Helmut Schloderer im Interview
Beilngrieser Bürgermeister: „Wir haben große Baustellen vor der Brust“

17.08.2022 | Stand 15.09.2023, 3:58 Uhr
Zum großen Sommerinterview hat unsere Zeitung den Beilngrieser Bürgermeister Helmut Schloderer getroffen. −Foto: F. Rieger

Rekordverschuldung, anstehende Millionenprojekte und globale Krisen mit Auswirkungen bis ins kleinste Dorf – die Beilngrieser Kommunalpolitik erlebt bewegte Zeiten. Unsere Zeitung hat mit Bürgermeister Helmut Schloderer (BL/FW) darüber gesprochen.

Herr Bürgermeister Schloderer, Sie haben im Wahlkampf immer wieder das Bild des vollgepackten Rucksacks verwendet, der auf den neuen Bürgermeister warte. Nun ist es bei einer Wanderung so, dass der Rucksack im Laufe der Zeit leichter wird, weil man die eine oder andere Brotzeit rausnimmt. Der politische Rucksack scheint in dieser Wahlperiode aber keineswegs leichter zu werden.

Helmut Schloderer:Nein, er ist nicht unbedingt leichter geworden. Beispielsweise nicht bei der Umgehungsstraße. Da wurden zwar Grundstücke erworben, aber es stehen noch ein paar Geschichten aus. Da müssen wir dran bleiben. Was sich ein bisschen entspannt hat, ist die Grundschulthematik. Dort hat man sich im Laufe der Zeit auf eine gemeinsame Planung verständigt. Wir haben alle ins Boot geholt, so dass ich zuversichtlich bin, dass es zumindest von der Zielsetzung her in eine gemeinsame Richtung geht. Jetzt muss man natürlich schauen, was noch an Unwägbarkeiten dazu kommt – aus dem Bereich Energie-, Bau- und Rohstoffpreise. Das sind Sachen, die wir nicht wirklich in der Hand haben.

Damit sind wir direkt bei einem Brocken, der besonders schwer im Rucksack liegt – den Finanzen. Der Schuldenstand steigt von Jahr zu Jahr. Das kann und darf auf Dauer nicht so weitergehen.

Schloderer:Ich wüsste nicht, wo sich da jetzt kurzfristig etwas drehen sollte, muss ich ehrlicherweise sagen. Denn die großen Einnahmen werden wir auch in Zukunft nicht erzielen. Wenn ich mir anschaue, dass sie in Berching von einer Gewerbesteuerzahlung von neun Millionen Euro reden und wir irgendetwas zwischen zweieinhalb und drei Millionen Euro haben. Wo soll es herkommen?

Das neue Gewerbegebiet bei Paulushofen wird sich so schnell auch nicht bemerkbar machen?

Schloderer:Nicht in der Dimension. Das sind Unternehmen, die zum Teil in Gründung sind oder sich dort ansiedeln, die investieren zunächst einmal. Da kommt dann natürlich nicht gleich die große Gewerbesteuerzahlung rein. Das wirkt sich erst mittelfristig aus. Dann kommt dazu: Die Kreisumlage wird in den nächsten Jahren auch nicht sinken, weil der Landkreis das Problem hat, die Kliniken irgendwie zu finanzieren. Deswegen wüsste ich nicht, wo das Geld herkommen soll, um jetzt wirklich signifikant auf die Schnelle von den Schulden runterzukommen.

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Und doch sollen – oder müssen – mehrere Millionenprojekte in Angriff genommen werden.

Schloderer:Wir haben große Baustellen vor der Brust. Was die Grundschule kosten soll, wissen wir. Zudem haben wir ja nun beschlossen, dass wir unter Umständen den nächsten Kindergarten in die Pipeline bringen müssen.

Dann würden Sie es Stand jetzt also nicht unbedingt als Worst-Case-Szenario einschätzen, wenn der Schuldenstand zum Ende dieser Wahlperiode in einem Bereich wäre wie aktuell?

Schloderer:Natürlich wäre es mir anders lieber. Aber ich sehe nicht, wie es funktionieren soll. Noch mal: Wo soll’s herkommen?

Sie haben die großen Pflichtaufgaben angesprochen – Grundschule, möglicherweise wieder Kindergarten. Auch die Freibad-Sanierung wird Geld verschlingen. Geld, das an anderen Stellen nicht zur Verfügung steht. Eine Debatte, die dabei immer wieder aufkommt – obwohl Sie und auch Stadtratsmitglieder das eigentlich nicht hören wollen – ist die Stadt-Land-Thematik. In den Dörfern hat man den Eindruck, der Fokus liege zu sehr auf der Kernstadt. Was halten Sie dem entgegen?

Schloderer:Die Einrichtungen, in die wir hier investieren – sei es eine Grundschule, ein Kindergarten, ein Freibad, eine Innenstadt –, die sind für die ganze Gemeinde da. Und: Wir haben im Gemeindeentwicklungskonzept für die Dörfer auch verschiedene Projekte auf der Planung gehabt, bei denen nicht alle Akteure mitspielen – dann geht halt nichts weiter. In Grampersdorf zum Beispiel: Wenn keine Abgabebereitschaft da ist von den Grundstückseigentümern, dann kann man nicht beliebig weiterentwickeln. Oder, auch das muss man sagen: In Wolfsbuch zum Beispiel kommt immer wieder das Thema Stachus. Wir geben dort aber gerade eine ziemlich große Summe für ein neues Feuerwehrhaus aus.

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Aber selbst, wenn es teilweise nur eine gefühlte Ungleichverteilung sein mag – gibt es trotzdem Überlegungen, zumindest mit kleineren Projekten in den Ortsteilen das Gefühl zu vermitteln, dass dort auch etwas geschieht?

Schloderer: Das hat man ja zum Teil in den vergangenen Jahren schon gemacht. Aus dem GEK-Ordner sind Dutzende von Maßnahmen umgesetzt worden, die sogenannte Kleinmaßnahmen waren: Das Dorfheisl in Leising, die Jugendhäuser in Paulushofen und Biberbach. Es ist schon so, dass da etwas gemacht wird. Aber das sind alles Maßnahmen, die vom Aufwand her überschaubar waren, maximal in einem fünfstelligen Bereich. Wenn ich allerdings so Sachen habe wie einen Gemeindestadel in Eglofsdorf, wo ich gleich gut sechsstellig werde…

...Kirchplatz Irfersdorf, siebenstellig...

Schloderer:Ja – dann geht das halt nicht von heute auf morgen. Da muss man schauen, wo man es einpasst. Wir haben auch Flecken in Beilngries, wo ich sage: Da müssten wir seit Jahren etwas tun. Wir müssen uns schlichtweg darauf konzentrieren: Was können wir uns leisten?

Also vorrangig die Pflichtaufgaben. Von CSU-Seite wird allerdings immer wieder eingefordert, Sie müssten mehr eigene Ideen entwickeln. Wie kommt das bei Ihnen an, was erwidern Sie dem?

Schloderer:Ganz ehrlich: Das gehört zum Geschäft einer gefühlten Oppositions-Partei, obwohl sie eigentlich in der Regierung sind, weil sie die Mehrheit haben. Wir haben ja jüngst im Stadtrat gesehen, wie das ausgehen kann. Wenn dann Ideen kommen, werden sie halt manchmal auch nicht so positiv angenommen – da haben wir ja ein „schönes“ Beispiel gehabt(Anmerkung der Redaktion: Die Regens-Wagner-Thematik). Wie gesagt: Solche Aussagen nehme ich so hin, da denke ich drüber nach – und dann ist es auch wieder gut.

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Aber was wären denn Wünsche, Ziele, Ideen, von denen Sie sagen: Das würde mir wirklich am Herzen liegen?

Schloderer:Natürlich ist mir unsere Innenstadt wichtig, dass sich hier etwas rührt – davon lebt die ganze Gemeinde. Dann gibt es Sachen wie den Staatlichen Bauhof, da muss man darüber nachdenken, welche Rahmenbedingungen man planungstechnisch schaffen kann, damit dort etwas entsteht, das auch zu einer Belebung der Innenstadt führt. Außerdem ist es wichtig, den alten Volksfestplatz positiv zu gestalten. Dass dort etwas entsteht, was diese Siedlung verträgt. Und wichtig ist auch die Gestaltung des neuen Volksfestplatzes. Und ja, wir müssen natürlich auch in unseren Ortschaften Verhältnisse erhalten oder schaffen, damit dort das Leben einer Gemeinschaft möglich ist, mit Treffpunkten und Aufenthaltsqualität.

Stichwort „Treffpunkte“: Sie sind zu einer Zeit Bürgermeister geworden, als Begegnungen Corona-bedingt tunlichst zu vermeiden waren. Heuer nun konnten endlich wieder Feste gefeiert werden. Wie gut ist die Großgemeinde aus der Corona-Phase herausgekommen, was das Vereinsleben und die Veranstaltungen anbelangt?

Schloderer:Bezüglich der Veranstaltungen – positiv. Aber man merkt ganz gewaltig, dass viel verloren gegangen ist in den vergangenen zwei Jahren. Es gibt Vereine, in denen Corona, Impfstatus et cetera teilweise zu einer Spaltung geführt haben. Man merkt, dass viele nur noch im Tunnel ihrer eigenen Meinung unterwegs waren und keine Kommunikation mehr stattgefunden hat. Wir müssen es wieder lernen und es muss wieder mehr werden, dass man einfach miteinander spricht, auch akzeptiert, dass jemand eine andere Meinung hat. Ich spüre ganz massiv: Da ist etwas weggebrochen. Wir sind in unserer Gesellschaft momentan ein bisschen auf einem Egotrip.

Wird das wieder besser?

Schloderer:Ich hoffe es – aber ich kann es nicht sagen. Es hat auch zwei Jahre gedauert, in so eine Entwicklung reinzukommen. Ob die von heute auf morgen wieder weg geht? Das weiß ich nicht.

Die eine Krise – Corona – ist noch nicht vorbei, da ist mit dem Krieg in der Ukraine eine weitere dazugekommen. Auch bei uns in Beilngries sind Kriegsflüchtlinge angekommen. Ohne das ehrenamtliche Helfernetzwerk ginge es gar nicht, oder?

Schloderer:Es ist unbezahlbar, was dort geleistet wird, das kann man gar nicht genug würdigen. Da wären wir als Verwaltung aufgeschmissen, wenn wir das alles abfedern müssten. Rosi Burger, stellvertretend für das Bürgerbüro, fängt unheimlich viel ab, aber das könnten wir ohne den Helferkreis nicht alles managen.

Jetzt hat das Ganze noch eine andere Komponente. Es fällt schwer, diesen Übergang zu machen, wenn man an das Leid denkt, das der Krieg in der Ukraine hervorruft. Und doch merkt man eben auch die Auswirkungen auf unser aller Geldbörsen. Welche Folgen sehen Sie diesbezüglich auf die Stadt zukommen?

Schloderer:Die Stadt ist da nicht abgekoppelt – die ganze Gesellschaft wird Auswirkungen spüren. Wir hatten ja jüngst das Beispiel im Stadtrat: Kindergarten mit dreifach erhöhten Energiepreisen im Vergleich zum vergangenen Jahr – woher soll’s kommen? Konkret mit Blick auf die Stadt: Wir sind seit Jahren dahinter, irgendwie Alternativen zu suchen in Sachen Energie. Wir haben das Hackschnitzelheizwerk und versuchen natürlich, das weiter auszubauen, weitere Gebäude anzuschließen. Aber vor Jahren gab es den Versuch, die Weinbergsiedlung anzuschließen – der ist gescheitert. Das waren teilweise Entscheidungen, die man halt nicht revidieren kann. Wir haben uns als Gesellschaft, als Land, in die Abhängigkeit dieser „billigen“ Energie begeben und jetzt kriegen wir eine böse Rechnung dafür. Das Wichtigste ist allerdings, dass dieser Krieg zu Ende geht, dass das Leiden in der Ukraine aufhört – dann werden viele Sachen wieder lösbarer werden. Das Problem ist allerdings, dass momentan nicht absehbar ist, ob da irgendwie Frieden einkehrt. Im Gegenteil: Diese Unkalkulierbarkeit, die Wladimir Putin an den Tag legt, das macht es eigentlich nur noch schwerer, weil man ja nie weiß: Wo ist für diesen Menschen eine Grenze?

Sie haben das Wort „Unkalkulierbarkeit“ verwendet. War das generell etwas, das Sie in Ihrer neuen Tätigkeit als Bürgermeister dann doch überrascht hat – wie unkalkulierbar dieses Amt ist, unter anderem aufgrund globaler Ereignisse wie einer Pandemie oder eines Krieges?

Schloderer:Dieser Beruf ist immer unkalkulierbar. Die genannten großen Rahmenbedingungen, die hätten wir uns alle nicht gewünscht. Damit muss man umgehen können. Mit manchen Sachen kann man eher umgehen und mit anderen weniger. Schwierig ist es vor allem, wenn man etwas überhaupt nicht beeinflussen kann. Du kannst nur versuchen, das vor Ort irgendwie mitzuorganisieren.

Globale Krisen, schwierige lokale Aufgaben – die Arbeit als Bürgermeister macht Ihnen aber schon noch Spaß?

Schloderer:Ja, es macht mir nach wie vor Spaß. Nach Stadtratssitzungen wie der vergangenen weniger, aber es kommen dann auch wieder schöne Tage, schöne Begegnungen, schöne Erlebnisse mit Bürgern und Projekten.

Und wenn wir uns nächstes Jahr wieder zu einem Sommergespräch treffen: Welche Steine sollten bis dahin aus dem schweren Rucksack herausgefallen sein?

Schloderer:Wichtig wäre, dass wir mit der Grundschule einen belastbaren Kostenrahmen zustande kriegen. Dass man nach den Ausschreibungen sieht: Ok, das Ganze läuft in einem Bereich ab, in dem wir es uns leisten können. Perspektivisch müssen wir darüber nachdenken, wie wir mit dem Thema Kindergarten umgehen, aber das ist eher mittelfristig, zwei bis drei Jahre. Natürlich würde ich mir wünschen, dass wir von dem Schuldenstand runterkommen, aber das habe ich schon gesagt, da werden wir nicht groß wegkommen. Ich hoffe, dass wir mit der Volksfestplatz-Verlagerung keine Überraschungen archäologischer Art erleben, so dass wir da draußen in einem Jahr wirklich auf einem neuen Volksfestplatz feiern können. Und ich wünsche mir, dass wir auch heuer unsere noch anstehenden Veranstaltungen – Volksfest, Zwiebelmarkt, Weihnachtsmarkt – wie geplant abhalten können. Damit wäre ich schon sehr zufrieden.