MZ-Serie
Der Mann, der den Schlager hasste

Roy Black wurde für Schnulzen wie „Ganz in weiß“ geliebt. Doch Gerd Höllerich wollte eigentlich ein Rock’n’Roller sein.

16.06.2015 | Stand 16.09.2023, 7:10 Uhr
Der letzte große Erfolg: In der Fernsehserie „Ein Schloss am Wörthersee“ spiele Roy Black einen Hotel-Chef. −Foto: dpa

Es ist keine Liebe. Nicht auf den ersten, auch nicht auf den zweiten Blick. Als dem jungen Augsburger Musiker Gerhard Höllerich von Polydor-Produzent Hans Bertram das Lied „Ganz in weiß“ angeboten wird, antwortet der impulsiv: „Den Scheiß singe ich nicht.“ So ist es zumindest überliefert. Es ist das Jahr 1966 und Gerhard Höllerich will ein Rock’n Roll-Star werden. Er nennt sich Roy Black – nach seinem Vorbild, dem Sänger Roy Orbison – und wegen seiner schwarzen Haare. Doch mit englischen Titeln klappt es nicht. Der Schwabe, der für eine Musikkarriere sein Betriebswirtschaftsstudium abgebrochen hat, geht ins Studio – und singt schließlich doch „Ganz in weiß“, auch wenn er sich damit nicht identifizieren kann. Es ist der Moment, ab dem Gerd Höllerich und Roy Black eigenständige Leben führen. Der strahlende Fernsehstar, dem Millionen Frauen zu Füßen liegen und auf der anderen Seite der von Selbstzweifeln und Depressionen geplagte Privatmann, der zunehmend dem Alkohol verfällt. Das kostet viel Kraft und endet schließlich tragisch.

Das Image des Schnulzensängers

Das Leben des Schlagerstars, dem wie keinem anderen Sänger das Image des Schnulzensängers anhaftete, war wie eine Achterbahnfahrt. Geboren 1943 in Straßberg bei Augsburg, wollte der älteste Sohn eines Kaufmanns nach dem Abitur eigentlich Biologie studieren, entschied sich dann aber aus finanziellen Gründen für das Fach Betriebswirtschaft. Nebenbei verdiente er Geld mit der Rock’n’Roll-Band Roy Black an his Cannons. Die Trennung kam, als ein Musikproduzent auf den gut aussehenden Sänger aufmerksam wurde. Mit der Single „Du bist nicht allein“, lieferte Roy Black seinen ersten Achtungserfolg. Das Lied erreichte Platz 4 hinter den Rolling Stones, den Byrds und den Rainbows. Mit der Single „Ganz in weiß“, das heute noch jede Tanzkapelle für den Brauttanz im Repertoire hat, machte sich Roy Black schon kurz darauf bei seinen Fans unsterblich. Rund 2,5 Millionen Singles wurden verkauft. Platz 1 in den Charts.

Auch das Fernsehen fand schnell Gefallen an dem Mädchenschwarm und machte aus ihm und Uschi Glas das neue Traumpaar. In Komödien wie „Hilfe, ich liebe Zwillinge“, „Kinderarzt Dr. Fröhlich“ oder den beliebten „Pauker“-Filmen tat Roy Black das, was von ihm erwartet wurde. Er schaute melancholisch in die Kamera und durfte zwischendurch ein paar Lieder anstimmen. Das Publikum liebte diese seichte Unterhaltung.

Doch ab Mitte der 1970er Jahre verließ ihn zunehmend der Erfolg. Eine Theatertournee floppte, Rollenangebote blieben aus, ein Hit wollte sich nicht mehr einstellen. Roy Black nahm jede Auftrittmöglichkeit wahr, selbst in Bierzelten und auf Firmenfeiern. Er spielte Konzerte, in denen keine 50 Zuhörer anwesend waren.

Aber zumindest privat, so schien es, hatte Gerd Höllerich sein Glück gefunden, wenngleich die weiblichen Fans darüber wenig erfreut waren. 1974 heiratete er das Fotomodell Silke Vagts. Zwei Jahre später wurde Sohn Torsten geboren. Das Kind bedeutete ihm sehr viel. In einem Fernsehinterview brach der Sänger einmal in Tränen aus, als er darüber sprach, dass er zu wenig Zeit für seinen Sohn habe. „Das will ich unbedingt ändern.“ Torsten Höllerich, der heute in Kolumbien lebt, litt, wie er kürzlich in einem Interview mit der Illustrierten „Bunte“ gestand, unter der schwierigen Beziehung: „Der Teil, der Gerhard Höllerich war, der das Leben auf dem Land liebte, das Angeln und Grillen, hat mir sehr viel gegeben. Der Vater der mit Liebe kochte, gern auf der Wiese herumtanzte und ansteckend lachen konnte, war ein Vater von dem ich mir vieles abgeguckt habe. Aber der Teil, der Roy Black war – sehr auf sich bezogen, nur um vor seinen Fans gut dastehen zu können –, den mochte ich nicht immer und überall gern.“ 1985 wurde Roy Black geschieden. Der Sohn blieb bei der Mutter, die sich später das Leben nahm. Roy Black bekämpfte den Kummer mit Wodka und Tabletten.

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Nach einer schweren Herzoperation ging es noch einmal bergauf. Aber es war wieder ein verhasster Schlager, der ihm eine Platzierung in den Charts brachte. „Die Schnulzen waren Roy Black. Die hatten mit Gerhard Höllerich nichts zu tun“, sagte der Künstler einmal selbst in einem Interview 1988. Manchmal spottete er sogar über sich selbst, erinnert sich der Filmproduzent Karl Spiehs: „Dann riss er den Witz: Wie bekommt man das Gehirn eines Schlagersängers auf Erbsengröße? – Einfach aufblasen.“

Spiehs war es, der Roy Black die große Comeback-Chance gab. Er holte den Sänger, der kein ausgebildeter Schauspieler war, für die Hauptrolle in der Serie „Ein Schloss am Wörthersee“ vor die Kamera. Als Hotel-Chef Lennie Berger bescherte er dem Privatsender RTL bei dessen erster in Auftrag gegebener Produktion hohe Einschaltquoten.

Drei Promille im Blut

In der Öffentlichkeit trat der Künstler Anfang der 1990er Jahre wieder selbstbewusst auf. Er hatte eine neue Lebensgefährtin, ein Kind war unterwegs. Die Zeiten, in denen er mit Alkoholexzessen und Horrorauftritten, bei denen er torkelnd von der Bühne wankte, Schlagzeilen machte, schienen vorbei. „Der kleine Wurm könnte mein Leben verändern. Meine Sehnsucht nach dem Kind ist riesengroß. Es ist für mich der einzige Sinn des Lebens. Deswegen habe ich ja zeitweise so höllischen gesoffen, weil ich sonst keinen Sinn in meinem Leben sehe“, sagte der Künstler in seinem letzten Interview 1991.

Am 9. Oktober 1991, drei Wochen nach der Geburt seiner Tochter Nathalie, wurde Roy Black tot in seiner Fischerhütte in Heldenstein bei Mühldorf am Inn aufgefunden. Die Ärzte diagnostizierten Herzversagen. In seinem Blut wurden drei Promille Alkohol festgestellt. „Wer ich wirklich bin, dafür hat sich doch nie jemand ernsthaft interessiert. Ich war eine Marionette.“, sagte der Künstler über sein Leben. Gerhard Höllerich, der nie Roy Black sein wollte, wurde nur 48 Jahre alt.