Wirtschaft
Die Industrie hat Probleme

Die Auftragsbücher sind voll, aber dennoch stehen die Unternehmen im Landkreis vor Problemen. Ihnen fehlt Nachwuchs.

18.06.2019 | Stand 16.09.2023, 5:32 Uhr

So sieht moderne Ausbildung aus: Max Reinsch von der Firma Yanfeng in Neustadt am Übungsroboter Foto: Nadine Atmanspacher

Egal ob Industrie oder Handwerk – die Unternehmen sind schwungvoll ins neue Jahr gestartet. Das bestätigte unlängst auch Alexander Stahl, Geschäftsführer der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz. In der Industrie läuft es ebenfalls rund, was auch die Arbeitsämter spüren, denn die Arbeitslosenquote liegt bei lediglich zwei Prozent. Doch inzwischen wird das zum Problem.

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Den Unternehmen fehlt der Nachwuchs. Selbst in der Industrie, wo traditionell sehr gute Gehälter gezahlt werden, fehlen inzwischen Auszubildende. Immer häufiger bleiben Lehrstellen unbesetzt, hieß es bei einem Ausbildertreffen, das unlängst beim Autozulieferer Yanfeng in Neustadt stattgefunden hatte. Ralf Kohl, für die Berufsbildung zuständiger Bereichsleiter bei der IHK (Industrie- und Handelskammer) Regensburg für Oberpfalz / Kelheim, bestätigt: „Der Mangel an Auszubildenden trifft auch im Bereich der IHK-Ausbildungsberufe zu. Auch wir verzeichnen eine immer größere Lücke.“

2702 neue Ausbildungsverträge

Dabei, so Kohl weiter, seien in diesem Jahr bis Mai 2702 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen worden, was einem Plus von 1,02 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Neben dieser positiven Bilanz steht jedoch eine andere Zahl. „Wir könnten 700 bis 800 Plätze zusätzlich besetzen, wenn wir die Bewerber hätten“, sagt der Experte von der IHK. Die Nachfrage nach Azubis, betonte er, ziehe sich durch alle Branchen. Es gebe inzwischen kleinere Betriebe, die keine Bewerber mehr bekommen.

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Verena Israel, Manager Personalentwicklung von Wolf in Mainburg, Systemanbieter für Heiz-, Klima- und Lüftungstechnik und mit 1540 Mitarbeitern einer der großen Arbeitgeber im Landkreis, sagt, dass das Unternehmen 35 Lehrstellen anbietet, derzeit aber für das neue Ausbildungsjahr erst 32 besetzt sind.

„Stark rückläufig“

„Wir haben in den letzten Jahren viel in die Infrastruktur unserer Ausbildung investiert. Ebenso wurde ein neuer – sehr erfahrener – Ausbilder an Bord geholt. Leider sind die Bewerberzahlen auch bei uns stark rückläufig“, sagt Andreas Weiß, Personalleiter von Yanfeng Neustadt. „Vor allem für die sehr zukunftsorientierten Berufe – wie Elektroniker und Industriemechaniker – fehlt uns der Nachwuchs.“

Jürgen Gritschmeier (Teamleiter Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit Regensburg) hat noch einen anderen Blick auf die Situation. Er sagt, dass die Anzahl der Schulabgänger im Landkreis in den letzten Jahren relativ konstant geblieben sei. Geändert hat sich jedoch das Angebot der Unternehmen. Im Vergleich zu den Vorjahren habe die Anzahl der angebotenen Lehrstellen deutlich zugenommen.

Dazu kommt: Oft sagen Bewerber auch kurz vor Ausbildungsstart wieder ab, was die Rekrutierung neuer Auszubildende zusätzlich erschwert. Es gibt viele Ursachen, die zu der Misere geführt haben. So verweist IHK-Berufsbildungsfachmann Ralf Kohl auf den Trend zu höherer Schulbildung. Wolfgang Brey, Rektor der Mittelschule Abensberg: „Die Situation, die wir erleben, hat auch viel mit der Entwicklung zu tun, dass jeder zweite Abiturient ist.“ Brey verweist aber auch darauf, dass es Unterschiede bei den Bewerbern um Ausbildungsplätze hinsichtlich ihrer Fähigkeiten gibt. „Manche Bewerber sind für die hoch technisierten Berufe nicht geeignet“, stellt er fest. Die Klage über die Qualität der Bewerber war denn auch bei dem Ausbildertreffen in Neustadt immer wieder zu hören.

Ohne Flüchtlinge mehr Probleme

Vorschläge, um diese Notlage zu lösen, gibt es etliche. Viele Unternehmen engagieren sich stark, um Auszubildende und Fachkräfte zu gewinnen. Sie sind auf Ausbildungsplatzmessen aktiv, bieten Praktika, Schulprojekte und Bewerberinformationstage an. Jürgen Gritschmeier von der Agentur für Arbeit rät allen Unternehmen, neben der Förderung leistungsschwächerer Bewerberinnen und Bewerber, auch auf bereits vorhandene Kapazitäten zu setzten und den Fokus zusätzlich auf die Qualifizierung eigener Mitarbeiter auszuweiten. Ralf Kohl von der IHK sieht das genauso und ergänzt, man müsse auch an Flüchtlinge als Azubis denken: „Wenn wir die nicht hätten, hätten wir noch größere Probleme.“ Rektor Brey, der an seiner Schule Kinder unterschiedlichster Nationalitäten unterrichtet, rät gar zu einer „gezielten Zuwanderung“. Optimistisch war beim Ausbildertreffen vor allem einer – Harald Wintersberger, Rektor der Anton-Balster-Mittelschule in Neustadt: „Dank der aktuellen Lage am Ausbildungsmarkt bekommt jeder Jugendliche, der Engagement und Interesse zeigt, seine Chance“, sagte er.

Maximilian Reinsch, 20 Jahre, Industriemechaniker-Azubi bei Yanfeng, ist ebenfalls optimistisch: „Ich war vor der Ausbildung an der FOS. Ich wollte eine Ausbildung in einem innovativen Unternehmen, in dem man auch neue Techniken kennenlernt. Außerdem sollte die Ausbildung abwechslungsreich sein.“ Nach der Ausbildung will er ein Studium absolvieren. „Ich finde es super, dass mir Yanfeng verschiedene Optionen hierfür angeboten hat. Danach möchte ich als Ingenieur vielleicht in der Prozesstechnik arbeiten. Spannend fände ich aber auch eine Tätigkeit in der Raumfahrt.“

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