Serie
An der Theke vom Tanzcafé

Rückblick auf alte Bürger- und Geschäftshäuser: das Wirtshaus am Brückenkopf – oder das Tanzcafé am Regen

15.07.2021 | Stand 16.09.2023, 1:51 Uhr
Peter Reidl
Eine Postkarte (um 1968) bewarb das Tanzcafé Zur Brücke-Artmann. −Foto: Peter Reidl/Archiv

Einen Großteil der Freizeit als Heranwachsender machten die Aufenthalte im Café Artmann an der Regenbrücke aus – damals Tanzcafé und weit über Rodings Grenzen hinaus bekannt. Ich wohnte in der Nachbarschaft, in der Regengasse gegenüber dem Café. Eigentümer waren damals Emmerich und Therese Artmann. Sie die einzige Tochter des Gastwirts Richard Groß (1880-1949), einem Sohn des Bürgermeisters Gottlieb Groß (1919 -1924); er aus einem Wirtshaus in Hirschenbühl bei Hetzenbach stammend. Die 1949 geschlossene Ehe blieb kinderlos und so adoptierten die Artmanns ein Mädchen aus der Verwandtschaft, die Christa, die dann auch in Roding zur Schule ging und mit uns herumtobte.

Die Groß Therese war vorher mit dem Stabstrompeter Müller verheiratet, der verwundet vom Krieg heimkam und bald starb. Es wäre hier müßig, die auf das Haus gekommenen und gegangenen Geschlechter an der Brücke 1, frühere Hausnummer 114, aufzuzählen. Erwähnt ist das Haus schon 1665. Viel hat es gesehen. Wie fast alle Altstadthäuser ist es, aus Holz, 1755 abgebrannt und später mit Ziegeln wieder errichtet worden. Ein Flammenmeer wegen Leichtsinns hat halb Roding abbrennen lassen.

Das bescheidene Wirtshaus an der einzigen Brücke weit und breit sah viele Soldaten über die damals hölzerne Brücke bei den vielen Kriegen und Händeln, Einquartierungen und Zwangsrekrutierungen vorüberziehen. Dann die vielen Invaliden, Bettler und Hausierer, fahrenden Musikanten, Gaukler und Händler. Der Marktflecken Roding zwischen Oberpfälzer Wald und Gäuboden war immer so ausgeblutet und verarmt, dass der Kammerverwalter keinen Silberling, geschweige einen Gulden zu erübrigen hatte.

Die Dynastie begründet

1910 heiratete der damalige Eigentümer Michael Brandl eine Regina Schwab vom Oberen Markt 10 und begründete damit die Biersieder- und Gasthofdynastie der Brantels (seit 1918 Brantl) auf dem Gasthaus mit einer Tavernengerechtsame „Zum Goldenen Löwen“, das seit 1737 existierte und seit diesem Zeitpunkt der Familie Schwab gehörte. Nun zu den Artmanns. Herr Emmerich war ein schlaues Kerlchen. Nach dem Ableben des Schwiegervaters verkaufte er Felder und Wiesen, die zur einstigen kleinen Ökonomie gehörten, machte aus dem Stall Garagen, baute im Obergeschoß Fremdenzimmer, erweiterte den Gastraum zu einem Café, dann wurde die Garage überbaut zu einem Tanzsaal, dem sich ein zweiter eine Etage höher anschloss, dann wurde die frühere Terrasse zwischen Foto Koch und Café Artmann zu einem Wintergarten umfunktioniert und im Keller die berüchtigte Hafenbar eingebaut. Samstagabend war immer Tanz mit Livemusik, meistens Nachwuchsbands. Der Laden war immer proppevoll. Wie schön war es immer für uns Junge, wenn wir am Samstagabend am Ecktisch neben der Theke den Geschichten vom Lehner Franz (Gore), vom Friedl Hans und vom Mauerer (Baumeister) Sepp (alle verstorben) lauschten. Der Chef Emmerich war für die Würde des Hauses verantwortlich. Samstagabend gab es für die Herren Zutritt nur mit weißem Hemd und Schlips. Vor acht Uhr kostete ein Bischofshof-Weizen 90 Pfennig, mit Musik dann 1,10 Mark.

Eine ausgezeichnete Köchin

Die Res, wie sie gerufen wurde, war eine ausgezeichnete Köchin. Bei Hochzeiten und runden Geburtstagen servierte man zuerst eine Leberknödelsuppe, dann gab’s Schweine-, Kalbs- oder Sauerbraten und zum Schluss Kirchweihnudeln, Striezeln oder Kücheln. Was würde die Res heute sagen, nachdem sie 1985 verstorben ist, dass es auf einem Bauernkirta – neben der unvermeidlichen Currywurst mit Pommes – auch noch gebratene Putenstreifen auf einem bunten Salat gibt statt wie früher Schweinsbratwürstl und gebackene Gockerl.

1973 haben die Artmanns aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben und das Lokal verpachtet. Therese Artmann, geborene Groß, verwitwete Müller, war lange bettlägerig, bis sie 1985 starb. Der Emmerich folgte ihr 1997 in den Gastronomen-Himmel.