Geschichte
1966 zog die Bundeswehr in Hemau ein

Zehn Jahre hatte die Stadt um die Garnison gekämpft. Der Wirtschaftsfaktor Kaserne war von großer Bedeutung für die Region.

31.03.2016 | Stand 16.09.2023, 6:51 Uhr
Das Zentrum von Hemau war festlich geschmückt, die Kinder hatten schulfrei: Am 1. April 1966 zog das Raketenartilleriebataillon 42 durch die Stadt in die neue Kaserne ein. −Foto: Stadtarchiv Hemau/Bauer

Wie schnell doch die Zeit vergeht. Altbürgermeister Hans Schuster weiß es noch wie heute, als vor fünf Jahrzehnten die Bundeswehr in der neu errichteten Kaserne am Tangrintel das Kommando übernahm. Der Hemauer Chronist war zwar selbst kein Augenzeuge, als die Bundeswehr erstmals über den Stadtplatz marschierte, hat die Ereignisse aber nach seiner aktiven Zeit im Bürgermeisteramt in seinem heimatgeschichtlichen Lesebuch aufgearbeitet.

Das 37 Jahre anhaltende freundschaftliche Miteinander zwischen Hemauern und den Soldaten begann am 1. April 1966 gegen 10.30 Uhr. „Die Bürgerinnen und Bürger, Jung und Alt, waren auf den Beinen. Jeder, der den Alltag abstreifen konnte, stand in der langen Reihe der erwartungsfrohen Schaulustigen“, berichtet Schuster. „Jeder wollte dabei sein, wenn die Soldaten zum ersten Mal durch das Spalier ihrer neuen Garnisonsstadt defilierten.“

„Jeder wollte dabei sein, wenn die Soldaten zum ersten Mal durch das Spalier ihrer neuen Garnisonsstadt defilierten.“Chronist Hans Schuster

Mit dem Vorbeimarsch an Prominenz aus Politik und Bundeswehr hielt das Raketenartilleriebataillon 42 damals Einzug in die neu erbaute Kasernenanlage am nordöstlichen Rand des 2800-Seelenstädtchens.Dabei hätte es fast eine Panne gegeben.

Bereits einen Monat zuvor hatte die Standortverwaltung Regensburg die Liegenschaft Hemau als Vorhut übernommen. Und am 9. September 1966, genau zehn Jahre, nachdem sich die Stadtväter erstmals als Garnisonsstadt beworben hatte, wurde die Truppenunterkunft in einer feierlichen Zeremonie ihrer Bestimmung übergeben. Mit der offiziellen Einweihung der General-von-Steuben-Kaserne waren aber die geplanten Vorhaben längst nicht abgeschlossen, erzählt Schuster. Da viele Einheiten und Verbände auf den Tangrintel drängten, wurde ein weiterer Block errichtet.

Die Stadtväter gaben nicht auf

Die örtliche Kommunalpolitik bewegte schon Anfang der 50er-Jahre die Frage, wie die Wirtschaft und Industrieansiedlungen in der Gemeinde weiter angekurbelt werden könnten. Die etablierte Rockfabrik bot zwar Arbeitsplätze, doch diese reichten bei weitem nicht aus, um die Probleme bewältigen zu können. Damals zählte der Landkreis Parsberg, zu dem Hemau bis zum Jahr 1972 gehörte, zu den gewerblich schwächsten Regionen in der Oberpfalz.

Das Bemühen um die Ansiedlung einer Grenzschutzkaserne brachte keinen Erfolg für die Stadt. Die Einrichtung von Bundeswehreinheiten in Westdeutschland gab aber neue Hoffnung. Doch die im Aufbau befindliche Armee wollte der Bewerbung um eine Garnison zunächst nicht zustimmen. Hartnäckig wie die Oberpfälzer nun mal sind, ließ sich das damalige Bürgermeistergespann Josef Ebenhöch (SPD) und Anton Scherübl (CSU) nicht abwimmeln. Nach einer zweiten Bewerbung wurde ein dreijähriges Prüfungsverfahren eingeleitet. Die erlösende Nachricht aus der Hardthöhe in Bonn kam dann 1959: „Hemau wird in naher Zukunft Garnisonsstadt“.

„Neben Hemau hatten sich in unmittelbarer Umgebung auch die Stadt Parsberg und der Markt Velburg um die Ansiedlung einer Kaserne beworben“Chronist Hans Schuster

„Neben Hemau hatten sich in unmittelbarer Umgebung auch die Stadt Parsberg und der Markt Velburg um die Ansiedlung einer Kaserne beworben“, berichtet Hans Schuster. Velburg schied wegen seiner erheblichen Geländeunebenheiten und der schlechten Straßenverhältnisse aus. Auch Parsberg wurde von militärischer Seite abgesagt, als die Verantwortlichen erkannten, dass der Truppenübungsplatz Hohenfels durch die Mitbenutzung von weiteren Einheiten die Kapazitätsgrenzen überschreiten würde und die Sicherheitsbestimmungen, unter anderem auf den knapp 50 Schießbahnen, nicht mehr eingehalten werden könnten.

Hemau bekam somit eine von 105 neu zu errichtenden Kasernenanlagen in der Bundesrepublik Deutschland samt Standortübungsplatz, Schießanlage und Munitionsdepot.

Für die zur damaligen Zeit großräumig geplante Kaserne waren 38 Hektar Grund, für den angrenzenden Standortübungsplatz rund 150 Hektar vorgesehen. Nach schwierigen Grundstücksverhandlungen kaufte das Bundesvermögensamt den Grund und Boden. Am 14. September 1959 wurde von der Wehrbereichsverwaltung VI der Bauantrag eingereicht. Der Spatenstich für das auf 25 Millionen Mark veranschlagte Großprojekt erfolgte im Oktober 1962.

Die umfangreichen Tiefbaumaßnahmen dauerten knapp zwei Jahre, dann ging es an den Hochbau. Nach damaligen Planungen wurde für die Unterbringung eines Artilleriebataillons, einer Instandsetzungskompanie und einer Instandsetzungsausbildungskompanie gebaut: Acht Kompanie-Gebäude, ein Zug- und Wirtschaftsgebäude mit Speise- und Heimräumen für Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften sowie jeweils ein Stabs-, Lehrsaal-, Sanitäts- und Kammergebäude. Außerdem wurde ein Ausbildungs- und Sportbereich mit einer Halle, zwei Plätzen und einem Sportplatz errichtet. Die Versorgung der Kasernenanlage mit Wärme und Notstrom wurde von einer zentralen Versorgungsanlage gewährleistet. Das Richtfest für die Truppenunterkunft wurde im Juli 1965 gefeiert, gleichzeitig lief der Bau der Bundeswehrsiedlung auf dem Schönberg für die zu erwartenden Soldatenfamilien auf Hochtouren.

Für die jahrelangen Bauarbeiten gab es auch eine Baukantine. Max Reißer und seine Frau Mathilde eröffneten diese Anfang Mai 1964. Auf knapp 200 Quadratmetern Wirtschaftsfläche und einer großen Betriebsküche wurden die Arbeiter mit allerlei Speisen und Getränken versorgt. Im Juni 1965 war schließlich Schluss mit dem Kantinenbetrieb.

„Die Stadt wäre um einiges ärmer“

Bereits Anfang 1966 trafen die ersten Soldaten als Vorkommando im neuen Standort ein, um die Ankunft und den Einzug der Einheiten des Raketenartilleriebataillons 42, das bislang in Ingolstadt und teils in Landshut stationiert war, vorzubereiten. Die Nachricht vom Umzug nach Hemau hatte die vielen Soldaten zunächst zwar nicht begeistert, im Laufe der Jahrzehnte entstand daraus aber eine bewährte Partnerschaft.

„Ohne die vielen wertvollen Menschen, die durch die Bundeswehr auf den Tangrintel gekommen sind, wäre die Stadt um einiges ärmer“, bilanziert Altbürgermeister Hans Schuster. „Die Soldaten und ihre Familien haben Leben und Kultur gebracht und für viele ist Hemau trotz des Bundeswehrabzugs zur liebgewonnenen Heimat geworden.“

Am 6. April spricht der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, General a.D. Hans Peter von Kirchbach, in Hemau.Im Rahmen einer Jura-Diskussion wird ab 19 Uhr im Weismannstadel an die Bundeswehr in Hemau erinnert.