Gesundheit
Der Abschied vom Chamer Knochenmann

Dr. Andreas Wittmann geht in den Ruhestand – nach 25 Jahren fast im Dauereinsatz für die Chamer Patienten und die Praxis.

28.12.2017 | Stand 16.09.2023, 6:17 Uhr

Er eine geht, der andere bleibt: Dr. Andreas Wittmann verabschiedet sich aus der OCZ-Praxis in Cham. Sein Wegbegleiter, der sichtlich geknickt dreinschaut, bleibt als Inventar und Anschauungsmaterial zurück. Foto: Klöckner

„Glück auf!“ – der Gruß der Bergleute, der gilt für ihn ganz besonders – da ist sich Dr. Andreas Wittmann sicher. Und das nicht nur, weil ihn sein Studium kurzzeitig nach Bochum führte. Seit er 1952 in Wilting zur Welt gekommen ist, scheint ihn das Gute regelrecht verfolgt zu haben: „Ein Leben lang habe ich immer viel Glück gehabt!“

Damit meint er auch seine 25 Jahre am Orthopädisch-Chirurgischen-Zentrum (OCZ) in Cham, das er zum Jahreswechsel mit 66 Jahren in den Ruhestand verlässt. Auch seinen Weg nach Cham führt er auf glückliche Momente zurück. Denn eigentlich war er Ende 1992 gerade dabei, einen Vertrag für eine Praxis in Marktredwitz zu unterschreiben. Da sei ein Anruf von Dr. Vetter gekommen, dessen Schwiegermutter seine Frau Maria in Wilting bei der Gymnastik traf. Deshalb sei Vetter immer im Bilde über ihn gewesen. „Auch das eine glückliche Fügung!“, meint der Orthopäde.

Moralische Zwickmühle

Das „Glücksgefühl“, das ihm sein Beruf häufig geschenkt hat, hatte er bis zuletzt. „Etwa, wenn der Patient mit den O-Beinen später vor einem steht und zehn Zentimeter größer geworden und dankbar dafür ist“, sagt er. Und glaubt man seinen Patienten, so war er einer der wenigen, die das Wort „Sprechstunde“ als Arzt noch wörtlich nahm. Er nahm sich Zeit für die, die da reingehumpelt kamen, mit dickem Knie oder lädiertem Knöchel. Und er nahm sich Zeit, für die, deren Leiden nicht auf den ersten Röntgen-Blick zu erkennen war. „Da kam immer eine Frau zum Kollegen Vetter, wegen besonderer Wunden an Händen und Füßen“, erzählt er. Sie sei eine begeisterte Anhängerin von Pater Pio gewesen und habe in ihrem Glauben wie er Jesus-Stigmata gehabt – zumindest habe sie das geglaubt, denn feststellbar sei nichts gewesen. Als Dr. Vetter im Urlaub war, kam sie zu ihm: „Erst stand ich ziemlich ratlos da. Dann habe ihr zugehört, sie hier und da therapiert.“

Der Segen nach der Behandlung

Es half wohl, denn am Ende der Behandlung habe sie ihn zu seiner Verwunderung gesegnet. „Sie ist immer wieder gekommen. Nach ihrem Tod fehlte mir ihr Segen irgendwie!“, sagt er. Im Umgang mit den Patienten

Zuhören und Zeit haben, das seien Dinge, die vielen Ärzten heute fehlen würden. „Die jungen Kollegen takten Behandlungen mit zwei bis fünf Minuten“, sagt Wittmann. Schuld trage die Politik, da nicht mehr die echten Nöte der Patienten abgerechnet würden, sondern nur pauschal die Fälle. Bei ihm sollte der Kranke immer das Gefühl haben, dass er nur für ihn da sei. Es gebe Patienten, die einen extremen Schmerz spürten, doch deren Röntgenbild jungfräulich sei. Da brauche es viel Reden und Gefühl.

Es brauche wieder eine ganzheitliche Sicht des Patienten, kritisiert er die Medizinerausbildung. Und mehr Empathie – ohne das sei ein Arzt kein Arzt, sondern ein Technokrat.

Wie weit das Vertrauen seiner Kranken zu ihm ging, habe ihm mal eine Patientin so beigebracht: „Wenn Sie mir den Kopf abschneiden, Herr Doktor, dann würd‘ ich mir das von Ihnen machen lassen. Denn ich wüsste ja, dass Sie alles richtig machen!“

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