Aus Verlegenheit wird ein künstlerischer Triumph: Das Mandelring Quartett beim Musikverein Regensburg
Das Pavel Haas Quartett sollte es am vergangenen Donnerstagabend eigentlich sein. Eingeladen waren sie beim Musikverein Regensburg mit zwei weiteren Gastmusikern, um in Sextettbesetzung drei anspruchsvolle Werke von Bohuslav Martinu, Erwin Schulhoff und Antonin Dvořák im Lappersdorfer Aurelium darzubieten. Daraus wurde nichts, krankheitshalber musste wenige Tage vorher abgesagt werden. Der Vorstand schaffte das große Kunststück, flink für adäquaten Ersatz am gleichen Konzerttag zu sorgen und präsentierte – fast aus der Hüfte – niemand geringeren als das Mandelring Quartett in ebenso erweiterter Besetzung (um den Bratscher Roland Glassl und Isang Enders am Violoncello), allerdings mit anderen Werken.
Beseelte Spielfreude
Dvořák blieb, jedoch erklang statt Opus 48 das Streichquintett Es-Dur op. 97 zur Mitte des Konzerts. Es ist gewiss kein Klischee, in seiner Musik stets etwas folkloristisches zu hören. In den vier Sätzen schimmert diese Volkstümlichkeit immer durch – verschmitzt, elegant und in einer federleicht wirkenden Virtuosität, die den sechs Streichern förmlich auf den Leib geschrieben schien.
Mit ihrer beseelten Spielfreude war es ein Fest, dem Sextett bei der Ausformung der dynamischen Gestaltung und der scheinbar mühelosen Virtuosität zu folgen. Das vorangestellte Streichsextett aus Capriccio op. 85 von Richard Strauss verbreitete da eher eine kontemplative, konzentrierte Atmosphäre, in der die hohen Qualitäten einer flächigen Binnenspannung durch alle Stimmen gefragt waren. Schon da waren die wechselnden individuellen Impulsgebungen zu beobachten. Das Primat des ersten Geigers Sebastian Schmidt hält souverän die Fäden zusammen, überlässt aber den anderen Ensemblemitgliedern immer wieder Führungsrollen.
Lesen Sie auch: Klavierabend: Grigory Sokolov mit allen Sinnen
Nach der Pause schienen sich dann alle zuvor gehörten Spielarten und Klangschattierungen im Streichsextett G-Dur op. 36 von Johannes Brahms zu vereinen, das Leichte und das Schwere verdichten sich in den vier Sätzen, denen das verstärkte Mandelring Quartett in einem unerhörten großen und zwingenden Spannungsbögen begegnete. Immer wieder leuchtete die individuelle Klasse durch, selbst kleinste Miniaturen waren im transparenten, aber durchaus schlagkräftigen Gesamtklang nachzuvollziehen, fast aufdringlich wurden Details dem Zuhörer präsentiert.
Nobles Spiel
So gab es an diesem Abend nicht einen Moment, in der nicht hohe Energie durch die Gestaltung der Musik floss, selbst in der Abphrasierung ließen die sechs Spitzenmusiker keinen spürbaren Spannungsabfall zu. Möglich, dass man Brahms noch forscher und wilder spielen kann, nobler und aufgeladener gewiss nicht.
So wurde die Not und die anfängliche Verlegenheit durch die Absage zum großen Erfolg der Veranstalter und zum künstlerischen Triumph für das Mandelring Quartett, dem das begeisterte Publikum sogar verzeihen konnte, als sie keine Zugabe mehr anbieten konnten. Vielleicht aber wäre das dann doch des Guten zu viel gewesen.
Artikel kommentieren