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Allerweltskerl findet Heimat in Ensdorf

Als Musiker ist Florian Gröninger viel unterwegs. Abseits des Trubels restauriert er in Eigenregie ein Bauernhaus in Ensdorf.

16.02.2022 | Stand 15.09.2023, 7:00 Uhr
Leon Willner
Florian Gröninger aus Ensdorf ist ein Tausendsassa. −Foto: Ascherl Anna-Maria

Wer versucht, Florian Gröninger mit einem Wort zu beschreiben, der braucht nicht lange im Duden blättern. Schon beim ersten Buchstaben unter dem Wort „Allerweltskerl“ könnte das Wörterbuch getrost ein Foto von ihm abdrucken. Dort heißt es in der Definition: „Jemand, der auf allen möglichen Gebieten beschlagen ist; Tausendsassa, Hansdampf in allen Gassen, Allroundman.“ Und welch Glück für die Oberpfalz, dass dieser Mann nicht in aller Welt zuhause ist, sondern in Ensdorf im Landkreis Amberg-Sulzbach.

Schon alsKind spielt Gröninger Akkordeon– und singt dazu Gstanzl, die ihm seine Mutter aufgeschrieben hat. Gröninger sagt, in seiner Familie habe sich schon immer viel um Musik gedreht. Aber das Hobby Musik zum Beruf machen, zog er nicht in Betracht. „Die landläufige Meinung ist ja: der liederliche Musikant oder die brotlose Kunst“, sagt Florian. Damit er erstmal „was in den Händen“ hat, studiert er deswegen nach dem Abitur Jura. Er arbeitet schließlich auch als Jurist, rund drei Jahre lang.

Florian Gröninger trifft DeSchoWieda

Doch wirklich zuhause fühlt er sich in dem Beruf nie. Im Gegenteil, sein Tatendrang zwingt ihn bald weg vom Schreibtisch. Mit seiner Band Grögötz Weißbir spielt er in immer größeren Festzelten und sagt sich: „Die Gelegenheit muss ich beim Schopf packen, was Vernünftiges kann ich immer noch machen, wenn ich alt bin.“ Bei einem Auftritt lernt er per Zufall Mitglieder der Band DeSchoWieda kennen. Die Erdinger Folkmusiker haben sich mit Coverversionen bekannter Pop-Hits einen Namen gemacht.

Das erfolgreichste Musikvideo hat über eineinhalb Millionen Aufrufe auf YouTube – eine Version von „I’m too sexy“ auf Bayerisch. DeSchoWieda ist gerade auf der Suche nach einem weiteren Tubisten und Posaunisten, Gröninger nach einer neuen Herausforderung. Bereits eine Woche nach dem ersten Treffen proben sie zusammen und der Oberpfälzer wird festes Bandmitglied.

Privat wird Florian und seiner Frau Eva die Stadtwohnung in Amberg zu eng. Sie sind gerade Eltern geworden und suchen nach einem neuen Zuhause. Aus Jux tippt der Musiker „altes Bauernhaus“ in sein Handy und stößt so auf eine Anzeige auf Ebay: Käufer gesucht für einen 400 Jahre alten Bauernhof in Ensdorf im Vilstal.

Der Hauptdarsteller:Die Idee: Mehr Überpfalz:
Florian Gröningerist Protagonist in der neunten Folge von „Überpfalz“, dem Reportageformat der Mittelbayerischen auf YouTube.Darin treffen Leon Willner und Sophia Bösl Menschen aus der Region, die vielfältig begabt sind, ein außergewöhnliches Hobby haben oder nicht hineinpassen in unser oft stereotypes Bild von Bayern.Abonnieren Sie hier den Kanal, um keine Folge zu verpassen.

„Ich bin im ersten Moment hineingegangen und hab mir gedacht, oh Gott“, sagt Eva Gröninger heute. „Also es war einfach staubig, muffig. Und der ganze Maschendrahtzaun ist hineingefallen und es war einfach greislich eigentlich.“

Florian Gröninger saniert seinen Bauernhof selbst

Aber das schreckt die beiden nicht ab. Im Gegenteil, vom ersten Moment blicken sie mit einer Vision auf dieses Bauernhaus: „Dass wir irgendwann mal da sitzen auf einer Hausbank vor unserem Hof, die Kinder da herum hopsen und dass das schön wird“, sagt Eva. Die beiden kaufen das unrenovierte Haus und ziehen direkt ein. Doch die von einem Architekt geschätzten rund 700.000 Euro Mehrkosten für die Sanierung des alten Hofs sind für das Paar utopisch. Also macht Florian so viel wie möglich selbst: Wände verputzen, die Fenster setzen oder einen Rahmen um einen Wandausschnitt bauen.

Drei Jahre lang schlafen Eva und er wie auf der Baustelle – bis sie endlich in das fertig renovierte Schlafzimmer nebenan ziehen können. Inzwischen ist Florian neben der Musik Heimwerker in Vollzeit. Das Mobiliar schreinert er in seiner Werkstatt im alten Rossstall selbst. Den neuen Küchenboden aus Lärchenholz hat er in Handarbeit konisch verlegt. Parallel sucht er immer nach neuen Herausforderungen: So bringt er sich im Lockdown selbst das Nähen bei und schneidert seiner Frau ein Dirndl. Im Keller braut er sein eigenes Bier, das er anschließend in Flaschen mit Bügelverschluss füllt. Sein Motto: Altes und neues verbinden. Sollte der Duden je nach einer neuen Definition für das Wort „Allerweltskerl“ suchen, muss er jetzt nur am alten Burgerhof in Ensdorf anklopfen.