Nur Joe Frazier war stärker als er
Ostbayern trauert um Hans Huber: Der Silbermedaillen-Gewinner von Tokio ist tot

18.01.2024 | Stand 19.01.2024, 10:31 Uhr

Der Kuracao-Palast am 23. Oktober 1964: Im Ring stehen der Oberpfälzer Hans Huber und Joe Frazier im Kampf um olympisches Gold. Am Ende gewinnt der US-Amerikaner hauchdünn nach Punkten. Foto: Imago

Ostbayern trauert um einen der größten Sportler, den die Region je hervorgebracht hat. Hans Huber ist vor einer Woche, am 12. Januar, im Alter von 90 Jahren gestorben, wie erst jetzt bekannt wurde. Am Ende zwang eine Lungenentzündung den „Helden von Tokio“ in die Knie. „Er ist zu Hause friedlich eingeschlafen im Kreis seiner Familie“, berichtet seine Ehefrau Ingrid.



Es war der 23. Oktober 1964, der den Wenzenbacher (Landkreis Regensburg) weltweit berühmt machte. Dieser Tag brachte ihm Lob, Ehrungen, aber auch unzählige Glückwunschtelegramme ein – von Konrad Adenauer bis Willy Brandt; auch wenn am Ende zwei Fäuste zu Gold fehlten.

Gleich zwei Olympioniken hatten die Stadt und die Regensburger Turnerschaft nach Tokio zu den Olympischen Sommerspielen geschickt: Hans Huber und den Wasserspringer Horst Rosenfeldt. Während Rosenfeldt im Vorkampf ausschied, boxte Huber sich durch, räumte auf dem Weg ins Finale sowohl den Pakistaner Abdul Rehman als auch den Italiener Giuseppe Ros aus dem Weg.

Um die Oberpfalz, besonders um Regensburg, war es spätestens zu diesem Zeitpunkt geschehen. In der Domstadt grassierte das „Huber-Fieber“. Zwischen dem 30-jährigen Modellathleten Huber und olympischem Gold stand nur ein junger US-Amerikaner, der ursprünglich gar nicht nominiert gewesen war. Er war 20Jahre alt, zehn Zentimeter kleiner und hieß Joe Frazier. Der spätere Profi-Weltmeister wurde wegen seiner Fights gegen Muhammad Ali selbst zur Legende.

Das Gros der Menschen in Deutschland verfolgte den Kampf damals vor dem Rundfunkempfänger. „Um 15.30 Uhr wurde überall die Arbeit niedergelegt und vor Spannung zitternd lauschte Regensburg der erregten Stimme des Sprechers aus Tokio“, schrieben tags darauf die Regensburger Zeitungen. Neun Minuten dauerte das Duell im Kuracao-Palast in Tokio. Am Ende verlor Huber – hauchdünn nach Punkten. Dennoch war man sich einig: „Der Held des Tages ist trotz seiner 2:3-Niederlage Hans Huber!“

50.000 Menschen bejubeln den Rückkehrer



Hubers Enttäuschung war unendlich groß. „Vor der Olympiade hätte ich mich über jede Medaille sehr gefreut, doch wenn man so kurz vor dem Sieg scheitert, ist das bitter“, sagte er später. Umso mehr bewegte ihn der überwältigende Empfang. 50 000 Menschen erwarteten am 29. Oktober am Regensburger Bahnhof seine Rückkehr. Die Oberpfälzer waren völlig aus dem Häuschen. „Das hat mich dann schon entschädigt.“

Huber hatte den Weg zum Faustkampf erst spät gefunden. Zunächst schlüpfte der Bäckerlehrling in die Torwarthandschuhe des SV Wenzenbach. Als der 1,92-m-Hüne später zum städtischen Busfahrer umschulte, war das womöglich eine Schicksalsentscheidung. Sein Fahrlehrer überredete 1953 seinen Schüler doch zu den Schwerathleten der Regensburger Turnerschaft zu stoßen. Im Ringerlager sorgte Huber 1956 als deutscher Vizemeister für eine erste sportliche Sensation. Ein Jahr später schnupperte er aber bereits im Lager der RT-Boxer. Als Huber 1960 wieder nur deutscher Vizemeister wurde, weil er an dem Olympiasieger von 1960, an Winfried Dietrich, dem „Kran von Schifferstadt“, nicht vorbeikam, wurde aus Hans Huber endgültig ein Boxer.

„Sugar Ray Robinson, du Sauhund“



Joe Frazier traf er übrigens noch zweimal in seinem Leben: Als Überraschungsgast saß Huber 1971 in Los Angeles auf Einladung eines US-Senders seinem einstigen Gegner im Fernsehen gegenüber. Zweiter Gast war Sugar Ray Robinson. Im Studio kam es zu einer lustigen Szene. Da der Oberpfälzer kein Englisch konnte – „das hat man zu meiner Zeit nicht gelernt“ – , dolmetschte eine Lufthansa-Stewardess. Als die Sendung vorüber war, fragte ihn Robinson auf Deutsch: „Hans, und wie geht’s dir denn sonst?“ Huber war verblüfft: „Du Sauhund, warum sagst’n nix?“ Was Huber zuvor nicht gewusst hatte: Sugar Ray Robinson war nach dem Krieg in Deutschland stationiert gewesen.

Ein Held der anderen Art



Nach dem Gewinn der olympischen Silbermedaille arbeitete Hans Huber am Regensburger Sportamt. Nicht nur an dem 23. Oktober 1964 war er ein Held. Er blieb Zeit seines Lebens ein Held, einer der anderen Art. „Bescheiden“, „freundlich, nie abgehoben“, ein „Schwergewichtsboxer mit der Seele eines Rehs“, charakterisieren ihn Menschen. Einer, dem der Ruhm nie zu Kopf gestiegen war, der nicht neidig war – auch nicht auf die späteren Karrieren der Profi-Boxer. Aber auch ein Mann der klaren Worte. Muhammad Ali wäre für ihn beispielsweise wirklich der Größte gewesen, hätte er seine Gegner nicht hin und wieder lächerlich gemacht. „Das macht kein großer Sportler“, lautete seine Einstellung. Hans Huber hat nie jemanden lächerlich gemacht. Deswegen ist es nicht vermessen zu sagen: Ein großer Sportler ist gestorben.