Umweltschutz
Bahnbohlen: einst begehrt, heute tabu

Ein Brucker Kaufmann ersetzte eine verrottete Schwelle durch eine ebenfalls imprägnierte. Da bekam er Post vom Landratsamt.

18.08.2016 | Stand 16.09.2023, 6:42 Uhr
Auch am ehemaligen Regensburger Rangierbahnhof wurden in den letzten Jahren Tausende alter Bahnschwellen zurückgebaut. In den Handel kamen sie nicht mehr. Das Material gilt als umweltgefährdend. −Foto: Fotos: Rieke/Archiv

Als Armin B. (Name von der Redaktion geändert) Mitte der 1980er Jahre die Gelegenheit erkannte, in den Besitz ausrangierter Bahnschwellen zu kommen, schlug der Geschäftsmann kräftig zu. Gleich zwei Lkw-Ladungen voll ließ er sich auf sein großes Privatgelände in einem Waldstück bei Bruck liefern. Denn das imprägnierte Holz war für seine lange Lebensdauer und Belastbarkeit bekannt, vielseitig verwendbar – und vergleichsweise günstig. Ob als Stufen im Treppenbau, Elemente für Stützmauern oder besonders robuste Zaunpfähle – Armin B. hatte reichlich Ideen, wie er das Altholz einsetzen würde. Er tat dies denn auch und war zufrieden, weil das Material seine Erwartungen voll erfüllte.

Nach rund einem Vierteljahrhundert allerdings wurden dann doch erste Ausbesserungsarbeiten erforderlich. Für Armin B. kein Problem, denn er hatte einen ordentlichen Vorrat. Doch dann, fünf Jahre (!) nach der Reparatur, flatterte ihm plötzlich ein Brief des Landratsamts ins Haus. Der Inhalt des Kuverts: ein „Beweisfoto“ von einer ausgewechselten Schwelle, ein Merkblatt des Landesamts für Umwelt – sowie die Aufforderung den neu verbauten Balken zu beseitigen und einer fachgerechten Entsorgung zuzuführen. Das Holz sei nämlich mit Teeröl getränkt – und deshalb problematisch. Armin B. wurde eine Frist eingeräumt. Hätte er sich widersetzt, hätte er sich strafbar gemacht.

„Die Behörde hat immer Recht ...“

Deshalb hat der Senior sich gefügt. Die ins Visier der Behörde geratene Schwelle ist beseitigt, ein Entsorgungsnachweis liegt vor. Armin B. wandte sich allerdings auch an die Zeitung; nicht etwa, um andere Zeitgenossen, die eventuell ebenfalls alte Bahnschwellen besitzen, zu warnen, sondern sich über das Landratsamt lustig zu machen. Gewiss, die Behörde habe „immer Recht“, betonte er süffisant. Doch, ob die Beamten im zuständigen Sachgebiet nichts Besseres zu tun hätten, als ihm auf die Füße zu treten? Es sei doch eher unwahrscheinlich, dass das ölgetränkte Holz auch nach so langer Zeit noch eine Gefahr darstelle. Viel Ärger aber sei noch der „Verrat“ durch einen Mitbürger, der die Behörde informierte, um ihm eins auszuwischen ...

Als Armin B. merkte, dass sich die MZ nicht in seinem Sinne instrumentalisieren ließ, untersagte er flugs, seinen Namen zu nennen und konkreter zu beschreiben, wo sich der Ort des Geschehens befindet.

Gleichwohl bleibt bemerkenswert: Für alle anderen hölzernen Schwellen, die vor Jahren (nicht nur bei Armin B., sondern an ungezählten anderen Örtlichkeiten im Kreisgebiet auch!) verbaut wurden, interessiert sich das Landratsamt nicht. Sie dürfen bleiben, wo sie sind, obwohl sie, damals wie heute, ebenfalls in Teeröl getränkt worden sind.

Dies bestätigt auf Anfrage Behördensprecher Franz Pfeffer. Seinen Angaben zufolge gibt es nicht einmal eine Übersicht über das offensichtliche Altlastenproblem. Und selbst, wenn man sich ab sofort die Mühe machte, herauszufinden, wie viele alte Bahnschwellen im Land(-kreis) verstreut seien, so käme man wohl auch nach Jahren zu keinem befriedigenden Ergebnis.

Pfeffer: „Es gibt keine Schätzungen, wie viel Schwellen irgendwo verbaut worden sind. Sicher ist nur, dass das Holz frei gehandelt wurde und sehr beliebt war.“

Auch die Tatsache, dass sich das Material im konkreten Fall in einem Wald – und damit einem potenziellen natürlichen Wasserspeicher befindet, stört die Behörde wenig. Begründung? Das Gesetz liefere dafür keine, erklärt Pfeffer. Und: Das Landratsamt sei letztlich auch nicht dafür da, bestehende Verordnungen infrage zu stellen, sondern für den Vollzug zuständig. Deshalb auch das Schreiben an Armin B.

In den Infoblättern „Kreislaufwirtschaft“ des Bayerischen Landesamts, welche dem „Umweltsünder“ zugestellt wurden, wird auf eine Änderung der Gefahrstoffverordnung aus dem Jahre 2002 verwiesen. Darin heißt es unter anderem, die Verwendungsmöglichkeiten für imprägnierte Bahnschwellen seien „weiter eingeschränkt“ worden. Demnach darf solches Material seit fast 15 Jahren überhaupt nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Der Einsatz als Schwelle in Gleiskörpern ist allerdings noch immer erlaubt – und in gewissen Bereichen aus „technischen Gründen“ sogar unverzichtbar. Dies gelte als einzig zulässige Art der „Wiederverwendung“.

Unterdessen scheinen belastete Bahnbohlen für die Stadt überhaupt kein Problem darzustellen. Geschäftsleiter Jakob Rester ist jedenfalls nichts bekannt, dass entsprechendes Material auf kommunalen Anlagen verbaut worden wäre oder noch zu finden sei. Was den privaten Bereich angeht, so gebe es freilich keine Unterlagen.

Erinnerung an „Thanhof“

Sehr gut erinnert sich Rester indes an ein höchst umstrittenes Projekt, das neben der Herstellung von Pellets auch der Verbrennung belasteter Hölzer dienen sollte. Die Rede istvom „Biomassewerk“, welches zwischen 2003 und 2005 in Thanhof (Gemeindegebiet Wenzenbach) geplant war.Der Bürgerprotest erreichte damals eine beachtliche Dimension; manch Beobachter verglich ihn gar mit dem Widerstand gegen die WAA, wenn es auch, Gottlob, zu keinen körperlichen Auseinandersetzungen kam. Letztlich kippte ein Gericht den Bebauungsplan wegen „Formfehlern“. Die Anlage wurde nie verwirklicht.

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