Körperkunst
Das Tattoo-Mekka im kleinen Köstlbach

Tattoos sind teuer und entstehen unter Schmerzen. Dennoch sind sie sehr beliebt, wie man bei Clarissa Gärtner erfahren kann.

20.10.2016 | Stand 16.09.2023, 6:41 Uhr
Nervosität verspürt Clarissa Gärtner nach eigener Aussage nicht mehr nach all den Jahren, wenn sie ein Tattoo sticht. −Foto: Fotos: Endlein

Es scheint so, als beschäftigte die Frage, warum man sich ein Tattoo stechen lässt, vor allem Menschen, die keines haben. Für solche, die eines haben, gibt es meist eine einfache, selbstverständliche Antwort: Weil es gefällt.

So geht es auch Mel (26) aus Neumarkt und Markus (29) aus Postbauer-Heng. Sie hat Katzen mit großen Augen, süß dreinblickende Meerjungfrauen und andere bunte Gemälde über ihren Körper verteilt, er steht auf Reptilien, die er sich nicht selbst halten will – in gemalter Form über die eigene Haut aber sehr wohl krabbeln lässt.

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„Ich mag alles, was kitschig ist“, sagt Mel, die sich an diesem Tag die ersten Striche einer kleinen Schildkröte auf den Unterarm tätowieren lässt. Der weiße Arm wird rasiert, desinfiziert – dann geht es los. Mit dem Summen eines wild gewordenen Bienenstocks fährt die Tätowiermaschine über die weiße Haut und gräbt dunkelbläuliche Striche in dieselbige. „Die Nadel trägt die Farbe einen bis zwei Millimeter unter der Haut ein“, erklärt Clarissa Gärtner, die mit ruhiger Hand die Maschine führt.

Wo es am meisten schmerzt

Seit 19 Jahren tätowiert die 35-Jährige, die sagt: „Eigentlich wollte ich mal Kirchenmalerin werden“. Ein Beruf, den man sich im kleinen Köstlbach, einem Ortsteil von Postbauer-Heng, auf Anhieb ähnlich gut vorstellen könnte, wie ein Tattoo-Studio in einem Berliner Szeneviertel. Tatsächlich ist es aber so, dass Clarissa Gärtner seit 14 Jahren in eben jenem kleinen Köstlbach ein Tattoo-Studio hat. Anfangs im Keller ist inzwischen im ersten Stock eines Neubaus ein florierendes Studio entstanden.

Hier finden Sie ein Video zum Thema:

Dort sitzt Mel auf dem schwarzen Lederstuhl und hält ihren Arm bereitwillig der Tätowiererin hin. Der Kopf geht dabei mal auf die eine, mal auf die andere Seite. Das Gesicht zuckt. Es tut weh. Noch so Fragen, die sich Menschen ohne Tattoo stellen: Warum tut man sich das an, wenn es doch weh tut? Und, wo schmerzt es am meisten?

Darauf gibt es wieder die einfache Antwort: „Ich mag es“, sagt Clarissa Gärtner. Nicht die Schmerzen natürlich, aber Tattoos, die Glücksbringer, Erinnerungsstücke und Verschönerung sein können. „Es hat viele Gründe, warum Menschen sich tätowieren lassen“, sagt die Tätowiererin.

Ebenso verschieden wie die Menschen (Gärtner: Zu mir kommen von der Omi über Ärzte bis hin zu Managern alle möglichen Menschen“.) ist das Schmerzempfinden. Tendenziell schmerzten die Partien außen wie die Oberarme weniger als innenliegende, erklärt Tattoo-Künstlerin Clarissa Gärtner.

Ein Thema – Zwei Meinungen

Auch in der Redaktion des Neumarkter Tagblatts sind die Meinungen zum Thema Tattoo gespalten. Redakteurin Bettina Dennerlohr schlägt sich auf die Seite der Befürworter – ihren Kommentar zu Themalesen Sie hier. Es gibt aber auch Argumente gegen den Körperschmuck – diese hat Redaktions-Volontär Philipp Seitz in einem Kommentar zusammengefasst, den Siehier finden.

Markus erinnert sich besonders schmerzhaft an den unteren Rückenbereich, auf dem inzwischen das Monster Godzilla ein Auto mit seinem gigantischen Echsenfuß zermalmt. Nebenan schaut Riesenaffe King Kong böse, wenn auch noch nicht ganz fertig. „Die Nippel nicht zu vergessen“, wirft Clarissa Gärtner ein, die Markus größtenteils die Schmerzen zugefügt hat. Sie selbst, die auch zahlreiche Tattoos schmücken, hat eine andere Schmerzkategorie: „Immer da, wo gestochen wird“.

Es geht aber auch anders: Es habe sogar schon Menschen gegeben, die ihr unter den Nadelstichen eingeschlafen seien, sagt Clarissa Gärtner. Die Regel ist das aber nicht. Genauso wenig wie weinende Kunden. „Wenn Tränen fließen, höre ich auf.“

Zu Tränen ist es bei Mel nicht gekommen, deren Unterarm inzwischen die Grundlinien der Schildkröte zieren. Schmerzen wird sie aber noch bei einigen weiteren Sitzungen ertragen müssen, bis das Körpergemälde fertig ist. Vorerst macht die Tätowiererin eine spezielle Folie über die gereizte Hautstelle, damit Infektionen keine Chance haben.

Die Krux mit den Schriftzeichen

Clarissa Gärtner trägt viel Verantwortung. Nicht nur bei der Hygiene. Nervösität vor einer Sitzung, dass sie mit der Tätowiermaschine abrutscht und ungeplante Linien hinterlässt, spürt sie nicht, wie sie sagt. Aber es gibt ja noch die beliebten Schriftzüge. „Ich habe immer wieder Leute da, die sagen: ,Ich weiß nicht, ob das wirklich so geschrieben wird’.“ Da gilt es, genau vorab zu recherchieren, um sich sicher zu sein, ob man das Tattoo so will.

Eine Gewissheit, die Gärtner übrigens 18-Jährigen nicht zuspricht, weswegen sie Tattoos bei Minderjährigen generell nicht mache. Auch sonst macht sich Clarissa Gärtner so ihre Gedanken, ob der ein oder andere Anlass für ein Tattoo wirklich geeignet ist, um dauerhafte Zufriedenheit mit dem Körperkunstwerk zu garantieren. Der Klassiker dabei: die Liebe. „Der Partner geht auch mal“, sagt die Tätowiererin und denkt dabei an Kunden, die dann mit entsprechenden Änderungswünschen bei ihr auf der Schwelle stehen.

Fragen rund um das Thema Tattoo beantwortetdieser Artikel.

Was zur Frage führt, die viele Tattoo-Träger regelmäßig hören: Was, wenn das Tattoo einmal nicht mehr gefällt? Nicht immer kann die moderne und teure Lasertechnik wieder entfernen, was Nadel und Farbe für nicht minder wenig Geld in die Haut gemalt haben. Markus und Mel ist dieser Hinweis natürlich nicht neu – und sie lassen sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen. Ihre Botschaft: Wer wisse schon, wie er in einigen Jahrzehnten ticke; etwas Mut habe noch niemanden geschadet.

Ein bisschen Ungewissheit spielt also mit beim Tätowieren – nicht zuletzt auch für den Tätowierer. Vielleicht auch deswegen ist diese Leinwand eine ganz spezielle und übt einen besonderen Reiz auf Clarissa Gärtner aus. „Mich begeistert, was man mit der Haut alles machen kann, wie Bilder auf der Haut zu Leben erweckt werden. Es wirkt ganz anders als auf Papier“, sagt die Tattoo-Künstlerin, die von jeher auch gerne auf „normalem“ Maluntergrund zeichnet. „Aber auf Haut macht es mehr Spaß.“ Warum? „Weil es mehr lebt.“

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