MZ-Serie
Der anarchische Adlige

Helmfried von Lüttichau versuchte sich lange am Theater, ehe er durch Christian Tramitz zu seinem Durchbruch überredet wurde.

06.06.2017 | Stand 16.09.2023, 6:29 Uhr
Fred Filkron

Hubert und Staller – das sind Christian Tramitz und Helmfried von Lüttichau (rechts). Bild: ARD/TMG/Chris Hirschhäuser

Mit seinen schlaksig schlingernden Bewegungen erinnert Helmfried von Lüttichau an den liebenswert-schusseligen Grobi aus der „Sesamstraße“. Mit den erwartungsvoll aufgerissenen Augen will sein Polizeiobermeister Johannes Staller den Kollegen Hubert von den absurdesten Mordtheorien überzeugen. Geht es darum bei der holden Weiblichkeit zu punkten, ist ihm kein Liebeswerben zu peinlich. Dabei lugt dem ewigen Junggesellen das verwaschene T-Shirt unter der nachlässig gebundenen Dienstkrawatte hervor.

Als die BR-Serie „Hubert und Staller“ im November 2011 auf Sendung ging, fragte man sich, wer dieser geniale Schauspieler ist, der sich da neben Christian Tramitz so überzeugend zum Affen macht. Mit trockenem Humor und unkonventionellen Ermittlungsmethoden machten sich die beiden Chaos-Polizisten an skurrile Mordfälle, die Wolfratshausen zur deutschen Crime-Hauptstadt machten.

Tramitz kannte man aus diversen Bully-Herbig-Blockbustern. Doch Helmfried von Lüttichau war für die meisten Zuschauer ein unbeschriebenes Blatt. Der großgewachsene Mann mit der markanten Nase und dem schiefen Kinn hatte wohl in der einen oder anderen Fernsehserie mitgespielt. Auch in Kinofilmen wie „Ossi’s Eleven“ und „Wickie und die starken Männer“ war er zu sehen. Doch über unscheinbare Nebenrollen kam er selten hinaus.

Dann kam 2004 der Anruf von seinem alten Kumpel Christian Tramitz. Die beiden haben gemeinsam in Pasing das Gymnasium besucht und sind in Jugendjahren beste Freunde gewesen. Mit der Zeit hatten sie sich aus den Augen verloren. Tramitz suchte für seine ProSieben-Comedyshow „Tramitz and Friends“ einen geeigneten Sketchpartner, um als Jäger und Wilderer ein lautmalerisches Fantasiebayerisch aufzuführen. „Das kann nur der Lüttichau spielen“, dachte sich Tramitz. Die Idee, aus „den zwei Deppen“ eine Serie zu machen, hatte später ihr Produzent Oliver Mielke. Und so wurde aus Hubsi und Hansi aus den „Land der Berge“-Sketchen Hubert und Staller.

Zwischen Hendrix und Ahnengalerie

Von der ersten Folge an hatte man das Gefühl, dass bei „Hubert und Staller“ ein Team zusammenarbeitet, das sich richtig gut versteht und bei den Dreharbeiten seinen Spaß hat. „Wir zwei funktionieren nur, weil wir dermaßen hochwertig eingerahmt sind“, erklärt Tramitz. Der BR hatte seinen Mitarbeitern freie Hand gelassen und das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Schnell avancierte „Hubert und Staller“ zum Quotenhit, weitere Staffeln folgten. Anfang Juli läuft bereits die 100. Folge in der 6. Staffel. Im Durchschnitt schalten zwei Millionen Zuschauer ein, was für den ARD-Vorabend ein respektables Ergebnis ist.

Auf den beruflichen Erfolg hat von Lüttichau allerdings lange warten müssen. Nach seiner Schauspielausbildung an der Münchner Otto-Falckenberg-Schule hatte er es viele Jahre als ernsthafter Theatermime an wechselnden Bühnen versucht. Er wollte im dramatischen Fach reüssieren und wurde nicht glücklich. „Ich habe meine komische Seite lange verleugnet“, sagt er heute. Auch die starren Hierarchien und das Fremdbestimmtsein am Theater machten ihm zu schaffen. Er wollte nicht enden wie ältere Kollegen, die ihren Frust im Alkohol ertränkten.

Helmfried von Lüttichau, geboren 1956, wuchs in einer Zeit auf, als der Freiheitsgedanke besonders stark ausgeprägt war. In seinem Zimmer hingen Jimi Hendrix- und Doors-Plakate. Die Mutter arbeitete in einem antiautoritären Kindergarten. Obwohl adeliger Abstammung – sein voller Name lautet Helmut Friedrich Wilhelm Helmfried Graf von Lüttichau – hatte der junge Helmfried mit steifen Umgangsformen wenig am Hut: „Ich wollte immer proletarisch und unrasiert sein.“ Die Familie wohnte in einer normalen 1960er-Jahre-Mietwohnung, allerdings mit Ahnengalerie im Esszimmer. Sein Vater, trotz seiner Beamtentätigkeit beim Bundesnachrichtendienst ein Freigeist, forderte ihn auf: „Mach’, was dir Spaß macht.“ 1997 kehrte er dann schließlich dem Theater den Rücken, machte ein Bewerbungsband, nahm kleinere Rollen an und versuchte als Filmschauspieler neu durchzustarten.

Die Unordnung zieht ihn an

Darauf, dass Helmfried von Lüttichau kein gebürtiger Bayer ist, kommt man nicht so schnell, zu perfekt spielt er den bajuwarischen Kleinstadtpolizisten. Doch von Lüttichau kommt ursprünglich aus Norddeutschland. In Hannover geboren, ist er mit zwei Jahren nach Bremen gezogen. Als Siebenjähriger landete er im oberbayerischen Gilching, wo er sich mühsam Sprache und bayerischen Humor aneignen musste. Wobei von Lüttichau gerne Dialekt spricht. Neben Bairisch auch Hessisch (wie etwa in der Serie „Alles was recht ist“) und Deutsch mit italienischem Akzent.

Von Lüttichau wohnt heute mit seiner zweiten Frau Gabriela Raible, einer Hamburger Innenarchitektin und Produktdesignerin, in Schwabing. Nach einer anstrengenden Arbeitswoche zieht er sich gerne in seine Tiroler Ferienwohnung zurück. Er scheint heute ein zufriedener und glücklicher Mensch zu sein, nachdem ihn während seiner Theaterjahre so viele Selbstzweifel plagten: „Mit dem Erfolg von ‚Huber und Staller‘ habe ich zum ersten Mal in meinem Berufsleben keine Existenzängste mehr.“

Während seiner Zeit beim Theater hat er auch angefangen, Gedichte zu schreiben. Etwas, das einfach nur schön klingt und keinen Zweck erfüllen muss. Zehn Jahre haben sie in der Schublade gelegen, bevor er beim Münchner Lyrik-Kabinett einen Preis gewonnen hat. 2012 erschien sein Gedichtband „Was mach ich, wenn ich glücklich bin“. Bei Lesungen tritt er manchmal mit Ottfried Fischer auf, der ebenfalls Gedichte schreibt. „Es drängt mich immer wieder in die Unordnung, in das Anarchische und hin zur Freiheit“, erklärt von Lüttichau.