Porträt
Der Dirigent mit Takt und Teamgeist

Tetsuro Ban ist beim Publikum und bei den Orchestermusikern sehr beliebt. Das Bedauern ist groß: Er verlässt Regensburg.

05.01.2017 | Stand 16.09.2023, 6:31 Uhr
Michael Scheiner

Die Lücke, die nach dem Weggang des Dirigenten entstehen wird, ist groß. Foto: Florian Hammerich/Theater Regensburg

Die Begeisterung, die ausgelöst wird, wenn man auf Tetsuro Ban zu sprechen kommt, steht in umgekehrten Verhältnis zum Bekanntheitsgrad des Generalmusikdirektors. Seit sieben Jahren steht der 48-jährige Japaner aus der Kaiserstadt Kyoto an der Spitze des Philharmonischen Orchesters Regensburg. In dieser Zeit hat er sich einen sensationell guten Ruf erworben. Einzig und allein mit seiner Musik, die er mit dem Philharmonischen Orchester einstudiert und aufführt, hat er sich diese herausgehobene Wertschätzung erarbeitet.

Mit ihm und Yuki Mori, Chef der Tanzsparte, sind gleich zwei Spitzenpositionen am Theater Regensburg fest in japanischer Hand. Nicht mehr lange allerdings. Vor einiger Zeit hat Ban bekanntgegeben, am Ende der Spielzeit aufzuhören und nach Japan zurückzukehren. „Das ist sehr, sehr schade“, meint ein älterer Regensburger bedauernd, „er hat das Orchester enorm vorangebracht, hat es auf ein ganz neues Niveau gehoben.“ Ähnlich äußern sich viele Theatergänger, aber auch Musiker anderer Sparten.

„Der hat seine Musiker einfach mitgenommen“, beschreibt ein Jazzpianist seine Beobachtungen, „hat ihnen das Gefühl gegeben, dass sie mitreden und gestalten können“. „Die Leute sind begeistert von ihm“, schiebt ein anderer Bewunderer hinterher. Es ist ein zeitgemäßer Ansatz der Mitarbeiterführung, der vielem widerspricht, was man von „Diktatoren“ wie Herbert von Karajan noch in Erinnerung hat, und es ist ein fortschrittlicher Umgang mit anvertrauten Menschen, die Tetsuro Ban auszeichnen.

Der Dirigent hat einen kooperativen Stil

„Seine Musiker lieben ihn“, ist eine Einschätzung, die sich mit dem deckt, wie Ban selbst seine Arbeit beschreibt. „Als Dirigent“, zieht er lachend einen unerwarteten Vergleich, „bin ich kein Youtuber oder CD-Macher. Bei der Musik ist Fantasie wichtig, da zählt nur die Partitur“. Um zu erreichen, was für ihn in einer solchen Partitur von Mozart, Haydn oder Beethoven steckt, „müssen die Musiker in die gleiche Richtung blicken, wie der Dirigent“. Für Ban heißt das: „Ich muss sie auf meine Seite bringen“. Das gelingt ihm, „weil ich vielleicht schlau bin“, sagt Ban lachend – ohne eine Spur von Überheblichkeit.

„Wenn ich 100 oder 60 Köpfe um mich habe, sind immer welche darunter, die vielleicht eine bessere Idee haben, wie etwas gespielt werden könnte.“ Dabei sei es immer wieder passiert, dass er diese Ideen auch umgesetzt habe, gibt Ban zu. „Das ist doch besser, als durchzudrücken, was vielleicht nicht so gut ist, oder?“ Das müsse man dann auch „offen sagen“, meint Ban ruhig, obwohl er weiß, dass es im Opernbetrieb oftmals anders zugeht.

So etwas „wie bei Karajan“ gehe heute nicht mehr, bekräftigt er seinen kooperativen Stil. Natürlich seien beim Dirigieren „120 Prozent immer besser, als weniger“. „Für mich sind aber auch 90 Prozent in Ordnung, wenn man berücksichtigt, wieviel Zeit für Proben zur Verfügung steht und dass nicht jeder Musiker immer gleich fit sein kann“, sagt Ban.

Tetsuro Ban begann bereits mit vier Jahren, Klavier zu spielen

Obwohl Ban früh, mit vier Jahren, begann, Klavier zu spielen und auch als junger Mann schon dirigierte, schien der Generalmusikdirektor (GMD) für ihn keineswegs ausgemacht. Noch vor zwölf Jahren glaubte er, „ich bin nicht der Typ für eine solche Position“. Damals hatte er Engagements am Theater Brandenburg und an der Komischen Oper Berlin, wo er mit Harry Kupfer arbeitete und „viele spannende Inszenierungen erlebte – Naxos, Traviata, Mahagonny“.

In Wuppertal schubste ihn schließlich ein Kollege – „du musst GMD machen“ – in die neue Richtung und vermittelte ihn an eine Agentur. Da lebte Ban bereits fast eineinhalb Jahrzehnte in Europa. Hierher gekommen war er als Backpacker, als 22-jähriger Student, der sich Europa anschauen wollte, bevor er sein Studium im Heimatland fortsetzt. Bepackt mit zwei Rucksäcken, einer hinten und einer vorne, kam er nach Österreich.

„Bei der Musik ist Fantasie wichtig, da zählt nur die Partitur.“Tetsuro Ban

In Wien wollte er seine Ferien nutzen und an einem zweiwöchigen Sommerseminar, einem Dirigierkurs, teilnehmen. In Japan habe er als Assistent „ein bisschen dirigiert“, erzählt er bescheiden in seinem vollgestellten GMD-Zimmer unter dem Dach des Theaters Regensburg mit Blick über den Bismarckplatz. Deshalb habe er sich schlicht als „Amateur-Judo-Spieler“ unter Europäern gesehen, die nach seiner Einschätzung viel weiter gewesen waren. „Ich musste Harakiri machen“, beschreibt er lachend sein Gefühl vor einem Probedirigat. Bis heute sei es für ihn ein „Samurai-Weg“ bis zu Beethovens 8. oder der Haydn-Sinfonie in der Version, die dieser in Oxford geschrieben habe.

Zurück nach Japan – und wieder nach Wien

Den Kurs in Wien verließ er mit dem Angebot für ein Studium an der renommierten Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Ban konnte kein Deutsch. „Ich war mutlos und wollte erst noch einmal nach Japan“, erzählt er offen. Ban flog also zurück und begann abzuwägen: Was spricht dafür, was dagegen? Nicht lange danach saß er wieder im Flieger – auf nach Wien! Einen Monat lang machte er einen Deutsch-Crash-Kurs und nahm bereits im Juli 1990 an einem Meisterkurs teil, bevor er sich an der Uni einschrieb. Zwei Jahre studierte er bei Karl Österreicher, am Ende folgte ein Probedirigat in Biel in der Schweiz, das er mit Bravour absolvierte.

Seine drei kleinen Kinder wachsen zweisprachig auf

Daneben nahm er an Wettbewerben teil, gewann beim Dirigentenwettwerb im französischen Besançon den ersten Preis und wurde daraufhin von renommierten Orchestern in Marseille, Toulouse und Nancy eingeladen. Es folgten Engagements in halb Europa. So debütierte er bei den St. Petersburger Philharmonikern, beim Museumsorchester Frankfurt, beim Tonkünstler-Orchester Wien und beim Luzerner Sinfonieorchester. Parallel zu den Aufträgen in Europa wurde Ban zunehmend auch von großen Sinfonieorchestern Japans zu Konzerten und Musiktheaterproduktionen eingeladen.

In der Saison 2002/2003 wurde er erstmals von der Volksoper Wien und in Basel als Gastdirigent engagiert. Ab 2005 dann die erste GMD-Stelle beim Landestheater Eisenach, schließlich folgte Regensburg. Als er mit seiner Frau hierherkam, hatten die beiden bereits ein Kind, Tochter Honoka. Heute ist sie neun Jahre alt und geht in die Grundschule. Wie auch ihre beiden Geschwister, die in Regensburg geborene Akari (6) und der dreijährige Takuro, wächst sie zweisprachig auf. In den Ferien ist Ban mit der Familie beim Camping, fährt mit den Kindern raus in die Natur und die Berge. Zum Skifahren kommt er kaum noch. Manchmal dürfen die Kinder bei seinem Hobby mitmachen, wenn er neben offiziellen und familiären Verpflichtungen überhaupt noch Zeit dafür findet.

Die Modelleisenbahn wird wohl bald verkauft

Zuhause hat er eine 9-Millimeter-Spur- Eisenbahn stehen, mit allem drum und dran. Ban wird sie wohl verkaufen, bevor es zurück nach Japan geht. Mit der Rückkehr in die japanische Heimat folgt er einem Wunsch seiner Frau, die möchte, dass die Kinder in Japan in die Schule gehen. Ban selbst würde gern länger in Europa bleiben, ohne das offen auszusprechen. Er wolle „weiter in Wien dirigieren“, unterstreicht er. Auch in Japan könne er künftig mehr gute Aufträge annehmen. Nachdem sein Vater mit 64 Jahren gestorben sei, denke er zudem vermehrt darüber nach, was er noch alles Neues anpacken könnte.

Der Text ist eine Leseprobe aus der Sonntagszeitung, die die Mittelbayerische exklusiv für ePaper-Kunden auf den Markt gebracht hat. Ein Angebot für ein Testabo der Sonntagszeitung finden Sie inunserem Aboshop.