Ausbildung
Der wichtigste Anzug ihres Lebens

Chemie-Schutz-Anzüge sind eine Besonderheit innerhalb der Feuerwehren. Jetzt haben 13 neue Träger die Ausbildung absolviert.

03.05.2016 | Stand 16.09.2023, 6:49 Uhr
Heiner Stöcker
In ihrem Chemikalienschutzanzug flicken die Feuerwehrleute eine Leckage. Das Problem: In den dicken Handschuhen haben sie null Fingerspitzengefühl. −Foto: Fotos: Rott/Kreisfeuerwehrverband

Sie sehen aus, wie das Ergebnis einer leidenschaftlichen Liebesnacht zwischen einem Außerirdischem und einer Hüpfburg – und sie kämpfen gegen irdische Gefahren, an die sich sonst niemand herantraut: Die Träger der Chemie-Schutz-Anzüge der freiwilligen Feuerwehr. Vergangene Woche hat eine neue Klasse mit Floriansjüngern aus dem ganzen Landkreis ihren Lehrgang absolviert und die Prüfung bestanden.

Karl-Heinz Rott, der zuständige Kreisbrandinspektor ist reichlich stolz. „Wir hatten heuer sogar eine Frau dabei.“ Nancy van Seuningen ist die Jugendwartin der Feuerwehr Saal.

Gertenschlank, extrem sportlich und immer gut gelaunt steht sie nun nicht nur als Atemschutzträgerin ihren Mann. „Das gehört doch dazu“, sagt van Seuningen. „Nur Platzangst darf man in so einem Ding nicht bekommen – und nichts fallen lassen. Bücken geht nämlich nicht“, sagt sie und lacht. „Und diese Anzüge kommen inzwischen bei immer mehr Vorfällen in der Region zum Einsatz.“ Im Landkreis Kelheim ist zu Wasser, auf der Schiene und auf der Straße einiges an Chemie unterwegs.

„Ein Chemikalienschutzanzug (CSA) ist eine Persönliche Schutzausrüstung, die den Träger komplett von seiner Umwelt isoliert, so dass er in radiologisch, chemisch oder bakteriologisch kontaminierter Umgebung arbeiten kann. Er kommt zum Beispiel bei Gefahrgutunfällen zum Einsatz. Zur Atemluftversorgung trägt der CSA-Träger meistens einen Pressluftatmer auf dem Rücken.“ Diese Definiton von Wikipedia.de ist genauso trocken, wie nüchtern.

Denn: „Natürlich ist der CSA für die Träger eine Belastung, die man nicht unterschätzen sollte“, sagt Karl-Heinz Rott. Zum einen physisch.

Schwere Ausrüstung

Der Anzug und die Ausrüstung haben ein Gewicht – drunter haben die Feuerwehrleute Atemgerät, Funk und einiges mehr verstaut. „Wenn die Sonne drauf scheint, dann heizt sich das Innere schnell auf – wie im Treibhaus.“ Die Träger schwitzen also mitunter je nach Anstrengung sehr stark. „Und dann die Psyche. Im Anzug ist es eng, er schränkt die Bewegung und die Sicht ein, die Audiokulisse ist eine ganz andere und – vielleicht am Wichtigsten – der Träger begibt sich sehenden Auges in kontaminierte Bereiche, die jeder gesunde Menschenverstand meiden würde.“ Der CSA-Lehrgang soll die Anwärter genau auf diesen Stress vorbereiten.

Grundvoraussetzung ist die Atemschutz-Geräteträger-Ausbildung. Alleine dafür haben die Lehrgangsteilnehmer schon rund 25 Stunden gelernt, geschwitzt sowie eine Einsatzübung und eine Prüfung überstanden. Das Zusatzmodul CSA-Ausbildung bedeutete für die 13 Teilnehmer noch mal rund 20 Stunden lernen und üben an drei Tagen. „Wir haben mit einem Theorie-Abend begonnen. Da gab es das Grundwissen zu Chemikalien und Kennzeichnungen chemischer Stoffe. Dann gab es einen Gewöhnungstag, an dem sich die Teilnehmer viel in den Anzügen bewegen mussten und zum Schluss eine Einsatzübung.“ Mit dabei waren Floriansjünger der Feuerwehren Abensberg, Bad Abbach, Saal, Kelheim, Neustadt und Mainburg.

„Zum Glück sind die CSA-Einsätze sehr selten“, sagt Rott. Der letzte echte größere war der Fund eines Tarnnebelfasses – oder auch Nebelsäurefassgeräts – bei Eining an der Donau im September. Im Krieg waren damit potenzielle Ziele zum Schutz vor Beschuss eingenebelt worden. Dabei kommen diverse chemische Verbindungen zum Einsatz, die auch 70 Jahre nach Kriegsende eine Gefahr für Leib und Leben bedeuten können. „Aber zum Glück war in dem Fass keine Säure mehr – sonst hätte es vor Ort gesprengt werden müssen.“

Potenzielle Gefahr

Das sei natürlich keine alltägliche Situation. Viel wahrscheinlicher seien im Landkreis Chemieunfälle mit Zügen oder auf der Straße. „Aber das sind die Dinge, für die die CSA-Träger zuständig sind.“ Die Anzüge – Stückpreis um die 2000 Euro – sind nach einmaligem Gebrauch und Kontamination meistens übrigens selbst ein Fall zur Entsorgung. Die Lehrgangsteilnehmer nutzten daher Übungsanzüge, als sie sich auf den Fußmarsch durch Kelheim machten, in voller Montur Einsatzszenarien durchspielten, eine komplette Dekontamination inklusive Dusche und schrubben über sich ergehen ließen.

Mehr über die Feuerwehren im Landkreis und zum Beispiel zur Dekntaminationseinheit in Bad Abbach finden sie hier