Nach zehn Jahren
Rechtsfrieden für toten Bürgermeister – Vergleich im „Finanz-Skandal“ von Wenzenbach

06.09.2023 | Stand 12.09.2023, 16:23 Uhr

Die erste Kammer des Regensburger Verwaltungsgerichts unter Vorsitz von Richter Georg Geißelbrecht musste sich am Mittwoch mit den Vorgängen in der Dienstzeit des verstorbenen Wenzenbacher Bürgermeisters Josef Schmid auseinandersetzen. Fotos: Eckl

Vor dem Regensburger Verwaltungsgericht wurde am Mittwoch erneut der sogenannte Finanz-Skandal von Wenzenbach verhandelt, obwohl der frühere Bürgermeister Josef Schmid verstorben ist. Mit der Witwe und dem Ex-Geschäftsführer einigte sich Bürgermeister Sebastian Koch auf einen Vergleich unter Vorbehalt.



Über einen Toten sagt man bekanntlich nichts Schlechtes. Was aber, wenn sein Handeln als Bürgermeister bis heute Prozesse nach sich zieht? Am Mittwoch musste das Verwaltungsgericht Regensburg in einer Causa verhandeln, die den Ort Wenzenbach bis heute spaltet. Die Gemeinde klagte ursprünglich 170.000 Euro vom früheren Bürgermeister Josef Schmid, dem Ex-Geschäftsführer der Gemeinde und zwei weiteren Beamten ein. Nach Schmids Tod erbte Schmids Witwe, die auch seine Witwenpension bekommt, das Verfahren. Der frühere Geschäftsführer der Gemeinde hatte bereits 54.000 Euro freiwillig zurückbezahlt.

Steuern aus der Gemeindekasse bezahlt



Die Gemeinde wollte die Auszahlung von Urlaubsentgelt zurück, aber auch große Teile von Pauschalen, die der Bürgermeister in seiner Amtszeit erhalten hat. Auch aus der Gemeindekasse übernommene Steuern dafür sowie die Steuern für eine von der Gemeinde bezahlten Reise zum 60. Geburtstag Schmids wurden eingeklagt.

Der für Schmid beziehungsweise seine Witwe belastendste Posten dürfte eine Rückforderung von knapp 70.000 Euro für Reisekosten und sonstige Aufwände sein. Es ging dabei um zwei Pauschalen, die Schmid als Bürgermeister bekommen hat – und zwar nicht nur er, sondern seit 1978 auch seine Vorgänger, wenngleich in deutlich niedrigerer Höhe. Zum einen bekam Schmid zu seinem A16-Gehalt als Bürgermeister 480 Euro für Fahrtkosten, zum anderen nochmals 380 Euro Aufwandsentschädigung – und das alles steuerfrei. Genau das aber hat das Regensburger Finanzamt 2004 erstmals moniert. Als das Finanzamt die Lohnsteuer von Schmid und dem Ex-Geschäftsführer forderte, unterschrieb der Bürgermeister, dass diese aus der Gemeindekasse bezahlt wurde.

Finanzamt verlangte vom Bürgermeister ein Fahrtenbuch



Das Finanzamt gab Schmid damals auf, ein Fahrtenbuch und einen Terminkalender zu führen. Für einen Monat legte er sodann auch ein solches vor: Er kam auf 561 Kilometer, darunter aber auch eine Fahrt nach Susice in Tschechien, eine Reise, die er dann aber nach Angaben seines Amtsnachfolgers 2007 nochmals abgerechnet und dafür 196 Euro bekommen hatte. Das alles behauptete jedenfalls Bürgermeister Sebastian Koch. Die Anwälte der Witwe, Reinhard Brey und Andreas Mühlbauer, bestritten zunächst eigentlich so ziemlich jeden Punkt der Klage. Ihnen ging es offenbar darum, wie im Strafprozess nachzuweisen, dass Schmid von seinem Ex-Geschäftsführer getäuscht wurde. Doch da ging das Gericht nicht mit.

Da ergriff Koch selbst das Wort in dem Prozess, nachdem er zuvor den Anwalt der Gemeinde vortragen ließ: „Das Fahrtenbuch für einen Monat belegt eindeutig, dass 480 Euro Pauschale deutlich drüber waren“, sagte Koch. „Wenn man das beim Erstellen des Fahrtenbuchs erkennt, dann hätte man sich doch ehrlich machen müssen und der Gemeinderat hätte auch erwartet, dass man sich ehrlich macht“, sagte Koch wörtlich.

Hätte der Gemeinderat bei Pauschale zustimmen dürfen?



Doch da kam Richterin Ulrike Dettenhofer auf einen Punkt zu sprechen – und ließ die Bombe platzen. „Jeder Gemeinderat, der sich dem Beschluss für die Pauschalen angeschlossen hat, hätte selbst dessen Rechtmäßigkeit prüfen müssen“, sagte Dettenhofer. „Wir haben Probleme mit dem Schaden“, sagte auch Richter Geißelbrecht. Das bedeutet aber wiederum: „Da haben wir eine Unterbrechung der Kausalkette“, so Dettenhofer. Letztlich ließ das Gericht durchblicken, dass der größte Teil der Rückforderungen an Schmids Witwe wohl rechtlich unbegründet ist.

Bei der Auszahlung der nicht genommenen Urlaubstage des früheren Geschäftsführers fanden die Richter aber auch klare Worte und kritisierten Schmid posthum scharf: „Ich kann als Bürgermeister auch als früherer Postbeamter nicht einfach unterschreiben“, sagte Richterin Dettenkofer. Richter Geißelbrecht machte das so deutlich: „Auch wenn er einfacher Postbeamter in A6 war, hat er als Bürgermeister A16 verdient. Ich kann nicht in ein Amt gewählt werden und sagen, ich kann dem Geschäftsführer blind vertrauen.“

Vergleich legt Streit bei



Am Ende blieb von den hohen fünfstelligen Forderungen an Schmids Witwe relativ wenig übrig. Gericht, Gemeinde, Vertreter der Witwe und Ex-Geschäftsführer einigten sich auf einen Vergleich. Schmids Witwe soll 14.000 Euro und damit faktisch die von der Gemeinde bezahlte Steuer plus Zinsen zahlen. Der Ex-Geschäftsführer zahlt nochmals 9700 Euro, hat also fast 64.000 Euro an die Gemeinde zurücküberwiesen.

Die Witwe des verstorbenen Bürgermeisters erschien nicht vor Gericht. Eine Schwiegertochter sagte am Rande des Prozesses, wie aufwühlend all das für sie sei. Bürgermeister Koch hatte im Vorfeld des Prozesses immer wieder betont, ihm seien die Hände gebunden und er musste den möglichen Schaden der Gemeinde auch einklagen. Koch selbst bekommt übrigens keine solche Reisekostenpauschale – er rechnet jede Fahrt einzeln ab, wie er am Rande des Prozesses sagte. Der Vergleich muss noch durch den Gemeinderat, würde aber eine zehnjährige Prozessdauer beenden – und ein beliebter Bürgermeister, der Schmid war, endgültig Ruhe finden.