Konzert in der Niedermünsterkirche
Cantabile Regensburg: Traumwandlerische Klangkultur im Neuen

Der Chor präsentierte zeitgenössische Chormusik auf höchstem Niveau

08.10.2023 | Stand 08.10.2023, 19:00 Uhr

Live ein Erlebnis: Cantabile Foto: altrofoto.de

Es ist für sich schon ein großer Verdienst von Cantabile Regensburg, dass sich der Schwerpunkt und Fokus der künstlerischen Arbeit seit vielen Jahren auf die Interpretation und Förderung zeitgenössischer Vokalmusik richtet.

So sind mit dem Vokalensemble mittlerweile eng Komponistennamen verknüpft, die ohne dieses Engagement vielleicht nicht ganz so intensiv in der Wahrnehmung der Chorszene und des Publikums stehen würden. Wolfram Buchenberg bildet unter den protegierten Komponisten vielleicht eine Ausnahme, aber auch für ihn ist der Chor unter der Leitung von Matthias Beckert längst zu einer wichtigen, beständigen und verlässlichen Präsentationsfläche seiner Musik geworden.

Cantabile ist damit sehr erfolgreich und kann es sich mittlerweile leisten, ein Programm mit ausschließlicher neuer Chormusik von zeitgenössischen und lebenden Komponisten zu präsentieren, ohne Gefahr zu laufen, vor leeren Reihen zu singen. Was auch daran liegen mag, dass die ganz experimentelle Avantgarde nur eine geringe Rolle spielt. Es ist vor allem die wohlklingende, vollflächige Vokalmusik einer gemäßigten Modernität, die der mit vielen Preisen und Wettbewerbserfolgen ausgezeichnete Chor aufs Beste zu interpretieren weiß, weil er genau die dafür notwendige Klangkultur und Souveränität besitzt.

Im Mittelpunkt des jüngsten Regensburg-Konzerts in der Niedermünsterkirche stand meist Musik aus der Feder des 1949 geborenen Schweizer Komponisten, Organisten und Pianisten Carl Rütti (*1949), dessen Affinität zur englischen Chormusik sich stets hörbar durch seine Werke zieht. Dazu gesellten sich Kompositionen von James MacMillan (*1959), Zsolt Gárdonyi (*1946), Alwin Schronen (*1965) und Eriks Esenvalds (*1977). Hans Koessler (1853-1926) fiel in diesem Reigen aus dem Rahmen, weil er mit seiner Klangsprache deutlich einer früheren Generation angehört. Mit seiner Vertonung des Gedichts „Einsamkeit“ aus der Feder von Konrad von Prittwitz-Gaffron (1826-1906) setzte Cantabile einen fast klassisch anmutenden Schlusspunkt unter ein Programm, dass in seiner Ausrichtung und Stilistik trotz der traumwandlerischen Gestaltungsgüte, blitzsauberer Intonation und dynamischer Raffinesse seine Längen hatte. Auch, weil die dargebotenen Kompositionen in der dramaturgischen Auslegung und den harmonischen Stilarten in dieser unmittelbaren Dichte und Nähe zueinander doch sehr ähnelten. Harmonische Rückungen und Verdichtungen, kontrastierende Sopran-Soli sowie synkopische Taktverschiebungen und das grundlegende Verständnis für Textbehandlung schienen sich über die Strecke die Hand zu geben. Das änderte aber nichts daran, dass es mit Rüttis viersätzigen Zyklus „Eklipsis“, seinem „The moon“, Buchenbergs „Von 55 Engeln behütet“ oder „Stars“ von Esenvalds (in feiner harmonischer Grundierung durch singende Gläser) herausragende Chormusik zu hören gab, die den Besuch eines Konzerts von Cantabile Regenburg einmal mehr zu eine lohnenswerten und überaus gehaltvollen Unterfangen machte.