Haustiere
Auf den Partner Hund gekommen

Ein Hund braucht Strukturen, Bewegung und Denksport. Bei der Wahl des Welpen steht die Frage: Welche Rasse passt am besten?

25.02.2017 | Stand 16.09.2023, 6:34 Uhr
Kerstin Hafner

Im Gegensatz zu Katzen bewegen sich Hunde allerdings mit ihren Besitzern oft im öffentlichen Raum und sollten sich daher in der Gesellschaft zu benehmen wissen. Foto: dpa

Laut einer Studie aus dem Jahr 2016 halten sich 21 Prozent der Bundesbürger einen Hund, damit rangiert „Bello“ auf Rang zwei der beliebtesten deutschen Haustiere, gleich nach der Katze. Im Gegensatz zu Katzen bewegen sich Hunde allerdings mit ihren Besitzern oft im öffentlichen Raum und sollten sich daher in der Gesellschaft zu benehmen wissen. Pöbelt der Vierbeiner beim Gassigehen Passanten an oder kläfft er im Garten den Nachbarn die Ohren voll, ist zwischenmenschlicher Stress vorprogrammiert. Wir haben uns gefragt, wo der Ursprung für diese Probleme liegt und fünf Hundetrainer, beziehungsweise -sportler aus der Region sowie eine Tierärztin mit einer Zusatzausbildung in der Verhaltenstherapie befragt.

Sie alle geben Tipps für die richtige Beschäftigung mit dem Partner Hund, damit es erst gar nicht zu unerwünschtem Verhalten kommt. Denn laut unserer Experten sind die meisten Hunde im Alltag schlichtweg geistig und körperlich unterfordert und legen sich Unarten zu, um sich zu beschäftigen. Gibt es Probleme innerhalb der Familie, liegt es meist an fehlender Disziplin von Herrchen und Frauchen, denn: Jeder Hund braucht seinen festen Platz im Rudel.

„Der Hund sollte etwas erfüllen, was die Menschen um einen herum vermeintlich nicht leisten konnten.“Daniel Herter, Hundeschule Abensberg

„Über viele Jahre habe ich jeden neuen Kunden zuerst gefragt ‚Warum hast Du einen Hund?‘. Meist folgte auf diese Frage eine Zeit unsicheren Schweigens“, berichtet Daniel Herter von der Hundeschule „Halb so wild“ in Abensberg. „Diese Frage – so fundamental sie doch sein müsste – haben sich die wenigsten Leute wohl wirklich gestellt. Die dann zögerlichen Antworten sind überwiegend auf einen Nenner zu bringen: aus sozialen Gründen. Der Hund sollte etwas erfüllen, was die Menschen um einen herum vermeintlich nicht leisten konnten.“ Und warum auch nicht? Hunde gelten als treu, ehrlich, als die besten Freunde des Menschen. „Genau in dieser verklärten Sichtweise liegt für mich das Problem vieler Hundebesitzer“, sagt Herter. „Der Hund ist kein besserer Mensch. Selbstverständlich sollte sich jeder angehende Hundehalter darüber Gedanken machen, ob er den jeweiligen rassespezifischen Besonderheiten gerecht werden kann.“

Klare Grenzen und Regeln sind wichtig

Andrea Schwarzmeier, eine mobile Hundetrainerin aus Weiden, die bis 2011 mehrfach Bayerische und Deutsche Meisterin im „Vierkampf mit Hund“ war, sieht das ähnlich: „Ich denke, dass die meisten Menschen ihren Hund zwar lieben, aber eben nicht hundegerecht behandeln. Ein Hund braucht Regeln und Strukturen. Wenn ein Mensch seinen Vierbeiner nicht lehrt, was erlaubt, nicht erwünscht oder aber verboten ist, kann der Hund nicht zu einem angenehmen und auch bei Freunden oder Fremden gern gesehenen Begleiter werden.“ Als mobile Trainerin wird Schwarzmeier oft zu Problemfällen gerufen, also zu Hunden, die im eigenen Heim Ärger machen oder sich auf einem Hundeplatz mit Artgenossen in die Wolle kriegen und deswegen auf Einzelunterricht angewiesen sind.

„Die Kommunikation zwischen Mensch und Welpe sollte auf gegenseitiger Beachtung des jeweiligen Partners ablaufen.“Andrea Schwarzmeier, mobile Hundetrainerin

Oft entstünden die ersten Kommunikationsprobleme zwischen Hund und Herrchen/Frauchen schon im Welpenalter, weiß Schwarzmeier: „Die Kommunikation zwischen Mensch und Welpe sollte auf gegenseitiger Beachtung des jeweiligen Partners ablaufen. So ein Vierbeiner, ob große oder kleine Rasse, merkt genau, wenn wir seine Blicke ignorieren. Ein Welpe, der gerufen wird, schaut sicher auch in die Richtung des Rufs, aber womöglich eben nicht mal eine Sekunde lang, weil bereits etwas anderes seine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Das richtige Timing ist der Schlüssel zum Erfolg.“ Reagiere der Mensch zu langsam, erwecke das im Hund das Gefühl, es sei sinnlos, den vermeintlichen Chef zu beachten.

Dieses aneinander Vorbeileben steigere sich mit dem Erwachsenwerden des Hundes und irgendwann schließe der Vierbeiner mit der Gattung Mensch als Vorbild ab, und ignoriere ihn ab diesem Zeitpunkt. „Ich hatte schon Hunde, die durch nichts dazu zu bewegen waren, mir einen Blick zu schenken. Weder mit Leckereien, noch durch einen Stupser mit den Fingern. In diesen Fällen muss ich das Training eigentlich eher dem Menschen widmen, der Hund ist das kleinere Problem.“ Es gebe aber auch Hunde, die nicht ignorant, sondern aggressiv würden. „Sie fühlen sich als Chef und lassen sich weder vom Besitzer, geschweige denn vom Tierarzt oder anderen Personen etwas gefallen, was sie gerade nicht möchten, zum Beispiel eine Zecke entfernen. Keiner hat ihnen bisher Grenzen gesetzt oder Benimm-Regeln vorgegeben. Hier muss ich das Benehmen von Mensch und Hund behutsam zu ändern versuchen.“ All das gelte für große wie kleine Rassen gleichermaßen. „Hund ist Hund, nur kann eine Zwergrasse weniger Schaden anrichten.“

Claudia Frank von den Hundefreunden Neumarkt empfiehlt: „Mit der Erziehung eines Welpen sollte man vom ersten Tag an beginnen. Eine Hündin macht schließlich nichts anderes.“ Eine Welpenspiel- und -lernstunde sei immer zu empfehlen, da dort Sozialkontakt und Spielverhalten gepflegt werden. „Bei uns wird hauptsächlich Bindungsarbeit geleistet und Grundgehorsam spielerisch erlernt. Meistens ist eine Welpenstunde auch für den Hundehalter wichtig, da dieser dort die neuesten Informationen und den neuesten Stand der Hundeerziehung durch erfahrene Ausbilder erfährt.“

Für die Besitzer von Hunden steht immer wieder die Einführung eines „Hundeführerscheins“ in der öffentlichen Diskussion. Seit Juli 2013 müssen zum Beispiel in Niedersachsen alle, die sich das erste Mal einen Hund anschaffen, einen Hundeführerschein nachweisen. Der theoretische Teil der Prüfung muss vor der Anschaffung des Hundes erfolgen, der praktische innerhalb des ersten Jahres nach dem Erwerb. Die Rasse spielt dabei keine Rolle. In anderen Bundesländern müssen nur die Halter sogenannter Listenhunde einen Führerschein nachweisen.

Viele Hundeschulen in Bayern bieten den Hundeführerschein auf freiwilliger Basis an, so auch die Neumarkter Hundefreunde. „Der VDH-Hundeführerschein ist ein Angebot an alle Hundehalter, unabhängig von einer Mitgliedschaft in einem Verein, ihrem Hund eine solide Grundausbildung zukommen zu lassen und sich selbst Sachkunde über eine artgerechte und harmonische Hundehaltung anzueignen“, erklärt Claudia Frank. „Es ist eine Prüfung, die auf den sozialverträglichen Hund und das problemlose Auftreten des Gespanns von Hund und Halter im Alltag abzielt. Vorbereitungskurse und Prüfungen zum VDH-Hundeführerschein werden nach einheitlichen Kriterien und mit einheitlichen Gebühren unter Mitwirkung von VDH-lizensierten Ausbildern und Prüfern durchgeführt.“ Als klassischer Hundeverein bieten die Neumarkter natürlich auch Begleithundeprüfungen als Basisausbildung an. Frank fügt hinzu: „Meiner Meinung nach sollte es für jeden Hundehalter bundesweit verpflichtend sein, entweder den Hundeführerschein oder eine Begleithundeprüfung abzulegen – bestes Beispiel ist bisher dafür die Schweiz.“

Doch mit welchen Problemen kommen denn nun die Hundebesitzer am häufigsten zu den Trainern? Daniel Herter erklärt: „Auf Platz eins liegt ganz klar die Leinenaggression, danach kommen gleich Schwierigkeiten mit dem Jagdverhalten und danach generell Probleme beim Herstellen von Kontrolle, sprich Leinenführigkeit, Rückruf, et cetera. Doch all diesen Schwierigkeiten liegt ein gemeinsamer Nenner zugrunde: Wir können schlichtweg nicht mehr erziehen. Und weil im stressigen Alltag sowieso kaum noch jemand Lust auf Auseinandersetzungen hat, ersparen wir uns die oft notwendigen Konflikte. Und wie ein Kind, das niemals lernen durfte, auch die unangenehmen Seiten des Lebens zu ertragen, später am Leben und seinen Aufgaben scheitern wird, so scheitern heute unsere Hunde am Alltag.“ Die Hundeschule „Halb so wild“ bietet zum Üben nicht nur Einheiten am Platz, sondern auch Stadt- und Antijagd-Spaziergänge, bei denen die Menschen lernen, ihre Hunde zu begrenzen, und die Hunde lernen, sich in jeder Situation, auch bei vielen Ablenkungen, an ihren Menschen zu orientieren.

Alle heutigen Rassen wurden für bestimmte Zwecke gezüchtet

Oft ist im Zusammenhang mit dem Thema Hundeerziehung auch immer wieder von „Anfängerhunden“ die Rede. Gemeint sind Rassen oder Mischlinge bestimmter Rassen, die ihrem Herrchen oder Frauchen einfach immer gefallen wollen, schnell eine enge Bindung aufbauen und Fehler des Menschen nicht gleich ausnutzen. Dazu gehören die allseits beliebten Labradore und Golden Retriever. Allerdings muss man bei diesen Rassen beachten, dass sie nicht gerade wenig Jagdtrieb besitzen. Alle heutigen Rassen wurden vom Menschen für bestimmte Zwecke gezüchtet – als Jagdhelfer, zum Treiben und Beschützen von Viehherden, als Wächter des Hofes oder als putzige Schoßhündchen. Und genau diese Selektion hat auch bestimmte rassetypische Charakteristika hervorgebracht, über die sich ein angehender Hundebesitzer im Klaren sein sollte – und zwar möglichst vor der Anschaffung des Welpen. Meist gibt es in jeder Rasse Arbeitslinien und Schaulinien, Erstere sind auf Leistung gezüchtet, Letztere auf Schönheit. Auch das sollte man vor der Anschaffung berücksichtigen.

Hunde brauchen Beschäftigung

Wer einen Hund mit viel Bewegungsdrang sein Eigen nennt, für den gibt es heutzutage mannigfache Sportarten wie Agility, Disc Dogging, Dog Dancing oder auch Rallye Obedience, die er zusammen mit seinem Vierbeiner betreiben kann. Reinschnuppern kann man zum Beispiel bei den „Fetzigen Hunden Regensburg“, die bereits einige Weltmeister im Agility gestellt haben. „Wir sind aber großteils schon ein Verein für Freizeitsportler“, betont Vorstand Birgitt Raith. Die „Fetzigen Hunde“ sind ein reiner Sportverein, viele Hundeschulen bieten neben den klassischen Erziehungskursen aber auch Hundesport an.

Beim Agility gilt es, einen Parcours mit Sprüngen, Brücken, Wippen, Reifen und Tunnels möglichst fehlerfrei in der schnellsten Zeit zu bewältigen. In wohl keiner anderen Hundesportart kommt es so sehr auf das perfekte Zusammenspiel von Mensch und Hund an.

„Große und schwere Hunde sollten diesen Sport aufgrund der hohen körperlichen Belastung nicht ausüben.“Birgitt Raith, Vorstand der Fetzigen Hunde Regensburg

Oft entscheiden Sekundenbruchteile über den Sieg. Weil der Parcours sehr vielfältig ist, kann man Agility eigentlich nur auf einem Hundeplatz trainieren. „Große und schwere Hunde sollten diesen Sport aufgrund der hohen körperlichen Belastung nicht ausüben“, rät Raith.

Disc Dogging ist ein Hundesport mit Frisbee-Scheibe und beim Dogdancing vollführen Hund und Mensch zu Musik rhythmische Bewegungen. Typische Kunststücke sind Beinslalom, Seitengänge, Rückwärtsgehen, Drehungen oder Sprünge durch die Arme des Hundeführers. Besonders viel Zulauf erfährt derzeit die in Deutschland noch recht junge Sportart Rallye Obedience (engl.: Gehorsam), vor allem, weil sie mit wenig Zubehör auskommt und auch im eigenen Garten unkompliziert durchzuführen ist. Der Hundeführer durchläuft mit seinem Hund einen vorgegebenen Parcours, der möglichst schnell und präzise abzuarbeiten ist. An jeder Station findet er ein Schild, auf dem angegeben ist, was dort zu tun ist und in welche Richtung es anschließend weitergeht. Die Aufgaben im Parcours bestehen aus klassischen Unterordnungs-Übungen wie Sitz-, Platz-, Steh-Kommandos, aber auch Kombinationen aus diesen Elementen. Andere Schilder fordern auf, einen Slalom um Pylonen zu machen oder den Hund über eine Hürde vorauszusenden oder abzurufen. Fester Bestandteil eines Parcours sind außerdem die so genannten Bleib- oder Abrufübungen.

Die nötige Ausbildung bekommt man zum Beispiel im Zughundezentrum Niederbayern/Oberpfalz im Raum Cham. „Es eignen sich alle lauffreudigen Hunde ab circa 20 Kilogramm Körpergewicht, egal welcher Rasse. Es muss kein Husky sein, Hauptsache er hat Spaß an Bewegung“, betont Peggy Haberl, die selbst mit zwei Hollandse Herdern und einem Husky unterwegs ist. „Vor allem für Hunde, die sonst keinen Freilauf haben können, da sie jagdlich ambitioniert sind oder Leinenzwang haben oder bei denen der Gehorsam einfach noch nicht so sitzt, eignet sich der Zughundesport gut und bringt Spaß und Auslastung für beide Enden der Leine. Es gibt verschiedene Zuggefährte, somit kann jeder testen, was für seinen Hund das Richtige ist.“

Im Zughundezentrum fährt man gemütlich bis rasant. „Es gibt viele Möglichkeiten, Zughundesport zu betreiben. Für Ambitionierte gibt es Sprintsport, aber auch Distanzfahrten. Im Breitensportbereich kann man wie mit Kutschpferden Hindernisfahren oder einfach entspannte Ausflüge ohne Stress machen. So wird der Hund auch ohne Freilauf ausgeglichener“, erklärt Haberl, die in ihrer Kundschaft auch einige körperbehinderte Menschen hat, die das Fahren mit Hund lernen. „Diese Leute werden dadurch wieder mobiler, die Motorik verbessert sich und auch die kognitiven Fähigkeiten. Ziel ist es zum Beispiel, den täglichen Einkauf mit dem Hund zu erledigen.“

Der Text ist eine Leseprobe aus der Sonntagszeitung, die die Mittelbayerische exklusiv für ePaper-Kunden auf den Markt gebracht hat. Ein Angebot für ein Testabo der Sonntagszeitung finden Siein unserem Aboshop.

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