Tradition
Der Kultladen von Gostenhof

Cornelius Wankel geht zwar in Ruhestand, der Farbenladen mitten im hipsten Stadtviertel Nürnbergs bleibt aber bestehen.

05.06.2019 | Stand 16.09.2023, 5:40 Uhr

„Farben halten frisch“: Cornelius Wankel (67) in seinem kultverdächtigen Farbenfachgeschäft im Nürnberger Stadtteil Gostenhof. Foto: Pelke

In seinem blauen Kittel streift Cornelius Wankel durch den kleinen Laden mit den vollen Regalen. Durch den grünen Hinterhof im Nürnberger Stadtteil Gostenhof steuert derweil Roland schnurstracks auf die Ladentür zu. „Ich brauche ein paar Pinsel und ein paar Holzfarben. Ich komme schon seit Jahren zum Streiberger. Die Auswahl und die Beratung ist hier einfach ausgezeichnet“, sagt Roland und verschwindet mit Cornelius Wankel in den Tiefen des kleinen, aber feinen Fachgeschäfts.

Die Kundschaft honoriert offensichtlich Auswahl und Beratung. Nicht von ungefähr sahnt der „Streiberger“ bei den nicht unwichtigen Google-Rezensionen im Internet die Bestnote ab. Ein User lobt den schön versteckt gelegenen Laden mit folgenden Worten: „Kompetenz und Freundlichkeit. Auch die Preise sind moderat. Ich kaufe hier seit Jahren und bin stets zufrieden. Eine Perle im Fachhandel!“ Bei den Google-Bewertungen bekommt der „Streiberger“ die vollen fünf von fünf möglichen Punkten.

Mit seinem Farbengeschäft residiert Cornelius Wankel mitten im Hipster-Viertel. Nirgendwo sonst ist Nürnberg derzeit wohl so angesagt wie rund um den Petra-Kelly-Platz in Gostenhof. Hier das Café Mainhain, dort der Burger Hempel und mittendrin der Streiberger als traditionelles Rückgrat der bunten Krämerlandschaft in der Bauerngasse.

Keine Parkplätze, aber Bienen

Das angesagte Flair und die urbane Schönheit hat nur einen Haken. Parkplätze gibt es beim Streiberger nicht in Hülle und Fülle vor der Ladentür. Dafür gibt es echte Bienen im Innenhof. Sonja Hofer-Wankel, die Frau an der Seite des Firmenchefs, kümmert sich seit Jahren um die fleißigen Insekten. „Wir haben hier zwei Bienenvölker. In einem Monat ist der Gostenhof-Honig fertig“, freut sich die stolze Bienenmutter und erzählt, dass immer mehr Ladenkunden neben den Farben und Lacken auch einen echten Bienenhonig aus dem angesagten Gostenhof mit nach Hause nehmen wollen.

„Früher gab es hier keine Lofts, keine Hipster und kein Zeuch und Woar.“Cornelius Wankel

Die Wankels können sich noch an die alten Zeiten erinnern. „Früher gab es hier keine Lofts, keine Hipster und kein Zeuch und Woar“, erinnert sich Cornelius Wankel an die Anfangszeiten zurück. Hautnah haben die Wankels den Strukturwandel vor ihrer Haustüre miterlebt. Wo heute die Hipster mit ihren Laptops und Latte macchiatos abhängen, hätten früher die Stammkunden von der Heilsarmee herumgelungert. Vor 30 Jahren seien die Leute noch Schlange gestanden vor dem Streiberger, um sich die städtisch subventionierten Heizöl-Rationen für den Ofen abzuholen. „Jetzt ist hier alles in. Aber uns gefällt es, dass die jungen Familie hier bleiben und nicht ins Umland ziehen, sondern sich überall kleine Oasen in der Stadt schaffen“, schwärmen die Wankels von dem neuen Leben und dem modernen Treiben in der Nachbarschaft.

Für den Zeitgeist hätte Cornelius Wankel seine Überzeugungen niemals aufgeben wollen. „In einem Baumarkt zu arbeiten, wäre für mich nie in Frage gekommen.“ Dort gehe es doch nur ums Verkaufen, ist sich Cornelius Wankel sicher. Beim Streiberger geht es dagegen eher um handwerkliche Nächstenliebe als um wirtschaftlichen Profit. Mit einer falschen weil eilig aufgeschwatzten Tinktur verlässt beim Streiberger wohl kaum jemand die Ladentür.

Geschichte geht weiter

Cornelius Wankel ist umso glücklicher, dass die Geschichte des „Streiberger“ mit ihm nicht zu Ende geht. „Ich freue mich, dass ich mit Çala Küçük eine gute Nachfolgerin für den Laden gefunden habe.“ Die Nachfolgerin freut sich ihrerseits über das Vertrauen, dass der scheidende Chef in seine ehemalige Auszubildende setzt. „Das wäre auch wirklich zu schade, wenn der Laden hier zumachen würde“, findet Küçük.

Zum Ende des Jahres will der bald 68-Jährige die Arbeit an den Nagel hängen. Ganz in den wohlverdienten Ruhestand will sich Wankel aber nicht verabschieden. „Wenn ich darf und mich die neue Chefin lässt, würde ich gerne noch ein bisschen auf 400 Euro-Basis weiterarbeiten“, sagt Wankel und erntet ein herzliches Kopfnicken.

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