Konzert
Aus der Zeit gefallener Art Garfunkel

Der 75-jährige Folkstar bietet einen sympathischen Abend auf Schloss St. Emmeram. Musikalisch überzeugt er allerdings nicht.

30.10.2017 | Stand 16.09.2023, 6:25 Uhr
Juan Martin Koch

Art Garfunkel (l.) und Tab Laven auf in Regensburg Foto: altrofoto.de

„I’m a misfit in the age of Youtube“ – „Ich bin ein Außenseiter in Zeiten von Youtube“. Stimmt schon, Art Garfunkel wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen. Wie ein melancholisch gealterter Clown latscht der 75-jährige Folksänger, der im Duo mit Paul Simon zur Legende wurde, in einem mausgrau verwaschenen T-Shirt auf die Schlossbühne. Fast könnte man ihm das vorab verkündete Foto- und Handyverbot als Eitelkeit auslegen.

Aber auch wenn er, vom roten Belichtungsblinken unbeirrbarer Digitalknipser irritiert, dem Publikum kurzzeitig den Rücken kehrt, geht es ihm offenkundig um etwas anderes: „Tomorrow is over, tonight is all“ – „Gestern ist vorbei, heute Abend ist alles“ – wird er am Ende als Motto ausgeben. Will heißen: Hört erst mal im Hier und Jetzt zu, statt auf euer Smartphone zu glotzen. Ohne ihm pädagogischen Eifer andichten zu wollen, scheint das ab der zweiten Strophe sehr zupackende und intensive „The Sound of Silence“ in dieselbe Richtung zu weisen („People hearing without listening…“ – „Leute hören, ohne zuzuhören“). Garfunkel singt sich hier förmlich die Seele aus dem Leib und liefert so den Höhepunkt des gefährlich an der Grenze zur Rührseligkeit sich bewegenden zweiten Sets.

Das liegt an der Songauswahl, aber auch daran, dass Garfunkel nicht über die bitter-ironischen Nuancen eines Randy Newman verfügt. Dessen „Real Emotional Girl“ gerät ebenso in Schnulzen-Nähe wie das durch die Everly Brothers bekannt gewordene „Let It Be Me“. Dass er mit eigenen Liedern seinem Partner nie das Wasser reichen konnte – das Gegenteil hat er nie behauptet –, macht „Perfect Moment“ deutlich. Dagegen „Kathy’s Song“ von Paul Simon: Garfunkel singt die Folk-Perle schlicht und eindringlich, Tab Lavens makellos federndes Fingerpicking dazu macht einfach nur glücklich.

Den Hut ziehen vor Tab Laven

Überhaupt dieser Tab Laven: Vor seiner Professionalität an der Martin-Gitarre kann man nur den Hut ziehen. Souveräner und diskreter hat wohl noch kein Musiker dem Mischer seine Wünsche signalisiert. Im Duo mit Laven hätte Garfunkel problemlos den ganzen Abend bestreiten können. Stattdessen musste ein unterforderter David Mackay – von wenigen Steinway-Ausflügen abgesehen – vom Keyboard aus manch kitschige Klangwolke, synthetische Drumsounds und für „Bright Eyes“ gar eine gesampelte Oboe abrufen. Dieses Setting war ebenso unwürdig wie die in mäßiger Klangqualität vom Band eingespielte Überbrückungsmusik in der Pause beziehungsweise vor und nach dem Konzert. Plan- und geschmacklos bewegte die sich zwischen Saunagedudel, Steve Reich und dem zweiten Satz aus Ravels Klavierkonzert.

„I’m lost in the modern age.“ Ein wenig ist es aber auch Koketterie, wenn Art Garfunkel erzählt, er wisse nicht, wie man heutzutage ein Album vermarktet („oder ist das jetzt ein Download?“) und habe auch keine Ahnung, warum er auf einmal twittern soll. Das Marketing für sein im September erscheinendes Buch – offenbar eine Mischung aus Autobiografie und Gedichtband – macht er mit scheinbar spontan eingestreuten Ausschnitten jedenfalls ganz clever. Hintergründige Momentaufnahmen seiner Karriere sind das, die ganz beiläufig in den nächsten Song münden.

Das stärkere erste Set hatte ganz wunderbar mit „April Come She Will“ begonnen und dann mit „The Boxer“ das hauptsächlich im Ü45-Bereich angesiedelte Publikum gleich zum Mitsingen animiert. Den ersten „Lie-La-Lie“-Refrain variierte Garfunkel zunächst noch in einer etwas bequemeren Lage, erklomm dann aber mühelos die originale Höhe, wie sich seine Stimme überhaupt in guter Form präsentierte. In tiefen und mittleren Regionen ist sie mit bezwingender Textklarheit nach wie vor voll und warm, in der Höhe ist das Falsett etwas ausgedünnt, aber präsent genug, um den Songs das gewisse Etwas zu verleihen. Weil er spürbar machen kann, dass sie ihm immer noch etwas bedeuten, gehen sie uns immer noch nahe. „Goosebump, this is my style“. Ganz recht, das mit der Gänsehaut hat er noch ziemlich gut drauf, wie „A Heart in New York“, „Scarborough Fair“ und „Homeward Bound“ beweisen.

Einmal mehr stellt sich Gänsehaut ein

Nach der Pause stellt die sich einmal mehr Gänsehaut ein, als Garfunkel in Erinnerung an die Entdeckung seiner Stimme ein paar Zeilen Synagogengesang anstimmt und als zu Beginn von „Bridge Over Troubled Water“ auch sein jungenhaftes Timbre voll aufblitzt. Da hat er sein mittlerweile stehendes Publikum längst in der Tasche. Doch sind es andere Momente dieses musikalisch sicher nicht großen, dafür aber sympathisch anrührenden Abends, die haften bleiben: Manchmal singt Art Garfunkel abseits des Mikrofons einen Refrain zu Ende oder wirft seinem Gitarristen spontan eine Phrase zu. Wir hören diesen aus der Zeit und dem Augenblick gefallenen Gesang nicht, aber in der Fantasie leuchtet er in allen vergangenen und gegenwärtigen Farben.

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