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Der Neonazi-Terror vor Gericht

Die beiden Journalisten Oliver Bendixen und Roland Englisch berichteten in Regensburg über fünf Jahre NSU-Prozess.

09.03.2018 | Stand 16.09.2023, 6:15 Uhr
Florian Sendtner

Oliver Bendixen (l.) und Roland Englisch im Regensburger Presseclub Foto: Pfeifer

Auch versierte Prozessbeobachter wissen oft nicht mehr, wie viele Befangenheitsanträgeim Münchner NSU-Prozessinzwischen schon gestellt wurden. Roland Englisch, der für die Nürnberger Nachrichten von Anfang an dabei ist, hat sich die Mühe gemacht, mitzuzählen: Er kommt auf 40. Einer der vielen Superlative des Mammutprozesses gegen Beate Zschäpe und vier ihrer Helfershelfer, der im Mai 2013 begann und bei dem demnächst die Verteidigung mit ihren Plädoyers beginnt.

Der anfängliche Medienrummel hat sich nach über 400 Verhandlungstagen längst verflüchtigt. Doch dem Regensburger Presseclub, der neben Roland Englisch den BR-Reporter Oliver Bendixen eingeladen hatte, über ihreErlebnisse im Gerichtssaalzu berichten, bescherte das Thema ein volles Haus und eine angeregte Diskussion, moderiert von Uli Böken und Kilian Neuwert. „Wie lang dauert denn das noch?“, „Wird’s da jemals ein Urteil geben?“ Noch vor Beginn der Veranstaltung prasseln bereits die meistgestellten Fragen auf die beiden Referenten ein. Dafür, dass der Prozess nun schon bald fünf Jahre dauert, ist natürlich in erster Linie die lange Latte von Kapitalverbrechen verantwortlich, die im Schwurgerichtssaal A 101 an der Münchner Nymphenburgerstraße verhandelt werden.

Es gibt rund 90 Nebenkläger

Die terroristische Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund“ wird beschuldigt, in den Jahren 2000 bis 2007 zehn Morde begangen zu haben, zudem zwei Bombenanschläge und 15 Raubüberfälle. Angesichts der Vielzahl der Opfer (allein der Nagelbombenanschlag auf die Kölner Keupstraße 2004 forderte zwei Dutzend Verletzte) gibt es im NSU-Prozess entsprechend viele Nebenkläger; Roland Englisch nennt die Zahl 90. Die Verschleppung gehe indes hauptsächlich auf das Konto der Verteidigung, die einen Befangenheitsantrag nach dem anderen stelle. Englisch: „Die versuchen einfach, irgendwas zu konstruieren.“

Verzögerung durch Juristenscharmützel

Und Oliver Bendixen ergänzt: „Oft wird nur eine halbe Stunde am Tag wirklich verhandelt“ – der Rest der Zeit vergehe mit Juristenscharmützel. Der Grund hierfür: Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl, dem Bendixen „eine sehr souveräne Prozessführung“ bescheinigt, nehme jeden Einspruch ernst, um den Prozess nicht im Nachhinein anfechtbar zu machen. Roland Englisch: „Götzl gilt als ausgesprochen revisionsfest.“ Unbestreitbar ist für Roland Englisch, dass der NSU nur deshalb jahrelang unbehelligt morden konnte, „weil sich die Polizei bei ihren Ermittlungen von den eigenen Vorurteilen leiten hat lassen“.

„Götzl gilt als ausgesprochen revisionsfest.“Roland Englisch, Reporter der Nürnberger Nachrichten über den Vorsitzenden Richter im NSU-Prozess

Öffentlichkeit und Medien sind fast ausschließlich auf die Hauptangeklagte Beate Zschäpe fixiert. Roland Englisch hingegen hat über die vier Mitangeklagten hinaus auch noch ein „Netzwerk von NSU-Unterstützern“ im Blick, ohne die das Kerntrio, bestehend aus Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos, niemals so „erfolgreich“ hätte sein können. DiesesNeonazi-Netzwerkwar nach Englischs Überzeugung „wesentlich dichter, als es die Bundesanwaltschaft zuletzt auch in ihrem Plädoyer wahrhaben wollte“.

Stiller Unterstützer in Nürnberg

Eines von vielen Indizien dafür: Das berüchtigte Bekennervideo, das im November 2011 nach dem Auffliegen des NSU verbreitet worden war, ging bei den Nürnberger Nachrichten nicht per Post ein, sondern wurde persönlich eingeworfen – von einem der stillen Unterstützer, die der NSU in Nürnberg hatte.

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