Bayerische Mundart
Dialektserie: Die bummerische Kälten

Zum Monatsende gibt es Wissenswertes rund um den Dialekt – heute zu seltenen Ausdrücken und zu „Plempel“ und „plemplem“.

30.12.2021 | Stand 15.09.2023, 22:02 Uhr
Ludwig Zehetner
Griezgrama duad’s und gnizgnean. −Foto: Michael Reichel/dpa

Leser fragen – der Dialektforscher antwortet: Die Serie mit Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Ludwig Zehetner erscheint immer am letzten Freitag im Monat. Diesmal geht es um Begriffe rund ums Winterwetter, schlecht sitzende Hosen und schales Bier.

Gritzgramen, Knitzknerrn, Klirreiseln

Im Winter kann es empfindlich kalt werden, saukalt, wenn klirrender Frost kommt, die „bummerische Kältn“, dann heißt es im bairischen Dialekt: „Griesgrama (grizgrama) duad’s.“ Das Verb führt althochdeutsch „grisgramôn“ fort, und das hatte die Bedeutung: ‚mit den Zähnen knirschen‘. (Auch hochsprachlich „Griesgram, griesgrämig“ kommt davon her, wobei heute allerdings der Sinn von „grämlich“ überwiegt.) Wenn Schnee liegt und strenger Frost herrscht, ist auch von „gnizgnean“ die Rede.

Besonders im Bayerischen Wald scheint das Verb geläufig zu sein, wo man ja eingehende Erfahrung mit Tiefschnee hat. Anzusetzen ist „gnizgnean“ als „knitzknerren“. „Knerren“ ist eine Variante zu „knarren“. Das vorn drangesetzte „knitz-, gniz-“ intensiviert die Bedeutung um eine Silbe mit den Lauten „kn“ und „z“. Wenn bei jedem Schritt der Schnee unter den Sohlen knirscht, dann hört man es „gnàrzen (knàrrezen)“. – Gibt es Eisregen, wenn gefrierende Nässe vom Himmel fällt, so bezeichnet man das in gewissen Gegenden mit dem Verb „klirreisen, klirreiseln“.

Eine Anregung von Steffi Völkl

Mei olte Schwöldern

Dass manche Wörter im Lauf der Zeit verschwinden, ist eine Tatsache. Zuzutreffen schien das auch auf „Schwelder(n)“, in nordbairischer Lautung „Schwöldan“, als Bezeichnung für eine alte, ausgeweitete und nicht richtig sitzende Hose. Die Kommission für Mundartforschung bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München verfügt über eine viele Millionen umfassende Wörtersammlung, in der sich dafür nur ein einziger Beleg findet, und zwar vom Jahr 1920 (!) aus Altmannstein: „a liderne Schwöldan – Lederhose“. (Zur historischen Tracht in den Altlandkreisen Parsberg und Riedenburg gehörte auch eine Lederhose, die aber, anderes als im Oberland, völlig schmucklos war und deren röhrenförmige Beine in „Faltl-Stiefeln“ steckten.) Jetzt, ein Jahrhundert nach dem historischen Wortbeleg, erweist sich das Wort als durchaus noch lebendig.

Man kennt es in manchen Regensburger Stadtvierteln, so etwa Großprüfening. Der aus Painten stammende Einsender berichtet, dass er zur Gartenarbeit immer seine „olte Schwöldan“ anzieht, die er aus dem Geräteschuppen holt. In der Umgebung von Kelheim nennt man eine am Hintern pludernde Hose „Gschwöldan“, was als „Geschwelder(n)“ zu lemmatisieren ist. „A õ-gschissne Gschwöldan“ ist eine verschmutzte Unterhose. Neulich erlebte ich Folgendes: Im Gasthaus steht ein prominenter Gast vom Tisch auf und schreitet zur Tür. Da kommentiert einer: „Schaugts, der Herr Baron hod a saubere Gschwöldan o.“ Tatsächlich hing dem Herrn der Hosenboden bis beinah in die Kniekehlen hinunter.

Für Joseph Karl aus Eichhofen

Der browandst se niad

In der Region Neustadt an der Waldnaab und Vohenstrauß hört (oder hörte) man, wenn jemand auf die Anweisungen der Eltern oder Vorgesetzten partout nicht reagierte: „Der browàndst se niad“ (oder auch: „browàmst“). Johann Andreas Schmellers unerschöpfliches Wörterbuch aus dem 19. Jahrhundert enthält das Verb „brâwenden, brâwenken“ und die Redewendung „sich nicht brawenden = sich nicht im Geringsten bewegen“ (Bd. I. Spalte 335 f.). Schmeller nimmt an, das Wort bedeute eigentlich: „nicht einmal eine Brâ (Augenbraue) bewegen“. Daher setzt das entstehende neue Bayerische Wörterbuch das Verb als „brauwenden“ an.

Frage von Manfred K. Schade

Plempl, plempern, plemplem

Alle deutschen Wörterbücher enthalten das Wort „die Plempe“ mit der Angabe: ‚schlechtes, dünnes, fades Getränk‘. Da es in österreichischen Wörterbüchern fehlt, darf man annehmen, dass es dort nicht bekannt ist. Es handelt sich wohl um ein norddeutsches Wort, das vielleicht in Zusammenhang steht mit dem soldatensprachlichen Ausdruck „Pempe, Plampe“ für das ‚Seitengewehr‘, das lose am Koppel (bairisch: an der Koppel) baumelt. Ein Getränk, das wie dieses hin und her geschüttelt wird, schmeckt schal.

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„Die Plempe“ kennt das Bairische nicht, sehr wohl aber „der Plempl“ (Maskulinum!). „Der Plampel, Plempel“ wird bei Schmeller (Band I, Spalte 547) definiert als ‚schlechtes Bier, dünnes Getränk‘; die Verben „plempeln, plempern“ bedeuten ‚viel und oft trinken‘.

Eugen Oker schreibt in den Erinnerungen an seine Soldatenzeit: „Kein besseres Bier, der gleiche Plempel wie immer.“ Als gebürtiger Schwandorfer setzt er im Auslaut konsonantisches „l“, das in der Oberpfalz nicht zum Vokal wird. Südlich der Donau, wo die l-Vokalisierung gilt, lautet das Wort „Blempe“, was fast so klingt wie „Plempe“. Wenn ihm das Bier nicht schmeckt, er es als zu dünn und fad kritisiert, raunzt der unzufriedene Gast den Wirt an: „Dein’ Blempe konnst säiwa sauffa!“ Annähernd bedeutungsgleich sind: „Gsief“ (Gesüff, Gesöff), „Gwàsch“ (Gewäsch) und „Schäps“ (Dünnbier), in der nördlichen Oberpfalz auch „Pfààsoichl“ (vgl. norddeutsch „Pferdepisse“). Das Verb „plempern“ wird für ‚verspritzen‘ gebraucht. In Sätzen wie „Du sollst deine Zeit nicht so verplempern“ oder „Er hat sein ganzes Geld verplempert“ ist mit „verplempern“ ungefähr dasselbe gemeint wie mit „vergeuden, verschwenden, verpulvern, vergeuden, verpledern, verpritscheln“. Es liegt nahe, eine Beziehung herzustellen zum prädikativen Eigenschaftswort „plemplem“ (verrückt, verwirrt), was in ganz Deutschland verbreitet ist, wofür im Bairischen auch „dràmhàppert“ gesagt werden kann.

Zu einer Frage von Agnes Fischer