Einkommen
Das verdienen die Oberpfälzer

Die Gehälter klaffen weit auseinander. Spitzenreiter ist Regensburg. Chamer und Schwandorfer müssen mit weniger auskommen.

08.08.2018 | Stand 16.09.2023, 5:57 Uhr

Top-Verdiener in Aktion: Martin Rademacher (links) and seine Kollegen von der Audi-Entwicklung in Ingolstadt testen das Virtual Reality Holodeck. Damit können sie das Design neuer Modelle erleben. Die Technologie erzeugt eine begehbare, virtuelle Umgebung mit einem dreidimensionalen Abbild des Autos. Foto: Audi AG

An die bayerischen Spitzenverdiener in Ingolstadt kommen die Regensburger nicht heran. Aber auch sie verdienen gut. Die Ingolstädter mit einem sozialversicherungspflichtigen Job beziehen monatlich im Schnitt ein Bruttogehalt von 4635 Euro. In der ebenfalls boomenden Nachbarstadt Regensburg sind es 3676 Euro, also beinahe 1000 Euro weniger. Die Zahlen stammen von der Bundesarbeitsagentur. Sie wurden nach einer Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag bekannt.

Regionalforscher Stefan Böhme vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) weiß, warum Ingolstadt so gut dasteht. Der größte Arbeitgeber Audi mit 44 000 Beschäftigten bezahlt Top-Gehälter. Das reicht aus, dass die Stadt sogar München überholt und bundesweit vorne liegt. „Überall an den Automobil-Standorten sind die Verdienste höher“, sieht Böhme beim Blick in die bundesweite Statistik.

Das Regensburger BMW-Werk mit 9000 ist wesentlich kleiner. „In der Domstadt gibt es mehr Handel, das ist eine Branche mit niedrigem Einkommen.“ Und die vielen Mittelständler können keine so hohen Gehälter stemmen wie BMW oder die Continental AG. Das wirkt sich auf das Durchschnittseinkommen aus.

Nur eine wirkliche Problemregion

In der Region verdienen die Amberger mit 3416 Euro und die Kelheimer mit 3094 Euro am besten. Ein Grund: Im Landkreis Kelheim haben sich zahlreiche Autozulieferer wie Samvardhana Motherson Peguform angesiedelt.

In Amberg sind viele Leute bei Siemens sowie im übrigen Metall- und Elektrobereich beschäftigt. „Außerdem arbeiten nur wenige als Helfer und Angelernte. Techniker und Akademiker überwiegen“, urteilt Böhme. Da seien die Gehälter hoch. Neumarkt hält sich bei den Verdiensten mit 3182 Euro wacker im Mittelfeld. Die Fachleute vom IAB führen das darauf zurück, dass sich dort eine industriereiche Branchenstruktur gehalten hat.

Auffallend: Die Städte Schwandorf und Cham hinken bei den Oberpfälzer Bruttoverdiensten hinterher. Dort müssen die Menschen im Schnitt mit 700 bis 850 Euro weniger auskommen als in Regensburg. „In der Oberpfalz gibt es viele tolle mittlere und kleine Betriebe, die wachsen“, sagt Stefan Böhme. Er verweist etwa auf den Industriepark Wackersdorf. Diese können sich aber nicht die Löhne der großen Global Player leisten. Auch ist das Qualifikationsniveau der Mitarbeiter nicht so hoch. „Unternehmen mit vielen Akademikern zahlen mehr als Betriebe mit vielen Facharbeitern.“

Die Durchschnittseinkommen im Vergleich:

Die Oberpfalz ist insgesamt gut aufgestellt. Als „wirkliche Problemregion“ bezeichnet IAB-Fachmann Böhme nur den Norden, etwa Tirschenreuth (2887 Euro). „Aber wir jammern auf hohem Niveau“, räumt er ein. „Der Bayernvergleich ist sehr ambitioniert.“ Schließlich boomt der Freistaat bis auf wenige Randgebiete.

Die Durchschnittsverdienste allein sagen aber wenig aus. Die Kaufkraft der Haushalte hängt auch von den Lebenshaltungskosten, zum Beispiel für Miete und Lebensmittel, ab. Die Regensburger erzielen zwar bessere Gehälter als die Chamer. Doch in der Domstadt besitzen laut stellvertretendem Planungsreferenten Anton Sedlmeier nur 24 Prozent der Menschen Wohneigentum, also nicht einmal jeder Vierte. Zugleich explodieren die Mieten. Im Immobilienreport 2017 nennt die Sparkasse Regensburg eine Durchschnittsmiete von mehr als 13 Euro/Quadratmeter für Neubauten in schöner Lage.

In Cham leben viele im eigenen Haus

In Stadt und Landkreis Cham dagegen wohnen laut einem Pestel-Gutachten von 2017 mehr als 60 Prozent in den eigenen vier Wänden. Auch wer mietet, ist dort im Vorteil, denn für eine neue, hochwertige Wohnung werden laut Wanninger Immobilien nur acht bis neun Euro/Quadratmeter verlangt. Ähnlich sieht es in Schwandorf aus. Dort können sich Familien das Bauen leisten, in Regensburg kaum mehr.

„Insofern haben die Chamer und Schwandorfer mehr von ihrem Gehalt“, urteilt der Nürnberger Regionalforscher Stefan Böhme. „Die Regionen mit niedrigen Einkommen sollten sich nicht abgehängt fühlen. Gehälter relativieren sich, wenn man sich die Region genau ansieht. Das kann für ein gutes Leben reichen.“

Lebensverhältnisse in den Landkreisen und kreisfreien Städten der MZ-Region:

Kathrin Kammermeier von der Regierung der Oberpfalz formuliert das so: Ein Indiz dafür, dass die Gleichwertigkeit der Lebens- und Arbeitsverhältnisse auch in den Räumen mit unterdurchschnittlichem Gehaltsniveau weitgehend erreicht worden ist, sei die Bevölkerungsentwicklung. Räume wie Cham und Schwandorf hätten in den vergangenen Jahren deutlich von Zuwanderung profitiert.

Forscher Böhme erinnert sich an den Anfang der 80er-Jahre, als Kötzting – heute ein Kurbad – als „Armenhaus“ bezeichnet wurde, weil im Winter 30 Prozent arbeitslos waren. „Gerade in der Oberpfälzer Ecke ist viel passiert. Die Region hat sich enorm entwickelt.“

Auch die Lebenszufriedenheit hängt nicht nur vom Einkommen ab. Der Psychosomatiker Professor Dr. Thomas Loew von der Universität Regensburg erwähnt lediglich eine Ausnahme. Wer arm ist, im wohlhabenden Bayern also nur 1000 Euro netto zur Verfügung hat, empfindet das als Katastrophe.

Die Billigjobs nehmen zu

Das sehen auch die Sozialdemokraten im bayerischen Landtag so. Sie kritisieren, dass die Tarifbindung kontinuierlich sinke, während die Zahl an prekären Beschäftigungsverhältnissen und Befristungen zunehme. Das Einkommensgefälle in Bayern prangern sie als „erschreckend groß“ an. Dies gehe aus der Antwort der Staatsregierung auf eine Anfrage von SPD-Arbeitsmarktpolitikerin Angelika Weikert hervor. „Bayern ist ein wirtschaftlich starkes Land, aber längst nicht alle profitieren davon“, fasst die Landtagsabgeordnete zusammen.

Laut Staatsregierung verfügt das einkommensschwächste Zehntel der Bevölkerung nur über 3,5 Prozent des Gesamteinkommens im Freistaat, das einkommensstärkste Zehntel hingegen über 23,8 Prozent – und damit fast sieben Mal so viel.

Der Freistaat muss die wirtschaftlich Schwächeren unterstützen, fordern die Sozialdemokraten, etwa mit öffentlich geförderter Arbeit und einer Stärkung der Tarifbindung. Erst kürzlich hat die Fraktion einen Dringlichkeitsantrag gestellt, den allerdings die CSU-Mehrheit ablehnte.

Zurück zur Zufriedenheit: Wer jeden Cent umdrehen muss, braucht Hilfe. Doch bei Leuten mit einem – bayerischen – Durchschnittsgehalt oder bis zu einem Bruttoverdienst von 6000 Euro hatProfessor Thomas Loew herausgefunden, dass sie ähnlich glücklich sind.Eine entscheidendere Rolle als das Geld spielen Engagement für andere, Freunde, Entspannung und die Fähigkeit, sich Hilfe zu holen, wenn man nicht weiterkommt.

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