Menschen
Die Mode-Frau mit 3500 Handy-Kontakten

Die Regensburgerin Micaela Sabatier spricht mit der MZ über Oberflächlichkeit, das Altern, ihr Netzwerk und Schick.

30.04.2015 | Stand 16.09.2023, 7:06 Uhr
Geschäftsfrau mit Sinn für das Schöne: Micaela Sabatier in ihrem Atelier im Haus Heuport −Foto: Fotos: altrofoto.de

Die Türen zu Micaela Sabatiers Atelier im Haus Heuport, Domplatz, stehen offen. Zwischen Kleiderständern mit ihrer Mode telefoniert sie. Sabatier trägt eine schwarze Dreiviertel-Hose, schwarz-weiße Sneaker und einen weiten, goldfarbenen Sweater. Das Fenster gibt den Blick auf den Dom frei. An den Säulen in dem weiten, mittelalterlichen Raum hängen Fotos bekannter Models. Sabatier, die mit ihrer Agentur „The Show“ für viele große Firmen arbeitet, ist uneitel und sehr ernst. Nur der Besuch des MZ-Fotografen irritiert sie. Ein Agenturbild würde sie vorziehen. Ihr Alter verrät die erfolgreiche Geschäftsfrau nicht.

Frau Sabatier, Sie veranstalten seit vielen Jahren Modenschauen. Was fasziniert Sie daran?

Die Atmosphäre, die Menschen. Das sind coole Leute.

Sie haben selbst als Model gearbeitet, in Filmen wie Kir Royal und in Werbespots mitgespielt. Hat es Sie nie gereizt, ganz zum Film zu wechseln?

Nein, das wollte ich nie. Beim Modeln schlüpft man auch in eine Rolle, ob das ein Fotoshooting ist, eine Fashionshow oder eine Kampagne.

Was machen Sie mit Ihrer Agentur „The Show“?

Ich schreibe Konzepte und organisiere Fashion Events. Die nächste Veranstaltung ist das Gerry Weber Open am 20. Juni in Halle/Westfalen. Da wird eine Geschichte erzählt. Das neue Thema darf ich noch nicht verraten. Im letzten Jahr ging es um Märchen. Mimi Müller-Westernhagen und ihre Band spielten. Eine Tänzerin der Münchner Staatsoper und Starmodels traten auf. Ich kümmere mich um Bühnenbild und Licht, buche die Models, die Musik – organisiere alles.

Ihr Netzwerk muss sehr groß sein.

Das ist es. Als ich mir ein neues Auto gekauft habe und die Handy-Kontakte einspeichern lassen wollte, klappte das nicht. 3500 waren zu viel.

Auch Regensburger Kontakte befinden sich darunter. Sie unterstützen den Nachwuchs.

Ich entdecke gerne junge Menschen und fördere sie. Zu den Shows nehme ich immer ein Team aus Regensburg mit und mische es mit einem internationalen Team. Fotografen, Musiker, Sänger, Stylisten, Grafik-Designer und Videoleute zählen dazu. Auch mein Label habe ich „0941“ genannt, denn die Stadt, meine Heimat sind mir schon sehr wichtig. Ich komme und gehe gerne.

Beschreiben Sie Ihre Mode!

Lässig, cool. Aus hochwertigen Materialien wie Jersey, Cupro und Seide. Ich mag es, wenn ein Teil Wertigkeit besitzt und es nicht jeder sieht. Man spürt den Luxus für sich selbst. Die Stoffe für die Sommerkollektion 2016 habe ich im Januar ausgesucht. Die Musterkollektion und später die gesamte Produktion werden bei Verona gefertigt. Auch bei der Mode kooperiere ich mit Regensburgern, für 2016 mit dem Künstler Günther Kempf, der Drucke für mich entwirft.

Was sollte Frau in diesem Frühjahr und Sommer unbedingt haben?

Weiße Sneaker. Ein ärmelloses Oberteil, zum Beispiel aus Seide, mit Jerseyrippe. Der Overall ist ein starkes Thema in diesem Sommer, eng oder lässig. Ein Sweatshirt oder eine Jeansjacke darüber. Und gute Laune.

Wo holen Sie sich Inspiration?

Ich schaue im Internet, in Zeitungen, in Foren oder beobachte dieMenschen beim Reisen. Mich begeistern Leute, die Lebensfreude ausstrahlen und sich nicht irgendwo reinpressen lassen. Ich reise sehr viel. Nach New York eher beruflich. Privat nach Capri und Südfrankreich. Aus Pinterest und allen Social Media kann man sich tolle Sachen holen.

Ihr Lieblingsstück in der eigenen Kollektion?

Der schwarze, ärmellose Anzug aus Waschseide, die schwarze Seidenhose in Joggingform und das ärmellose Seidentop mit eingearbeiteten Bändchen.

Geht es bei Mode um mehr als Oberflächlichkeit und Eitelkeit?

Mittlerweile ja. Der Mensch soll sich wohlfühlen, nicht verkleiden. Mode sagt immer aus, was für eine Person ich bin. Sie ist eine Lifestyle-Sache und besitzt denselben Stellenwert wie Ausgehen, Filme, Restaurants. Die Trendforscherin Li Edelkoort, die ich toll finde, sagt, durch die Blogger verändert sich alles.

Wie sehen Sie die Mode-Blogger?

Einerseits finde ich es schade, dass jeder Teenie, der eine Kamera hat, bloggt. Wer Mode studiert hat, steht nicht mehr im Vordergrund. Andererseits sind die Blogger vielleicht ein bisschen echter. In Pinterest pinnen Leute, was ihnen wirklich Spaß macht, was sie gut finden.

Kann man sich mit wenig Geld gut kleiden?

Jein. Die Billigmarken sind modisch. Aber für mich ist die billige Herstellung mit Kinderarbeit und einstürzenden Fabriken wie in Bangladesch unerträglich. Ein T-Shirt, das zwischen zehn und 30 Euro kostet, kann nicht fair produziert sein. Zum Glück soll die Herstellung transparenter werden.

Sie arbeiten beim Creative Monday mit, den regelmäßigen Regensburger Treffen von Kreativen aus allen Sparten.

Letzten Montag haben wir uns in meinem Head Office getroffen. Das war eine Mischung aus Party und intellektuellem Anspruch. Da sind coole neue Leute dabei. Wir hatten interessante Gespräche und Vorträge. Es ging um das Unternehmen Kopfkino, um den Film „Waldsterben“, die grüne Oase in der Obermünsterstraße. Es ist toll, dass sich die Leute treffen und ein Netzwerk schaffen. Ich verspreche mir davon, dass die Stadt bunter und kreativer wird. Dass es Leute gibt, die sich Gedanken über Neues machen und den Mut haben, es zu verwirklichen.

1000 Dank an Petra Homeier für die Fotos: http://petra-homeier.de

Posted by Creative Monday Regensburg on Dienstag, 21. April 2015

In der Modewelt hat das Aussehen einen hohen Stellenwert. Was bedeutet Ihnen Schönheit?

Logisch gibt es Menschen, die sehr wertvoll gekleidet sind und keine Ausstrahlung haben. Wenn ich Frauen beobachte, die mit ihren hohen Absätzen kaum zu den Schlossfestspielen stöckeln können, hat das mit Schönheit nichts zu tun. Es müssen viele Sachen zusammenspielen. Das Standing eines Menschen kann Schönheit, ein positives Gefühl rüberbringen. Typen finde ich schön, zum Beispiel eine Frau mit langer Nase wie Barbra Streisand. Für meinen Job suche ich mir Models, die zu der jeweiligen Kollektion passen.

Was halten Sie von der umstrittenen Sendung Germany’s Next Topmodel?

Dazu sage ich nichts. Ich arbeite mit denen zusammen und buche dort Models.

Ist Regensburg modebewusst?

Ja. Zum abendlichen Weggehen machen sich die Damen schick.

Trotz Ihrer internationalen Tätigkeit sind Sie in Regensburg geblieben. Was genießen Sie hier?

Das Radfahren vom Herzogspark, wo ich wohne, zur Arbeit. Dass man die Stadt zu Fuß erkunden kann. Ich habe viele Freunde und meine Familie hier. Ich liebe die Menschen hier.

Was fehlt?

Die Leute hier könnten mal was anderes machen. Wenn Regensburger Lokale eröffnen, schauen die alle gleich aus. Ich vermisse lässige Lokale wie in München und Berlin, die zum Beispiel neues und schäbiges Mobiliar mischen.

Auch das Alter gilt in Ihrer Branche als heikles Thema.

Mmmh, alt werden wir alle. Logisch, es ist nicht einfach. Im Moment sehe ich es noch sehr relaxed. Ich arbeite mit vielen Menschen, die nicht mehr jung sind, die positiv denken, mitten im Leben stehen, die ich bewundere und verehre. Wenn du jung bist, bist du schön. Wenn du älter bist, bist du gescheiter.

Wer ist Ihr fachliches Vorbild?

Ich verehre Jean-Paul Gaultier. Er war sehr mutig, er hat den Männern Röcke angezogen. Acne und Isabel Marant sind sehr weit voran und äußerst cool. Die machen Sachen, die der normale Mensch erst in zwei Jahren tragen wird (zeigt Fotos im Internet). Es ist alles sehr weit, die Ärmel lang, interessante Kombinationen.

Ihnen steht ein anstrengendes Wochenende bevor.

Ja, „Face en Vogue“ im fürstlichen Schloss. Mädchen aus Regensburg und der Umgebung konnten sich bewerben. Am Samstag beginnt ab 19.30 Uhr die Endausscheidung. Ich präsentiere die Finalistinnen.