Zwei Klatschen zuletzt lassen am 1. FC Nürnberg zweifeln. Doch es gibt auch Argumente für den FCN. Ein Streitgespräch.
von Wolfgang Endlein und Daniel Frasch
Wohin geht es mit dem 1. FC Nürnberg? Die Meinungen darüber schwanken nach den ersten sieben Spieltagen in der Bundesligasaison 2018/19. Foto: Eisele/dpa
Neumarkt.0:7 in Dortmund und zwei Wochen später 0:6 gegen Leipzig. Ist das nun ein Anzeichen
dafür, dass der 1. FC Nürnberg es schwer haben wird, die Bundesliga zu halten? Oder
waren es erwartbare Niederlagen gegen Top-Teams und der Club ist an sich im Soll?
Fragen, die die MZ-Autoren Wolfgang Endlein und Daniel Frasch ganz unterschiedlich
beantworten.
Das sagt Wolfgang Endlein:
Wo steht der 1. FC Nürnberg? Ist das Glas halb voll oder halb leer? Derlei Gestalt
war das Gespräch, das mein Kollege Daniel Frasch und ich nach dem 0:6-Untergang in
Leipzig geführt haben – und aus dem der Anstoß für diesen Artikel entstand. Einer,
der zwei gegensätzliche Meinung samt Argumenten abbilden soll.
Wolfgang Endlein erlebte den legendären Abstieg 1999, bei dem sich Radio-Legende Günther
Koch „vom Abgrund“ meldete, live im Stadion mit. Das hat Spuren hinterlassen und den
immer währenden Zweifel: Der Club wird doch nicht… Foto: altrofoto.de
Dabei waren wir eigentlich schnell einer Meinung: Der 1. FC Nürnberg steigt nicht
ab. Ebenso schnell war mir aber klar, dass es bei mir keine Meinung, sondern mehr
ein Gefühl ist. Eines, das getrieben ist von der Sympathie für den Verein, weniger
von rationalen Überlegungen. Geht es nach dem Herz, steigt der FCN nicht ab. Der Kopf
geht aber davon aus, dass der Verein den ungeliebten Abstiegsrekord weiter ausbauen
wird.
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Zwei heftige Niederlagen haben die Zweifel der Ligatauglichkeit des 1. FC Nürnberg wieder aufkommen lassen. Andererseits ist der Club punktemäßig im Soll. Wie wird es am Ende der Saison sein? Sagen Sie uns Ihre Meinung!
Klar, man könnte argumentieren, dass das 0:7 in Dortmund und das 0:6 in Leipzig erwartbare
Niederlagen gegen Top-Teams der Liga waren, die nur etwas zu hoch ausgefallen sind.
Nürnbergs Trainer Michael Köllner hat ebenfalls recht, wenn er nach sieben Spieltagen
festhält: „Wir sind nicht mit null Punkten Letzter“. Der FCN ist mit acht Punkten
und Siegen gegen direkte Konkurrenten wie Düsseldorf vielmehr im Soll, könnte man
sagen.
Dennoch, der grundsätzliche Zweifel bleibt – und Michael Köllner liefert gleich selbst
die Nahrung dafür. „Wir sind Außenseiter in dieser Liga“, hat der Trainer ebenso nach
Leipzig gesagt wie, dass man vergangenen Saison als Überraschungsteam aufgestiegen
sei und man die sportliche Situation im Lichte der angespannten finanziellen Situation
sehen müsse.
Gefälle zwischen 1. und 2. Liga ist groß
Köllner sagt es richtig: Der Aufstieg in der Vorsaison kam etwas überraschend, auch
wenn man das im Umfeld des einstigen Rekordmeisters nie so gesehen und hinter den
Äußerungen Tiefstapelei vermutet hat. Jetzt spielt der Verein quasi mit dem Aufstiegsteam
und in der Regel ein bis zwei Neuzugängen in der Startformation eine Liga höher. Das
Gefälle zwischen 1. und 2. Liga, das zeigen die Relegationspartien der vergangenen
Jahre, ist jedoch groß. Da kann man es als Ausdruck des Vertrauens in die Entwicklungsfähigkeit
der Spieler sehen oder eben auch als Zwang infolge der finanziellen Situation.
Klatsche Nummer 1: Eduard Löwen und der 1. FC Nürnberg verloren in Dortmund 0:7. Foto:
Mario Hommes / Eibner-Pressefoto
Am Ende bleibt aber die Erkenntnis: Eine Mannschaft, die in der 2. Liga eine gute
Saison gespielt, aber nicht brilliert hat, ergänzt durch Neuzugänge, denen man das
Prädikat „okay“ geben kann, steht der FCN in einem ungleichen Wettbewerb. Denn die
Vereine, mit denen er konkurriert, sind mit Ausnahme von Düsseldorf in den vergangenen
Jahren regelmäßig Bundesligisten gewesen. Sie haben ihre Tanks mit dem Treibstoff
des Fußball-Business, dem Geld, gut füllen und in der Folge Kader und sonstige Strukturen
entwickeln können.
„Allein durch Anspruchshaltung ist noch keiner in der Liga geblieben.“
Man muss sich nur anschauen, welcher Aufsteiger der vergangenen Jahre, der diese Voraussetzungen
nicht mit sich brachte, ist noch in der 1. Liga? Darmstadt, Paderborn und Braunschweig
mussten alle wieder den Weg zurück nach unten antreten, von wo sie nie wieder gekommen
sind. Vom Namen und Potenzial her mag der Club für viele seiner Fans weit entfernt
sein von Paderborn und Co., aber allein durch Anspruchshaltung ist noch keiner in
der Liga geblieben.
Zugegeben, viel Spielraum für positive Gedanken lassen zwei Auswärtsniederlagen in
Folge mit einem Torverhältnis von 0:13 aus Nürnberger Sicht nicht gerade – nicht einmal
beim zu schneller Euphorie neigenden Clubfan. Denn sowohl beim 0:7 in Dortmund als
auch beim 0:6 in Leipzig wurden dem 1. FC Nürnberg mehr als deutlich die Grenzen aufgezeigt.
Und ja, der Club zerfiel dabei in seine Einzelteile, wie er es letztmalig vor 35 Jahren
beim VfB Stuttgart (0:7) „schaffte“. Aber sollen diese beiden äußerst schmerzhaften
Niederlagen wirklich einen ernsthaften Anhaltspunkt liefern für eine mögliche Ligazugehörigkeit
beziehungsweise Unzugehörigkeit? Mitnichten.
Daniel Frasch hat in den vergangenen 25 Jahren vier FCN-Abstiege hautnah miterlebt,
dabei allerdings auch deutlich schwächere Club-Teams spielen sehen. Das festigt den
Glauben an den Klassenerhalt, auch wenn es bis zum Schluss eng werden wird. Foto:
Frasch
Denn egal wie hoch die Pleiten auch ausfielen, sie waren zu erwarten. Vielleicht waren
sie von FCN-Trainer Michael Köllner sogar einkalkuliert worden. Einen Hehl machte
der Oberpfälzer schließlich nie aus der Außenseiterrolle seiner Mannschaft: „Das wussten
wir schon vor der Saison.“ Fakt ist auch: Egal ob 0:1 oder 0:7, null Punkte bleiben
null Punkte. Dass dabei die Art und Weise, wie die Truppe um Kapitän Hanno Behrens
zwei Mal auf fremden Terrain unterging, weder dem eigenen Anspruch, noch dem der treuen
Anhängerschaft gefallen konnte, ist selbstredend. Auch sollen und dürfen die jüngsten,
historischen Niederlagen keinesfalls schön geredet werden – ganz im Gegenteil.
Klatsche Nummer 2: Zwei Wochen nach Dortmund blickten die FCN-Kicker wieder bedröppelt
drein. 0:6 hieß es damals in Leipzig. Foto: Eibner/dpa
Eine schonungslose Aufarbeitung der Geschehnisse ist bereits erfolgt, wie Enrico Valentinis
Worte verdeutlichen. „Wir müssen jetzt knallhart zu uns selbst sein und zusehen, dass
wir nicht nur daheim gut sind, sondern auch auswärts“, ließ sich Nürnbergs Rechtsverteidiger
auf der Homepage des Clubs zitieren. Mindestens genau so wichtig wie die bereits erfolgte
Analyse ist jedoch der Blick vorn. Denn auch das hat die junge und über alle Maßen
unerfahrene Nürnberger Mannschaft bereits bewiesen: Sie ist in der Lage, Spiele auf
Bundesliganiveau erfolgreich zu bestreiten. Zwar nicht gegen Topteams wie Leipzig,
Dortmund und die Bayern. Gegen andere, seit vielen Jahren etablierte Mannschaften
hingegen schon. Bremen (1:1), Hertha BSC Berlin (0:1), Mainz (1:1) und Hannover (2:0)
– das ist alles, nur keine Laufkundschaft.
Mit Aufstiegen und Abstiegen kennt sich der FCN aus. Mitunter folgte eines aufs andere:
Auf Aufstieg folgte Abstieg
Rekorde:
Bekanntermaßen ist der 1. FC Nürnberg Rekordhalter in allerhand nicht erstrebenswerten
Kategorien. Acht Abstiege und ebenso viele Aufstiege stehen zu Buche. Vergangene Saison
kam ein weiterer hinzu. Wie oft aber ist der FCN nach einem Aufstieg gleich wieder
abgestiegen?
Direkter Wiederabstieg:
Auf den ersten Abstieg 1969 waren viele Jahre im Unterhaus gefolgt, der Wiederaufstieg
gelang erst 1978. Doch schon 1979 stieg der Club mit Altstars wie Burgsmüller oder
Kargus wieder ab. 1998 aufgestiegen, verpasste der FCN um Andreas Köpke in einem legendären
Bundesliga-Finale am letzten Spieltag den Klassenerhalt.
Das sind Vereine aus finanziellen Sphären, in die der Club erst nach mehreren Jahren
Bundesligazugehörigkeit vordringen könnte. Und dennoch spielte diese Nürnberger Mannschaft
auf Augenhöhe und heimste starke sieben Punkte im Max-Morlock-Stadion ein. Damit sammelte
der 1. FC Nürnberg in drei Heimpartien gleich viele Zähler, wie es dem FC Bayern München
in vier Partien gelang. Nein, es war längst nicht alles schlecht in den ersten sieben
Partien.
Jetzt ist Michael Köllner gefordert. Er muss seine junge Mannschaft aufrichten und
deren Spielweise stabilisieren, um sie künftig vor solch dramatischen Negativerlebnissen
zu bewahren. Dass er hierfür der richtige Mann ist, hat der Oberpfälzer bereits im
vergangenen Jahr bewiesen. In der Nürnberger Nordkurve prangte zuletzt ein Transparent
mit der Aufschrift: „Diese Liebe ist nichts für Feiglinge.“ Pathetisch sein konnten
die Club-Fans schon immer. Schimpfen ebenfalls. Die Angst vor einem Abstieg aber ist
(noch) nicht angebracht.