Menschen
Der erste Tankwartlehrling der Stadt

Der Benzinpreis stand bei 56 Pfennig: Franz Auburger startete 1952 in der Großtankstelle Thurn und Taxis ins Arbeitsleben.

18.04.2015 | Stand 16.09.2023, 7:07 Uhr |
Helmut Wanner
Franz Auburger mit seinem zweiten Fiat. Von 1952 bis 1972 war er in der Landshuterstraße 10 für Tanken, Waschen, Schmieren und Ölwechsel zuständig. − Foto: Sammlung Auburger

„Die Drei von der Tankstelle“ mit Walter Giller und Willi Fritsch kamen 1955 in die Kinos. Und Franz, Hans und Fritz fühlten sich ein wenig wie sie, ein wenig wie Stars. Bayern war ein Himmelreich für Amis. Acht Halbe Bier kosteten einen Dollar. Der Dollar stand bei vier Mark und die Halbe kostete 50 Pfennige. Und die Amis waren Stammkunden. Man durfte „Ami-Schicksen“ sagen und ein dunkelhäutiger Mann war ein „Neger“. Der Liter Benzin kostete 56 Pfennig. Er wurde mit Charme per Hand gezapft, mit sauberer Windschutzscheibe, Ölstand- und Reifendruckmessung als Dreingabe.

„Es war eine schöne Zeit.“ Franz Auburger redet gerne über die Anfänge des motorisierten Nachkriegs-Regensburg. Er ist Zeitzeuge und Benzin-Pionier. „An der Tankstelle wird ja nur noch kassiert“, sagt er. Drei Mal am Tag gehen die Preise rauf und runter. „Bei uns wär das nicht gegangen. Wir mussten ja jedes Mal mit der Leiter raus.“

Franz Auburger ist im Dezember 1937 geboren. Bei der Mittelbayerischen Zeitung kam er mit seiner Bewerbung zwei Wochen zu spät. Die Lehrstellen als Schriftsetzer waren weg. Im September 1952 hatte ihm das Arbeitsamt geschrieben, er solle sich bei der Fürstlichen Rentkammer am Emmeramsplatz vorstellen. Die suchten einen Lehrling für ihre Großtankstelle draußen in der Landshuterstraße. Nach einer mündlichen Prüfung, die in seiner Erinnerung darin bestand, ob er 3 und 3 zusammenzählen könne, hat ihn Amtmann Bräu eingestellt. In diesem Jahr wurde Tankwart als Lehrberuf anerkannt. „Ich war der erste Tankwart-Lehrling der Stadt Regensburg“.

Mit dem Radl Marke „Vaterland“ ist er vom Hummelhaus in der Schäffnerstraße, der Wohnung seiner Eltern, ans östliche Ende der Stadt gestrampelt – hinaus ins Grüne. Seine späteren Schwiegerleute hatten am Ostbahnhof einen Schrebergarten, gleich hinterm beschrankten Bahnübergang. Sein Tankwart-Album dokumentiert die Zeit, als die Linie 1 zwischen Prüfening und Pürkelgut verkehrte. Die rechte Spur der Landshuterstraße stadteinwärts war für sie reserviert. An der Endstation musste sie über ein Ausweichgleis rangieren.

Der Pürkelguter Keller war kein Schandfleck, sondern unter Fritz Bergmüller ein gefragtes Ausflugslokal der Regensburger. Es war die Zeit, als die „Nilson Brothers“ auf der Bühne standen. Auburgers verstorbene Frau ist vor seiner Zeit einmal kurz mit dem Chef Pepe Ederer gegangen, bis sie feststellen musste, dass die berühmte Zeile gelogen war: „Aber dich gibt’s nur einmal für mich.“

Amerikanisch nebenbei gelernt

Männer wie der Auburger Franz haben früher die Wirtshäuser gefüllt, heute muss man sie suchen. Er hat die Klarenanger-Schule absolviert und an der Hochschule des Lebens studiert, Studienfach Amerikanistik. An der Tankstelle in der Landshuterstraße 10, bei Fort Skelly und neben den Ami-Blocks, hat er akzentfrei amerikanisch gelernt. Auburger spricht noch heute gedehnt von „Carwash“ und „Tire-Change“. Auf dem Gelände der Großtankstelle verkaufte „Charly’s Giftshop“ Kuckucksuhren und lauter so ein Zeug. „Kindische Hundt san’s scho, die Amis.“

Seine Erinnerungsstücke liegen in einer Stadtbau-Wohnung in der Friedrich-Ebert-Straße. Für den Mann von der Tankstelle bleibt „Klein-Moskau“ sein Klein-Manhattan. Der Turm von St. Paul schaut ihm durchs Wohnzimmerfenster herein. Er revanchiert sich. Zum Pfarrer hat er gesagt. „I kann Eahna fei ins Schlafzimmerfenster reinschauen. Aber Sie liegen immer alloa drin.“ Die losen Reden hat er an der Tankstelle gelernt.

Er bellt, aber beißen tut er nicht. Den Ministranten aus der Zeit bei den Karmelitern von St. Josef am Kornmarkt konnte und wollte Franz Auburger nicht ablegen. Eine blonde sächsische Ami-Braut hat ihn eingeladen, als ihr Mann auf Manöver war, auf einen Sprung rüberzukommen und ihren neuen Bettvorleger zu besichtigen. Der Auburger Franz hat’s getan, aber war nach drei Minuten schon wieder an der Tankstelle, so dumm wie er war oder so prinzipientreu. „Verheiratete Frauen waren für mich tabu.“

Das ist alles lange her. Und sein Essen kommt auf Rädern, bei denen er nicht mehr den Reifendruck prüfen muss. Aber auf Rädern muss es sein. „Ich bin mit Benzin aufgewachsen“, bekennt er. Der kinderlose Witwer lebt im dritten Stock dieses Hochhauses in Königswiesen Nord. Seine Familie ist der SSV Jahn Regensburg. Er hat eine Dauerkarte und einen Stammtisch in der Jahntribüne. Hans Meichel, die Jahn-Legende aus der Gericke-Straße, begrüßt ihn nach dem Spiel. Sein anderer Stammtisch ist der von den Ehemaligen der Brauerei Thurn und Taxis, wo er sein Tankwartleben 1998 an der Pforte beschloss.

Manche beim Jahn kennen ihn noch als Tankwart. Es war ihm eine Ehre, die Autos der Spieler umsonst zu warten. Im Overall stand er persönlich am Zapfhahn. Die Tanksäule war in Grün-Weiß, den Farben von „British Petroleum“, BP. T&T eröffnete diese erste Großtankstelle Regensburgs, bei der elektrisch getankt und nicht mehr per Hand gepumpt werden musste.

„Der Fürst war ja lebenslang mein Arbeitgeber, und kein schlechter“, sagt er. Fürst Johannes war noch Prinz, als er mit seinem „Ford Continental“ zum Waschen vorfuhr. Auburger spricht das Continental so aus, als kaue er dabei einen Chewing Gum. Johannes von Thurn und Taxis drückte ihm drei Münzen in die Hand: Dafür hat er sich tief verbeugt. Als er die Faust aufmachte, war da auch ein Franc dabei.

Das französische Geldstück mit dem gallischen Hahn gehört zu seinen persönlichen Schätzen. Es ist ein Franc vom Fürsten. Auburger wurde in einer Zeit groß, als die Regensburger vom Trottoir gingen, wenn ihnen Fürst Albert auf seinem Spaziergang entgegenkam. Nicht, weil sie ihn nicht leiden konnten, sondern aus Ehrfurcht.

„Die lustigste Tankstelle der Stadt“

Die Zeit hat heute keiner mehr. Die Welt ist schnell geworden. Der Tag an einer Tankstelle dauert in der Regel 24 Stunden und das sieben Tage die Woche. Ein Tankwart befüllt Regale, bäckt gefrorene Teig-Rohlinge auf und kassiert. Franz Auburger hat von Öl- bis Reifenwechsel alles rund ums Auto gelernt. Die Autos wurden beim Waschen per Hand abgeledert.

Die Arbeit machte ihm Spaß, soviel Spaß, dass seine Frau, eine Verkäuferin beim Horten, einmal sagte: „Ihr habt’s doch die lustigste Tankstelle der Stadt. Da wird ja bloß gespachtelt und getankt.“ Verpflegt haben sich die Drei von der Tankstelle selber. Am Samstag, dem Großkampftag, gab es Spanferkel vom Dräxlmaier in der Nürnbergerstraße 321. Getankt wurde fürstliches Märzengold mit Schnappverschluss und Bourbon, den man billig von den Amerikanern bekam. „Wie oft hab ich Benzin gschluckt!“, sagt Auburger zur Entschuldigung. „Wenn einer nicht zahlen konnte, musste einer mit dem Schläuchl ran und anzutzeln, bis das Benzin wieder aus seinem Tank lief. Da hamma halt mit Whisky nachgschwemmt.“

Artikel kommentieren