Aktionstag „Schichtwechsel“
Rollentausch am Arbeitsplatz: Menschen mit Behinderung geben Einblicke in Werkstatt-Alltag

12.10.2023 | Stand 12.10.2023, 17:00 Uhr
Martina Groh-Schad

KJF-Werkstatt-Mitarbeiterin Monika Staudacher erklärt Amtsleiter Christian Goß (vorne) Arbeitsschritte in der Montage unter dem wachsamen Auge von Bürgermeisterin Astrid Freudenstein (von links), KJF-Werkstatt-Leiter Holger Lauer sowie KJF-Werkstattmitarbeiter Christian Stache, der bei der Stadt Regensburg einen Außenarbeitsplatz hat. Foto: Martina Groh-Schad

Für den Leiter des Sportamts der Stadt Regensburg, Christian Goß, war es eine neue Erfahrung als Mitarbeiter in der Montage von Bauteilen für Klimaanlagen. Von der St. Johannes Werkstattmitarbeiterin Monika Staudacher ließ er sich in ihren Arbeitsbereich an einer Stanze einführen. „Das ist nicht so einfach, wie es aussieht“, stellt der Amtsleiter im Praxis-Test fest. Als Begleitung der städtischen Mitarbeiter in der Werkstatt dabei war auch Sozial- und Sportbürgermeisterin Astrid Freudenstein. „Es ist immer eine Bereicherung, etwas anderes zu sehen“, betont sie mit Blick auf die Abläufe in der Werkstatt.

Seit mehreren Jahren ruft die Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen den Aktionstag Schichtwechsel aus, um Einblicke in die Arbeit der Einrichtungen zu gewähren. In Regensburg nahm neben der St. Johannes Werkstatt, die zur KJF Werkstätten gGmbH gehört, auch die Retex Werkstatt GmbH für Menschen mit psychischer Behinderung teil.

„Werkstätten sind keine Einbahnstraßen“



„Ein Perspektivwechsel ist wichtig“, betont KJF-Werkstattleiter Holger Lauer. Für ihn ist der Aktionstag vor allem auch eine Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass Werkstätten Übergänge auf den regulären Arbeitsmarkt anbieten. „Werkstätten sind keine Einbahnstraßen“, betont er. Zudem würden Werkstätten eine große Bandbreite an Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung anbieten, der über den weitläufig bekannten Montage-Bereich hinausgehen. So werden in der KJF-Werkstatt St. Johannes beispielsweise im Bereich Büro-Dienstleistungen auch Webseiten auf ihre Barrierefreiheit hin überprüft. Ob die Homepage der Halle 37 der Stadt Regensburg den Anforderungen der Bedürfnisse von Menschen mit Sehbehinderung oder anderen Einschränkungen entspricht, konnte Amtsleiter Goß dann selbst zusammen mit Werkstatt-Mitarbeitern herausfinden. „Die Seite ist auf einem guten Weg“, teilte die KJF im Nachgang mit.

Zum ersten Mal beim Aktionstag dabei war die Retex Werkstatt GmbH, in der 190 Menschen mit psychischer Behinderung einen Arbeitsplatz finden. „Arbeitswelten inklusiv zu gestalten, ist eine zentrale Herausforderung der Zukunft“, sagt Retex-Geschäftsführer Herbert Market und seine Mitarbeiterin Annemarie Salberg ergänzte: „Uns geht es vor allem darum, die Sichtbarkeit von Werkstätten zu erhöhen.“ Seit mehreren Jahren kooperiert Retex mit dem Möbelhaus Ikea und hat dort fünf Mitarbeiter, die im Recyclingbereich einen Außenarbeitsplatz besetzen. Sie werden bei ihrer Tätigkeit von pädagogischen Mitarbeitern unterstützt.

Eine Win-win-Situation



Den Schichtwechsel nutzten der Schwerbehindertenvertreter von Ikea, Martin Gilch, und Stellvertreterin Heidi Wollner, um die Arbeit bei Retex kennenzulernen. Für einen Tag halfen sie in der Abteilung Papier und Verpackung aus und klebten gemeinsam mit Retex-Mitarbeitern Kartons zusammen. „Unsere Tätigkeit hier bringt mich auf Ideen“, sagt Gilch und kündigte an, darüber nachzudenken, ob es bei Ikea weitere Arbeitsbereiche für Menschen mit Behinderung geben könnte. Bisher habe er die Werkstatt Retex nur an einem Tag der offenen Tür besuchen können. „Durch die Chance hier mitzuarbeiten und die Praxis kennenzulernen, entsteht eine Win-win-Situation für alle.“ In der kommenden Woche geht es weiter: Dann sollen Mitarbeiter von Retex bei Ikea im Einsatz sein und Erfahrungen sammeln.