Die Ruhe nach dem Sturm
Nach Insolvenz des Seniorenheims der Diakonie in Amberg: Viele Pfleger haben bereits neue Stellen

02.05.2024 | Stand 02.05.2024, 16:39 Uhr

Tische, Stühle, Betten, Lampen – alles steht noch da: Beim Blick in die Wohnbereiche hat man den Eindruck, gleich würde jemand kommen und sich an den Tisch setzen. Doch seit 22. April lebt niemand mehr im Haus an der Hellstraße. Foto: Michaela Fichtner

Bereits am 22. April ist die letzte Bewohnerin des Seniorenheims der Diakonie in der Hellstraße in eine andere Einrichtung umgezogen. In einer Feier mit Pfarrer David Scherf konnten sich am 25. April die Mitarbeiter von ihrer bisherigen Arbeitsstätte verabschieden.

Das teilten die Insolvenzverwalter mit. Nun heiße es, positiv in die Zukunft zu schauen und sich in der neuen Umgebung einzuleben.

Immerhin 80 Prozent der Heimbewohner hätten in Amberg selbst untergebracht werden können, die restlichen 20 Prozent im Landkreis. „Die Schließung des Heims und die Unterbringung der Betroffenen war für alle Beteiligten eine Herausforderung. Hand in Hand mit den Angehörigen und den zuständigen Stellen ist es uns schließlich doch gelungen, für jeden den bestmöglichen Platz zu finden“, zitiert die Mitteilung Marcus Keil, den Geschäftsführer des Diakonievereins.

Auch die Pflegekräfte könnten nach vorne schauen. Sie hätten inzwischen neue Arbeitsplätze gefunden und auch die restlichen Mitarbeiter des Seniorenheimes würden bei der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle unterstützt.

Doch Keil wisse, dass dringend gehandelt werden muss – finanzielle und personelle Herausforderungen seien im Wohlfahrtsbereich allgegenwärtig wie nie: „Wir sind nicht die erste Einrichtung, die Insolvenz anmelden muss, und werden auch nicht die letzte sein. Die Pflege brennt lichterloh! Mir fehlt der Aufschrei der Gesellschaft, und ich kann nicht nachvollziehen, wohin das noch führen soll.“

Ein schwerer Spagat zwischen Wirtschaft und Gesellschaft



Sanierungsexperte Klaus Ziegler warnt seinerseits eindringlich vor der Einstellung, „dass sich soziale Angebote schon irgendwie selber finanzieren.“ Auch eine Einrichtung der Wohlfahrtspflege müsse organisiert werden wie ein Unternehmen.

Weder Staat noch Kirche, Wirtschaft oder Gesellschaft dürften sich hier ausklinken. „Letztlich geht es doch um die Menschen“, beschreibt Keil seinen Zweispalt. Auch Klaus König, Vorsitzender des Diakonievereins Amberg, frage sich: „Worauf warten wir denn noch? Jetzt muss was passieren, solange es noch Einrichtungen gibt, die gerettet werden können.“

Fortführung einzelner Angebote



In den anderen Bereichen des Amberger Diakonievereins nehme derweil die Zukunftsperspektive Gestalt an. Die Ambulante Pflege, die Kindergarten- und Familienarbeit sowie die Offene Behindertenarbeit würden wie gewohnt fortgeführt. Sie werden im Rahmen des Eigenverwaltungsverfahrens weiter saniert, restrukturiert und für zukünftige Herausforderungen gestärkt. Einschränkungen beim Leistungsangebot sind nicht geplant.

Mit Klaus Ziegler und Thomas Klöckner von der Lecon Restrukturierung Rechtsanwaltsgesellschaft ständen dem Verein zwei erfahrene Experten zur Seite. „Wir sind aktuell auch im Austausch mit dem Diakonischen Werk Bayern, ob es Kooperationsmöglichkeiten gibt, um weitere Synergieeffekte im diakonischen Umfeld zu erzielen“, erklärt Ziegler. „Die ersten Maßnahmen wurden bereits erfolgreich umgesetzt. Wir ziehen hier alle an einem Strang. Es beeindruckt mich sehr, mit welcher Leidenschaft das komplette Team an der Neuausrichtung des Diakonievereins arbeitet“, sagt Klöckner, der im Zuge des Verfahrens als 2. Vorsitzender des Diakonievereins für die Umsetzung in Eigenverwaltung Verantwortung übernommen hat, so die Mitteilung weiter.

Insolvenzverfahren als Chance



Als Sachwalter begleite Volker Böhm der Kanzlei Schultze & Braun das Verfahren und vertritt die Interessen der Gläubiger. „Die Entwicklung im Verfahren des Diakonievereins Amberg zeigt, welche Möglichkeiten das Insolvenz- und Sanierungsrecht gerade auch im Pflegebereich bietet. Mit der planmäßigen Eröffnung des Verfahrens haben wir einen wichtigen Meilenstein erreicht, und ich bin zuversichtlich, dass wir das Verfahren zu einem positiven Abschluss bringen können, mit dem der Diakonieverein Amberg seine wichtigen Aufgaben auch in Zukunft erfüllen kann“, zeigt er sich optimistisch. Am Ende stehen betroffene Einrichtungen in der Regel wieder auf eigenen Beinen.