Interview
Der Promifriseur mit Weltmeistertitel

Schon Helmut Eiseles Vorfahren waren Friseure. Ihm war immer klar: Er wollte besser sein als alle anderen.

25.05.2017 | Stand 16.09.2023, 6:32 Uhr
Renate Ahrens

Helmut Eisele mit seinen beiden Mopsdamen Donny und Sandy. Foto: Ahrens

Wenn du so gut werden willst wie dein Vater, musst du Gas geben.“ Diesen Satz eines Kunden hat sich Helmut Eisele als junger Lehrling eingeprägt – und diese Aussage hat ihn auch gehörig angespornt. „Mein Vater war Vizeweltmeister der Friseure. Also wollte ich Weltmeister werden“, sagt Helmut Eisele und freut sich heute – mit 46 Jahren – noch diebisch, dass er das bereits im Alter von 28 Jahren geschafft hat. „Eher habe ich keine Ruhe gegeben.“ Trotz allem ist der Friseurmeister bodenständig geblieben. Seit vielen Jahren steht er täglich in seinem Laden in Regensburg nah an der Steinernen Brücke. Hautnah am Kunden zu sein, mit „ganz normalen Menschen“ zu tun zu haben, das gefällt ihm am besten.

Models in der Flugzeugtoilette frisiert

Helmut Eisele hat aber auch schon die andere, die Glamour-Seite, seines Berufes kennengelernt. „Die Weltmeisterschaft in der Olympiahalle in Seoul haben 270000 Menschen verfolgt. Dabei im Zentrum zu stehen, ist schon ein Erlebnis. Viele meiner Kollegen haben danach den Absprung nicht geschafft und nicht mehr in den Alltag zurückgefunden“, erzählt er. Auch ihm sei das nicht leichtgefallen. „Das ist so wie bei den Spitzensportlern. Drei oder vier Jahre sind sie Stars, dann fallen sie in ein Loch“, resümiert der 46-Jährige, der nach Seoul einige Jahre lang um die Welt jettete. Er trat bei Frisurenschauen auf, wurde bei Modenschauen gebucht und war beim Fernsehen tätig. Eine schnelllebige, sehr intensive Zeit sei das gewesen. „Für zwei Tage mal für eine Frisurenschau nach Japan zu fliegen, war nichts Besonderes. In der Flugzeugtoilette habe ich bereits angefangen, den Models die Haare zu schneiden.“ Vier Jahre lang war Eisele außerdem beim ZDF-Fernsehgarten für die Frisuren zuständig. Viel habe er erlebt hinter den Kulissen. Aus dem Nähkästchen plaudert er trotzdem nicht so gern. „Die meisten Promis sind ganz unkompliziert und relaxt“, winkt er ab. Spannend sei es schon gewesen, mit allen Nationen zu tun zu haben, viele Länder zu sehen. Doch von einem Konzern abhängig zu sein, das sei nicht sein Ding gewesen. Auf eigenen Beinen wollte er stehen, wie schon sein Vater und sein Großvater. Denn aus dem Schatten dieser beiden Vorbilder zu treten, das sei nicht einfach. Und das war auch schon dem ganz jungen Helmut Eisele klar: „Was willst du mal werden? Auf diese Frage hieß es immer prompt: ,Natürlich wird der Bub Friseur.’ Zu mir sagte mein Vater immer, das bräuchte ich gar nicht überlegen.“ Geschwister hat Eisele nicht, somit kam ohnehin nur er als Nachfolger in Frage.

„Für mich zählen meine treuen Kunden mehr als die Stars.“

Eine richtige Friseurfamilie sind die Eiseles bis heute, „Vollblutfriseure“, wie er sagt. Helmut Eisele ist bereits die fünfte Friseur-Generation. Sein Großvater war der letzte approbierte Bader in Kösching bei Ingolstadt, wie vorher auch schon dessen Vater und Großvater. „Wir haben noch eine Preisliste von früher. Die Bader mussten Zähne ziehen, kleine Operationen durchführen, Blutegel setzen, Gelenke einrenken, aber auch Leichenschauen durchführen. Die Rasur war Nebensache und stand ganz unten auf der Liste.“ Nur am Samstag und Sonntag seien die Bauern zum Friseur gegangen und hätten sich rasieren lassen. Daher käme bei den Friseuren auch der freie Montag. „An diesem Tag mussten die Rasiermesser geschliffen werden. Das weiß heute niemand mehr“, sagt Eisele, der sich noch gut an die Erzählungen des Großvaters erinnern kann. Dieser sei noch an seinem letzten Lebenstag im Laden gestanden und hätte gearbeitet. 85 Jahre alt wurde er. Eiseles Vater ist heute 69 Jahre und denkt ebenfalls nicht ans Aufhören.

Gerne erinnert Helmut Eisele sich an seine Lehrzeit zurück. Geprägt hätten ihn diese Jahre. „Damals gab es ja noch getrennte Herren- und Damensalons. Als Lehrling bekam man die Schere in die Hand gedrückt und es hieß: ,Fang mal an zu schneiden.’ Der Vater oder der Großvater haben dann fertig geschnitten.“ Beide hätten ihm bei der Arbeit ganz schön reingeredet. Darüber kann Helmut Eisele heute lachen. Auch seine Mutter ist Friseurin und hat immer gearbeitet. Beeindruckend sei es für ihn gewesen, wenn Audi-Manager mit Chauffeur kamen und sich die Haare schneiden ließen. „In seiner Branche war mein Vater fast schon eine Berühmtheit“, erzählt er. Schon immer habe seine Familie einen gewissen Weitblick besessen. „Mein Vater war der erste Friseur, der sich aufs Haareschneiden konzentriert hat statt auf die damals übliche Dauerwelle und das Wickeln. Er war sehr fortschrittlich.“ Alte Zöpfe mussten eben weg, die alten Trockenhauben wurden kurzerhand herausgeworfen. Pagenköpfe waren der neueste Schrei. „Heute sagt man ja Bobs dazu.“

Helmut Eisele verrät im Interview: „Mich haut nichts mehr um“

Auch Helmut Eisele wusste, dass er sich abgrenzen und vom Bannkreis seiner Vorfahren zunächst etwas Abstand bekommen musste. Nach der Lehre im elterlichen Betrieb zog es ihn deshalb hinaus in die Welt. Die Meisterprüfung schloss er mit Staatspreis ab, der Ehrgeiz war riesengroß. Es folgten Weiterbildungen, die Teilnahme an Wettbewerben und Reisen um die ganze Welt. Mehrmals wurde Eisele bayerischer und deutscher Friseur-Meister.

Eisele lässt sich nichts sagen

Heute stehen im elterlichen Betrieb mindestens 500 Pokale, von seinen Vorfahren und ihm selbst. Der Preis dafür sei gewesen, keine Freizeit zu haben. Die ist auch heute noch knapp, aber das stört Eisele nicht. Er lebt für seinen Beruf. Hobbys? Da muss Eisele überlegen. Ja, Skifahren und etwas Sport, das mache er hin und wieder. Natürlich muss er auch täglich mit Donny und Sandy spazierengehen, den beiden 14 Jahre alten Mopsdamen, die so etwas wie die Maskottchen im Geschäft in der Weiße-Hahnen-Gasse in Regensburg sind. Die Möpse bekommen von den älteren Damen oft ein Würstl mitgebracht und schnuppern deshalb an jeder Handtasche. In Regensburg hat Eisele heute zwei Filialen, dazu gehört der Familie noch der Laden in Kösching bei Ingolstadt. Rund 60 Mitarbeiter sind insgesamt angestellt. Bis heute ist er als „Promifriseur“ bekannt und hat auch Fürstin Gloria schon die Haare geschnitten. Sogar Angebote aus Hollywood hat Eisele vor Jahren bekommen – und abgelehnt. Immer wieder kommen Stars zu ihm. Das beeindruckt den Friseurmeister nicht weiter. „Na und? Für mich zählen die Kunden, die mir treu sind und immer wieder kommen“, betont er. Verbiegen will er sich nicht. Eisele lässt sich grundsätzlich nichts sagen, auch von den Kunden nicht: „Wenn ich sehe, eine gewünschte Frisur passt nicht zum Kunden, mache ich sie auch nicht. Der Friseur muss sehen, was am besten ist und es dem Kunden sagen, nicht andersrum. Wenn ich zum Schuhbeck essen gehe, sage ich ihm auch nicht, er soll doch den Schweinebraten anders machen oder mehr Kümmel nehmen.“ Und ein wenig ist Helmut Eisele nicht nur Friseur geworden, sondern auch Bader. „Ich habe keine Scheu vor Blut“, sagt er und lacht. Kleine Verletzungen und Wehwehchen seien in seiner Familie schon immer selbst behandelt worden. Als er sich mit drei Jahren das Bein brach, hat es der Großvater erst einmal selbst geschient und eingerichtet. Und der Vater habe dem Opa den letzten Zahn gezogen, den er noch besaß. „Kürzlich ist mein Vater an der Galle operiert worden. Nach zehn Tagen sollte er zum Fadenziehen erneut ins Klinikum. Da hat er nur gesagt: Ach was, das mache ich doch selbst. So war es dann auch.“

Der Mindestlohn von 8,50 Euro freut die Regensburger Friseur-Branche. Doch in Billigsalons müssen die Stylisten noch mehr Kunden abfertigen.

Nächste Generation steht in den Startlöchern

Die nächste Generation ist mit Tochter Janine bereits bei Eisele im Laden tätig. Die 25-Jährige hatte zunächst studiert, sich dann aber doch für den Beruf ihrer Vorfahren entschieden. Ob Eisele wohl selbst einmal so lange im Laden stehen wird wie der Opa und bis zum letzten Tag arbeiten wird? „Ich befürchte es. Doch, ich bin mir ziemlich sicher“, sagt Eisele und lacht. „Ich kann ja gar nicht anders.“

Der Text ist eine Leseprobe aus der Sonntagszeitung, die die Mittelbayerische exklusiv für ePaper-Kunden auf den Markt gebracht hat. Ein Angebot für ein Testabo der Sonntagszeitung finden Siein unserem Aboshop.

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