Neuregelung
Au Backe, nur noch ein Zahn-Notdienst

Nur noch eine statt zweier Praxen im Kreis Kelheim versorgt wochenends und feiertags Patienten. Heutzutags reicht das aber, sagen die Zahnärzte.

25.01.2014 | Stand 16.09.2023, 7:13 Uhr

Notdienst heißt in erster Linie: Schmerzen stillen. Für größere Behandlungen braucht’s einen regulären Termin. Foto: dpa

Bohrendes Zahnweh, herausgefallene Krone, Bruchlandung aufs Gebiss: Derlei Ungemach hält sich leider nicht an die Sprechzeiten eines Zahnarztes. Für die Wochenenden gibt es in solchen Fällen den zahnärztlichen Notdienst. Im Landkreis Kelheim ist er seit Jahresanfang allerdings abgespeckt: Statt zweier Praxen, die bislang wochenends, feiertags und an Brückentagen Notfallsprechstunden hatten, ist es jetzt nur noch eine im Landkreis. Das reicht nach Ansicht der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns (KZVB) aber aus. Vor allem sei es, dank Internet, heute viel leichter, die nächstgelegene Notfall-Praxis zu finden – und zwar unabhängig von Landkreis- oder sonstigen Verwaltungsgrenzen.

Bislang war der Kreis Kelheim in einen nördlichen und einen südlichen Notdienst-Bezirk aufgeteilt; hier wie dort hatte jeweils eine Praxis Notdienst – mitunter nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Seit 1. Januar gibt es nur noch den Bezirk „Kelheim/Hallertau“. Damit kam die Bezirksstelle Niederbayern der KZVB einem Antrag der niedergelassenen Zahnärzte im Landkreis nach, berichtet Ernst Binner, Leiter der Bezirksstelle und Zahnarzt in Straubing.

Gesündere Zähne senken Bedarf

Initiator des Antrags war der Mainburger Zahnarzt Dr. Christoph Urban, Vize-Obmann seines Berufsstandes im Landkreis. Er hält die Zusammenlegung für gerechtfertigt. Zum einen werde der Notdienst längst nicht mehr so in Anspruch genommen wie vor ein, zwei Jahrzehnten. „Damals haben wir am Wochenende oft noch richtig rotiert, mit 40, 50 Patienten.“ Mittlerweile zeige die Präventionsarbeit, die schon im Kindergarten beginnt, Früchte: „Die Zahngesundheit ist deutlich besser geworden“, so Urban. Heute kämen oft nur zwei, drei Menschen zum Notdienst, jedenfalls „nie so viele, dass es nicht zu bewältigen wäre“, sagt Urban.

Egal, wie viele Patienten kommen – an Notdienst-Tagen muss der Zahnarzt von 10 bis 12 und 18 bis 19 Uhr in der Praxis sein. Und nicht nur er: „Eine Helferin braucht man mindestens; wenn wirklich Patienten kommen, ist eine fast zu wenig.“ Zusätzlich habe der Zahnarzt rund um die Uhr Rufbereitschaft. Bezahlt werde indes nicht der Notdienst als solcher, sondern nur die einzelne Behandlung, begründet Urban, warum der Dienst mittlerweile teils ein Draufzahlergeschäft sei, das einen überdies in der Freizeitgestaltung einschränke.

Umso mehr wurmt ihn und seine Kollegen, „dass wir mittlerweile eine gewisse Form des Missbrauchs bemerken“: Zeitgenossen etwa, die sich unter der Woche keine Zeit für einen Praxistermin nehmen wollen und einfach wochenends kommen. „Aber es ist, wie der Name sagt, nur ein Notdienst. Also in der Regel Schmerzversorgung. Aufwendigere Behandlungen werden da sowieso nicht durchgeführt.“ So manches Mal lande ein „Notfall“ auch deshalb am Behandlungsstuhl, weil Signale wie Schmerz oder dicke Backe zuvor tagelang geflissentlich ignoriert wurden…

Schwerstes Geschütz in der Begründung, warum eine Notdienst-Praxis im Landkreis heutzutags reicht, ist für die Zahnärzte das Internet. Dort hat die KZVB eine tagesaktuelleNotdienst-Seiteeingerichtet, auch als kostenlose App für Smartphones erhältlich. Dort kann man gezielt via Postleitzahl den nächstgelegenen diensthabenden Zahnarzt suchen – egal, ob das eine Praxis im niederbayerischen Landkreis Kelheim ist, im benachbarten oberpfälzischen Regensburg oder im oberbayerischen Wolnzach.

Das Nachsehen hat allerdings, wer kein Internet hat und in der Tageszeitung nicht nachschauen kann (auf unserer Seite „Termine im Landkreis“ finden Sie samstags die zuständige Praxis im „Rat und Hilfe“-Kasten). Anders als beim hausärztlichen Notdienst haben die Zahnärzte nämlich keine zentrale Auskunft-Rufnummer, räumt Bezirksstellenleiter Ernst Binner ein. Die KZVB appelliere lediglich an ihre Mitglieder, an der Praxistür und auf Anrufbeantworter jeweils den aktuellen Notdienst zu nennen.

Stadt-Land-Gefälle spürbar

Bei dem Notdienst gibt es ein Stadt-Land-Gefälle, bedauert Leo Hofmeier, Pressesprecher der KZVB. Großstädte wie München oder Nürnberg haben nicht nur ein – auf die Fläche bezogen – dichteres Netz beim Notdienst. Die Praxen dort bieten viel breiter gefächerte Öffnungszeiten an, oft bis in die Abendstunden. Die Münchner Zahnärzte halten sogar jede Nacht von 19 bis 23 Uhr einen Bereitschaftsdienst vor.

Gesetzlich vorgeschrieben ist so ein Nacht-Notdienst nicht, erklärt Hofmeier: Zahnprobleme seien zwar unangenehm, aber eben in aller Regel nicht lebensbedrohlich. Mit einem Schmerzmittel überstehe man die Nacht auch ohne akute Behandlung. Und bei wirklich ernsten Zahnerkrankungen sollte man sowieso eine Zahnklinik aufzusuchen, etwa in Regensburg.

Das Stadt-Land-Gefälle wird sich in den nächsten Jahren noch verschärfen, prophezeit KZVB-Bezirksstellenleiter Ernst Binner: „Junge Kollegen überlegen sich mittlerweile fünf Mal, wo sie hingegen“; das wirtschaftliche Risiko, eine Praxis „am Land“ zu eröffnen, übernehme kaum mehr jemand. Auch tendieren nach seiner Erfahrung die neu approbierten Zahnmediziner, gerade die Frauen, lieber zum Angestellten-Dasein als dazu, eine eigene Praxis zu gründen. Das werde einen schon jetzt spürbaren Trend weiter verstärken, so Binner: „hin zu größeren Praxen mit mehreren Angestellten, in den zentraleren Orten.“ Die kleine ländliche Einzelpraxis werde künftig wohl eher die Ausnahme sein.