Etel Adnan
Ausstellung in München: Im Himmel neben Paul Klee

21.12.2022 | Stand 15.09.2023, 2:24 Uhr
Joachim Goetz
Werke voller Energie: Das Lenbachhaus widmet Etel Adnan bis 26. Februar eine große Retrospektive. −Foto: VG Bild-Kunst

Als sie erfuhr, dass ihr das Lenbachhaus im Kunstbau eine Retrospektive widmen würde, war sie hoch erfreut. Erleben konnte Etel Adnan, 1925 in Beirut geboren und 2012 durch die documenta 13 schlagartig weltbekannt geworden, die Eröffnung nicht mehr.

Die bedeutende Vertreterin der Moderne, deren 60 Jahre umfassendes Œuvre sich durch einen intensiven Austausch zwischen arabischer und westlicher Welt auszeichnet, starb 96-jährig im November 2021 in Paris.

Als die Kuratoren in der (mit Partnerin Simone Fattal bewohnten) Heimstatt der Dichterin, Malerin, Journalistin und Philosophin eintrafen, zu einem schon länger geplanten Ortstermin, fanden sie auf ihrem Arbeitstisch einen Katalog der Ausstellung von Gabriele Münter im Lenbachhaus. Adnan schätzte Münter ebenso wie Wassily Kandinsky oder Paul Klee. Über Klee sagte die zu einer Ikone der Frauenbewegung gewordene Künstlerin, im Himmel wolle sie neben ihm sitzen.

Strahlende Ölfarben in abstrakten Werken

Adnan beeindruckte die Beschäftigung der Blauen Reiter mit dem Geistigen, mit der Theorie hinter der Kunst. Sie inspirierten sie auch ästhetisch. Die Ausstellung (bis 26. Februar) konfrontiert Werke aus der Sammlung des Hauses direkt mit Adnans abstrakten Werken, die kraftvoll leuchtende Farbtöne prägen. Strahlende Ölfarben streicht Adnan mit dem Messer direkt aus der Tube auf die Leinwand und fügt sie zu Kompositionen voller Energie und Licht.

Adnan wuchs mehrsprachig im Libanon auf, der bis 1943 unter französischer Herrschaft stand. Sie studierte in Paris Philosophie und wurde zunächst eine weltbekannte Lyrikerin. Ihr Leben präsentierte sich, wie die Kuratoren sagen, wie ein Krimi, wie ein Roman. Sie erlebte am eigenen Leib Krisen, Kriege und Exil.

Zu Malerei und Zeichnung kam die vielseitig Begabte erst Ende der 1950er, als sie bereits in Sausalito bei San Francisco lebte. Sie schätzte es, beim Malen im Gegensatz zur Dichtkunst nicht mehr „einer von ihrer Sprache geprägten Kultur angehören“ zu müssen, sondern sich „einer offenen Ausdrucksform“ zu widmen. Angesichts des Algerienkonflikts entschied sie: „Ich muss nicht mehr auf Französisch schreiben, sondern male auf Arabisch.“

Poesie trifft Malerei

Nahe an den literarischen Werken sind die meterlangen, in Vitrinen aufgeklappten Leporellos. In ihnen entwickelt Adnan eine enge Verbindung zwischen Poesie, Zeichnung, Malerei und Schreiben. Pro Seite handelt sie darin jeweils ein bestimmtes Thema ab. Eines ihrer wichtigsten literarischen Werke hängt Seite für Seite im Kunstbau: der Gedicht-Zyklus „Arabische Apokalypse“.

Trotz aller Bewegtheit gibt es Konstanten. Im Bild ist es der Berg vor ihrer kalifornischen Haustür, der Mount Tamalpais. Den malte sie immer und wieder – mal im grellen Sonnenschein, mal im Nebel. So erhielt er ein Prädikat, auf das er stolz sein könnte: Etel Adnan nannte ihn „die wichtigste Begegnung meines Lebens“.