Industrie
An der Schwelle zum Betonzeitalter

Erstmals seit 1860 wird im Schwellenwerk ein neuer Baustoff verwendet. Er soll die Zukunft sichern und Arbeitsplätze bringen.

30.10.2017 | Stand 16.09.2023, 6:26 Uhr
Reinhold Willfurth

Christian Suhren vor dem Außenlager des Schwellenwerks. Im Vordergrund die wuchtigen Eichenschwellen für ältere BahnbrückenFotos: Willfurth

Die Deutsche Bahn stellt die Weichen für die Versorgung ihrer Strecken mit Betonschwellen. Auf dem Gelände des Schwellenwerks Schwandorf errichtet die „Rail.one“ aus Neumarkt im kommenden Jahr eine Produktionshalle für Weichenschwellen aus Beton. Die Bahn stellt dafür ein  16 000 Quadratmeter großes Areal mitten auf dem 230 000 Quadratmeter großen Schwellenwerksgelände zur Verfügung. Bis zu 35 Arbeitsplätze sollen dort entstehen. Die Kapazität ist auf 180 000 laufende Meter, das bestimmende Maß bei Weichenschwellen, ausgerichtet.

Der Staatskonzern Bahn sichert sich dadurch die Versorgung seiner Trassen in ganz Süddeutschland mit modernen Weichenschwellen. „Die Produktionsorte lagen bisher alle im Nordosten der Republik“, erläutert der Schwandorfer Werksleiter, Dipl.-Ing Christian Suhren.

Infrastruktur und Erfahrung

Bis auf das Werk der „Rail.one“ in Langen bei Frankfurt am Main, das geschlossen werden musste, weil es der Wohnbebauung zu nahe gekommen war. Da habe sich der neue Standort Schwandorf mit seinen Vorteilen angeboten, sagt Suhren: Ausreichend Fläche gebe es hier, eine direkte Anbindung an das Schienen- und Straßennetz – und nicht zuletzt die Nähe von Sand- und Kiesabbaugebieten sowie des Zementwerks in Burglengenfeld.

Und natürlich kann das Schwandorfer Werk auf 157 Jahre Erfahrung in der Produktion des Gleisunterbaus zurückgreifen – wenn auch bislang ausschließlich mit dem Werkstoff Holz, weswegen man für die Produktion von Weichenschwellen aus Beton in europaweiter Ausschreibung ein Unternehmen suchte, das in diesem Metier zuhause ist. Für Service, Vertrieb und Logistik wird aber der bahneigene Betrieb Schwellenwerk zuständig sein. Fünf bis sieben zusätzliche Arbeitsplätze könnten dabei entstehen. Auch dies ist für den Werksleiter ein Zeichen dafür, dass das Schwandorfer Werk eine Zukunft hat – dem allmählich abnehmenden Bedarf an Holzschwellen zum Trotz.

Gefragt sind sie aber nach wie vor. Nach Angaben von Christian Suhren verlassen immer noch rund 160 000 Gleisschwellen jährlich das Schwandorfer Werk, zumeist aus Eichenholz gefertigt. Rund 50 000 Schwellen werden aus Buchenstämmen geschnitten. Die vorgefertigten, 16 mal 26 Zentimeter dicken Stücke aus Osteuropa und Frankreich müssen das FSC-Siegel für nachhaltige Holzwirtschaft tragen. In Schwandorf werden sie so umweltschonend wie möglich und so effektiv wie nötig mit Fungiziden und Herbiziden imprägniert – wie schon 1860 in der „Königlich Bayerischen Imprägnieranstalt“ in Schwandorf, „nur mit weitaus weniger Schadstoffen“, sagt Werksleiter Suhren.

Der Gleisunterbau aus nachwachsenden Rohstoffen ist in vielen Bereichen gefragt, etwa als Ersatz für verbrauchte Holzschwellen, bei besonders engen Gleisbögen oder dünnen Schotterschichten. Auf älteren Eisenbahnbrücken sind besonders wuchtige, 50 Zentimeter starke Schwellen gefragt, die sogar ohne Imprägnierung geliefert werden, um empfindliche Naturräume wie etwa Flüsse zu schonen.

Lärmbelästigung klein halten

Geschont werden sollen mit dem neuen Werk auch die Nerven der Anwohner. Die Mischmaschinen würden eingehaust, überdies sorge schon der Standort mitten im Werk schon dafür, dass Anwohner keine Lärmbelästigung fürchten müssten, sagt der Werksleiter. Nächste Nachbar seien ein Industriegebiet und die Gleisanlagen. Auch die Belastung durch anfahrende Lkw werde sich in Grenzen halten. Für den Schwerverkehr werde man das Südtor des Firmengeländes öffnen, das eine rasche Anbindung an den Autobahnzubringer fern der Wohnbebauung gewährleiste. Der Abtransport der Betonschwellen erfolge standesgemäß per Bahn.

Zügig voran gehen dürfte auch das Genehmigungsverfahren bei der Stadt. Die erste Hürde im Planungsausschuss hat das Projekt bereits genommen. Man sei stolz auf das Schwellenwerk und seine Geschichte, teilt der Sprecher der Stadt, Lothar Mulzer, mit.

Über die „umfangreichste Vergabe der Deutschen Bahn im Bereich Betonschwellen“ freut man sich bei der Neumarkter „Rail.one“. Rund ein Drittel des Bedarfs der DB an Betonweichenschwellen werde künftig durch das neue Schwandorfer Werk gedeckt. Mit einer garantierten Laufzeit von 15 Jahren sei auch die Zukunft des Schwellenwerks gesichert.

Vielleicht schon der übernächste Schritt auf dem Weg in die Schwellen-Zukunft ist auf dem Werksgelände zu besichtigen: Kunststoffschwellen „made in Japan“ warten auf die Erprobung durch die Fachleute des Schwandorfer Werks.