Nordkorea
Die Gefahr der Atomwaffen

Am Beispiel Nordkorea wird deutlich: Eine gegenseitige nukleare Abschreckung funktioniert nicht.

12.01.2016 | Stand 16.09.2023, 6:54 Uhr
Julia Berghofer

Julia Berghofer ist Vorstandsmitglied der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN), deutscher Zweig.

Die Situation, mit der sich die internationale Staatengemeinschaft seit kurzem konfrontiert sieht, ist die logische Konsequenz eines naiven Glaubens: Annahme, dass nukleare Abschreckung einem Nationalstaat Sicherheit bringen kann. Ein folgenschwerer Irrtum, dem nicht nur Nordkoreas Machthaber Kim Jong-Un aufsitzt, sondern alle Regierungen, die davon ausgehen, dass es sich lohnt, in die Modernisierung von Kernwaffen zu investieren und mit Verweis auf die Abschreckungslogik den Besitz von nuklearen Arsenalen zu rechtfertigen.

Der Weg Nordkoreas hin zu einem Bestand an Kernwaffen ist der Inbegriff eines Katz-und-Maus-Spiels, auf das das Regime mit einem ständigen Lavieren zwischen friedenspolitischer Annäherung an Südkorea und strategisch inszenierter Militärpropaganda reagiert. Paranoide Verhaltensmuster wechseln sich mit dem Wunsch nach einem Ende der innerkoreanischen Spannungen ab.

Am gefährlichsten ist der Glaube Nordkoreas, sich vor den USA und ihren „Handlangern“ in Südkorea schützen zu müssen. Die massiven Spannungen zwischen Pjöngjang und Washington begannen bereits in den 80er Jahren, nachdem Nordkorea dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten war und später im Zuge von Untersuchungen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) Vermutungen aufkamen, das Land betreibe eine Wiederaufbereitungsanlage. Die Konflikte mit den USA in der Atomwaffenfrage gipfelten 1994 erstmals in einer Krise, die leicht zu einem Krieg hätte führen können. Die Brandmarkung durch George W. Bush als „Schurkenstaat“ und die Nennung Nordkoreas als mögliches Ziel eines Atomwaffeneinsatzes befeuerten die Differenzen weiter, bis das Regime den Nichtverbreitungsvertrag 2003 unilateral aufkündigte und jegliche Inspektionen durch die IAEO nicht mehr zuließ. 2006 zündete Nordkorea seine erste Atombombe.

Ab diesem Zeitpunkt entfaltete sich ein Wechselbad der Gefühle. Alle Gespräche, die seitdem mit Nordkorea stattgefunden haben, waren überschattet von einer tief sitzenden Paranoia der nordkoreanischen Entscheider und dem Glauben, das weitgehend isolierte Land müsse und könne sich gegen die Großmächte mit einem Kernwaffenarsenal schützen. Diese geben mit ihrer eigenen Abschreckungsrhetorik ein negatives Vorbild ab. Auf der anderen Seite reagierten die Vereinten Nationen, Japan und die USA mit einer sukzessiven Verschärfung ihrer wirtschaftlichen Sanktionen, die Nordkorea regelmäßig als feindliche Akte interpretierte.

Die neueste nordkoreanische Provokation vom 6. Januar, die das Regime der internationalen Gemeinschaft als Zündung seiner ersten Wasserstoffbombe zu verkaufen versucht, führt einmal mehr vor Augen, wie wahnwitzig die Vorstellung ist, dass durch den Besitz von Atomwaffen die Sicherheit einer Nation gewährleistet werden kann. Weder ist das ruinierte Nordkorea selbst in der Lage, sich zu schützen, noch garantieren die immensen Arsenale der Atommächte ihnen in dieser Lage Sicherheit. Im Gegenteil: Es herrscht nun in der Staatengemeinschaft wieder Ratlosigkeit, wie mit dem abtrünnigen Regime umgegangen werden soll. Eine Wiederaufnahme der Gespräche mit Nordkorea und ein umfassendes Verbot von Kernwaffen sind unumgänglich, um weiteren Eskalationen vorzubeugen.