Neumarkter Nachhaltigkeitskonferenz mit etwa 100 Gästen und zwei Hauptreferenten.

Zunächst beschrieb Oberbürgermeister Thomas Thumann wie sich diese Konferenzen auf Nachhaltigkeit der Stadt Neumarkt ausgewirkt haben und welche Impulse von ihr ausgegangen sind. Als Beispiele nannte er E-Mobilität, nachhaltiges Bauen – beispielsweise in der Kita Wolfstein – und den Beschaffungspakt in der Verwaltung.

Neue Werte für die Wirtschaft



Welchen Einfluss Kapitalismus auf den Zustand der Erde und Gesellschaften hat, beschrieb Christian Felber, bevor er Lösungen anbot. Er ist Buchautor, Hochschullehrer und freier Tänzer in Wien. Und er propagiert in seinen Büchern „Ethischer Welthandel“ und die „Gemeinwohl-Ökonomie“ neue Werte für die Wirtschaft. Ziele der Menschen im Umgang miteinander würden sich wesentlich von denen der Wirtschaft unterscheiden. Wirtschaft werde assoziiert mit Wachstum, Umweltzerstörung und Ausbeutung.

Im Umgang miteinander seien Werte wie Empathie und Vertrauen führend. 2008 habe die Meinung vorgeherrscht, dass Marktwirtschaft mehr Nutzen als Schaden bringe, inzwischen gehe man davon aus, dass Kapitalismus zerstöre. Der Verlust der Artenvielfalt sei bedrohlich und die soziale Ungleichheit bedrohe Demokratien. „Das muss man sehr ernst nehmen“, sagte Felber.

Experiment auf der Bühne



Parlamente würden der Konzentration des Reichtums keine Grenzen setzen, obwohl die meisten Bürger sich dieses wünschten. Das zeigte auch das Experiment von zehn Teilnehmern, die auf die Bühne geholt wurden. Sie sprachen sich mehrheitlich dafür aus, den Abstand zwischen Mindestlohn und Spitzeneinkommen auf das Zwanzigfache zu begrenzen. In Deutschland betrage dieser Faktor 6000 in den USA 350 000. Parlamente erfüllten den Wunsch der Bürger nicht. Dies sollte geändert werden. Inzwischen gebe es aber etwa 70 Unternehmen in 35 Ländern, die eine Gemeinwohlbilanz erstellen.

Transformation bringt viele Keime des Neuen



Die Transformationsforscherin und Buchautorin Stella Schaller plädierte für neue Narrative. Die Erzählung, dass sich die Menschheit auslösche oder die Transformation nur Härten mit sich bringe, helfe nicht, sondern spalte und verlangsame die Transformation. Jeder Gedanke habe eine Wirkung sagte sie. Es gebe schon viele Keime des Neuen, diese müssten aber zusammengedacht werden, bevor die „Crunchtime“ zwischen Altem und Neuen beendet sei.

Unterschiedliche Perspektiven einnehmen



Johannes Ehrnsperger, Inhaber der Lammsbräu, nannte Erfolgsfaktoren, wie die Transformation eines Unternehmens gelingen könne. Entscheidend sei die persönliche Überzeugung, das Verankern von Nachhaltigkeit als Kernbestandteil eines Unternehmens und auch die Verwurzelung in der Unternehmenskultur. Hierzu müsse man aus unterschiedlichen Perspektiven auf ein und die selbe Sache blicken. Allerdings gebe es eine enkeltaugliche Zukunft nicht zum Nulltarif, so Ehrnsperger und berichtete auch von der Kooperation mit Landwirten. Hieraus habe sich eine Wertegemeinschaft entwickelt.

Bürgermeister Horst Kratzer berichtete von den Erfahrungen der Gemeinde Postbauer-Heng mit Gemeinwohl. Dadurch würden systematisch alle kommunalen Themen beleuchtet und sich Ziele herauskristallisieren. „Manches könne man aber auch nicht leisten“, sagte er.

Artikel kommentieren