Jubiläum
Die Saat geht seit drei Jahrzehnten auf

Für die Landmaschinenbauer von Horsch geht es stetig aufwärts. Doch Expansion hat bei dem Familienunternehmen auch Grenzen.

21.11.2014 | Stand 16.09.2023, 7:11 Uhr
Reinhold Willfurth

Mit Maschinen zur schonenden Bodenbearbeitung hat sich Horsch einen Namen gemacht.

Am Anfang waren die Steine. Dann kam die Idee, wie man diese aus dem Weg räumen könnte. Also entwarf Michael Horsch unkonventionelle Maschinen, die den widerspenstigen, steinreichen Oberpfälzer Äckern bessere Erträge abtrotzen und sie gleichzeitig vor dem Ausbluten bewahren sollten. Aus der Idee wurde ein blühendes Unternehmen, dessen tiefrot lackierte Maschinen heute auf den Äckern des globalen Getreidegürtels im Einsatz sind und das 1200 Mitarbeiter beschäftigt. Jetzt feiert die Horsch Maschinenbau GmbH ihr 30-jähriges Jubiläum.

Ein leidenschaftlicher Tüftler war Michael Horsch schon immer. Und er bezeichnet sich selbst als Querdenker. Dass er seine Meinung zu gesellschaftlichen Fragen und zur Weltlage nicht hinter den Berg hält, wird beim Gespräch mit der MZ anlässlich des Firmenjubiläums ebenso deutlich.

Die Firmenlegende will es, dass Familienvater Dankwart Horsch beim Kauf des Gutes Sitzenhof in Ettmanndorf 1969 offenbar nicht immer die allerbesten Äcker erwischt hatte. Oder, wie es Michael Horsch ausdrückt: „Das G‘lump hat er gekriegt!“. Eine Steilvorlage für den ältesten von sechs Horsch-Kindern, sich mit der Steigerung des Ertrags zu beschäftigen, ohne dabei den traditionell ertragsschwachen Boden zu überfordern.

Steinig wie ein hiesiger Ackerboden

So änderte Horsch seine Pläne, in den USA eine eigene Farm zu betreiben, und blieb in der Oberpfalz. Anfang der 80er Jahre entwarf er in seiner Freizeit als Zivildienstleistender in einem Krankenhaus seine erste Maschine. Weitere folgten, die landwirtschaftlich geprägte Verwandtschaft sorgte für die ersten Aufträge. Der Anfang war trotzdem steinig wie ein Oberpfälzer Ackerboden.

„Wir haben etwas gemacht, das keinen interessiert hat“, sagt Michael Horsch. Allmählich aber sprach sich sein Konzept, Ackerböden so schonend wie möglich, also zum Beispiel ohne Pflug, zu bearbeiten, herum. Lange Zeit, so heißt es in der Firmenchronik, habe die Sämaschine „Sä-Exaktor“ als „Brot-und-Butter-Maschine“ hergehalten.

Interaktive Grafik: 30 Jahre Horsch

Dann kam der Kollaps der kommunistischen Staaten und die Öffnung der Grenzen. Vor der Haustür der jungen Firma öffnete sich ein riesiger Markt. Und den wusste Horsch zu nutzen. Die „unmöglichste Geschichte einer Landmaschinenfirma, die es gibt“ (Michael Horsch) entwickelte sich zur Erfolgsstory. Die riesigen landwirtschaftlichen Betriebe in Osteuropa und Sibirien brauchten dringend westliche Technik – und Maschinen, die viel Acker auf einmal bearbeiten konnten.

Die heute bisweilen monströs erscheinenden Scheibeneggen, Sämaschinen und Feldspritzen im Sitzenhofer Showroom nimmt Mit-Geschäftsführer Philipp Horsch gegen Kritik an industrieller Landwirtschaft vehement in Schutz: „Die besten Maschinen sind diejenigen, die den Boden am wenigsten belasten“. Zudem beliefere Horsch nicht nur Großbetriebe, sondern auch den Nebenerwerbslandwirt: „Von unsem Drei-Meter-Grubber Terrano verkaufen wir 6000 Stück pro Jahr“.

Überhaupt fühlt man sich in dem Familienbetrieb Horsch nicht nur der Kundschaft und der Belegschaft verpflichtet, („die Fluktuation geht gegen Null“), sondern der gesamten Schöpfung. Mit einem Engagement bei der kanadischen Hilfsorganisation MEDA, die Kleinbauern dabei hilft, ihre Existenz zu sichern, ist man bereits in Aktion getreten. MEDA hat ihre spirituellen Wurzeln bei den Mennoniten, einer evangelischen Freikirche, der auch die Familie Horsch angehört.

Kanada, wo die beiden Brüder naturgemäß immer wieder beruflich zu tun haben, ist auch das Vorbild für einen anderen Umgang hierzulande mit Menschen, die ihre Wurzeln in anderen Kulturen haben. „Die Deutschen müssen aufpassen, nicht in alte Muster zurückzufallen“, mahnt Philipp Horsch mit Blick auf die latente und manchmal offen zur Schau getragenen Fremdenfeindlichkeit im Land. „Wir müssen es schaffen, multikultureller zu werden“, sagt der Firmenchef. Für ihn ist das nicht (nur) eine Frage des Fachkräftemangels. „Um des Friedens willen gibt es keinen anderen Weg. Und um der Wirtschaft willen auch nicht“. Und für Michael Horsch gibt es geradezu „den gesellschaftlichen Auftrag, sich durchzumischen“.

Herbe Kritik an den Putin-Kritikern

Ein Lehrbeispiel dafür, wie man statt Frieden zu schaffen das Gegenteil erreicht, ist für Michael Horsch die Art und Weise, wie der Westen im Ukrainekonflikt agiert. Sein Bruder und er sind oft in der Ukraine und in Russland, wo die Firma jeweils eine Niederlassung unterhält, und glauben, die Seele der Menschen im Osten gut zu kennen. Michael Horsch könnte der Kragen platzen angesichts dessen, was der Westen mit dieser Seele, der russischen vor allem, anstelle: „Wenn eine Seele verletzt wird, gibt es Trotzreaktionen!“ Speziell die Regierungen der EU und der USA im Verein mit der westlichen Presse hat Horsch als Schuldige ausgemacht. Er könne Wladimir Putin jedenfalls „mehr als verstehen, wenn er jetzt seine Flugzeuge und Schiffe losschickt“.

Bei diesem harten Urteil spiele die Tatsache, dass das Russland-Geschäft in diesem Jahr stark eingebrochen sei, nicht die Hauptrolle, beteuern die Firmenchefs. Ohnehin mache das Geschäft mit den osteuropäischen Kontrahenten nur 13 Prozent des stolzen Umsatzes von zuletzt 260 Millionen Euro aus. Das Unternehmen hat seine Aktivitäten gleichmäßig auf den globalen Getreidegürtel zwischen dem 45. und dem 55. Grad nördlicher Breite verteilt. „Wenn du zu stark auf ein Pferd setzt, hast du schon verloren“, sagt Michael Horsch.

Turbokapitalismus mit dem Primat der Profitmaximierung steht bei Horsch nicht im Mittelpunkt der Firmenphilosophie. „Wir glauben nicht an unendliches Wachstum“, sagt Michael Horsch. Statt die Konkurrenz trickreich zu verdrängen wolle man lieber mit guten Produkten punkten. Expansion gebe es bei Horsch nicht um jeden Preis. „Werte sind uns wichtig, auch Querdenken“, sagt Philipp Horsch. Das Ganze mündet in die Devise, die Michael Horsch als „Erklärbares Wachstum“ bezeichnet. Eine Saat, die seit 30 Jahren gut gedeiht.