Mobilität
Die Vespa wird 70 und doch niemals alt

Der italienische Roller hat die Welt erobert. In Ostbayern gibt es seit den 1950er Jahren eine Heimat für die „Vespisti“.

23.04.2016 | Stand 16.09.2023, 6:52 Uhr
Daniel Geradtz

Ein Regensburger Vespista: Michele Rinaldi, Inhaber des italienischen „Caffé Rinaldi“ Fotos: Lex

Sie ist trotz ihrer 70 Jahre in der Form geblieben, die der Ingenieur Corradino D’Ascanio ihr einst gegeben hat: Die schmale Taille und das breite Hinterteil hat sie auch im hohen Alter nicht verloren. Beide Attribute haben ihr auch den Namen gegeben: Vespa, das italienische Wort für Wespe. Enrico Piaggio meldete am 23. April 1946 das Patent auf das Gefährt an, das heute weit über die Grenzen Italiens hinaus bekannt ist.

Es dauerte nicht lange, bis der Kult um die Vespa über die Alpen rollte. 1956 wurde der Vespa Club Regensburg gegründet. Der heute 82 Jahre alte Rudolf Meyer war von der ersten Stunde an dabei. Zusammen mit drei „Spezln“ hat er das nötige Geld für einen Roller zusammengespart. „Es waren wohl um die 2000 D-Mark“, schätzt Meyer. Zu dritt riefen sie den Verein ins Leben.

Kultfaktor Metall

„Die Vespa ist nicht irgendein Motorrad. Es ist wie mit einer Frau. Sie hat Ecken und Kanten.“Dominik Dobschensky, Vespa-Experte

Als Konstrukteur Corradino D’Ascanio in den 1940-er Jahren unter der Bezeichnung „MP 5“ den ersten Prototypen entwarf, folgte er der Aufforderung Enrico Piaggios, ein Motorrad zu entwerfen, das nicht wie ein Herkömmliches aussehen sollte. Es sollte robust und für beide Geschlechter gleichermaßen geeignet sein. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte D’Ascanio noch kein Fahrzeug für den Straßenverkehr entwickelt. Deshalb entwarf der Luftfahrtingenieur seit dem Ersten Weltkrieg Flugzeuge und Helikopter.

Nicht nur die Form des Rollers hat sich seit den Anfängen kaum verändert. Auch das Innere – die Technik – ist vergleichsweise rudimentär, wie Dominik Dobschensky erklärt: „Sie ist einfach zu verstehen. Selbst wenn man nicht so viel Ahnung hat, kann man sich etwas Zeit nehmen und in das Thema einlesen.“ Bei heutigen Rollern anderer Hersteller sei es schwieriger, den Durchblick zu behalten.

Der Protoyp „MP 5“ hatte noch nicht das bis heute markante Aussehen. Er erhielt wegen seiner Form zunächst den Spitznamen „Paperino“ – der italienische Name für die Comic-Figur Donald Duck. Firmenchef Piaggio wies den Konstrukteur an, noch einmal nachzubessern. Mit der nachfolgenden „MP 6“ war die Vespa schließlich geschlüpft. Damals trug sie ihr Licht noch unmittelbar über dem vorderen Kotflügel. Inzwischen ist die Beleuchtung auf dem Lenker montier. Es ist eine der wenigen sichtbaren Änderungen.

Eine Bildergalerie zur Vespa sehen Sie hier:

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1958 auf der Vespa nach Brüssel

Den Regensburger Vespa Club hat Rudolf Meyer 14 Jahre geleitet. Bis dahin hat er zusammen mit seinen Vereinskameraden viele gemeinsame Erlebnisse auf Ausfahrten gesammelt. Er berichtet von der weitesten Strecke, die sie im Verein gefahren sind. Sie führte nach Brüssel. „Von jedem Ortsverein durften drei Leute dorthin fahren. Es war das Europatreffen“, erinnert er sich an das erste Juli-Wochenende im Jahr 1958. Die „Eurovespa“ fand anlässlich der damaligen Weltausstellung statt. „Die Maschinen sind schon um die 80 gegangen. Damals konnte man noch problemlos auf der Autobahn fahren“, sagt er. Deswegen haben sie es geschafft, den Weg nach Belgien ohne Übernachtung an einem Stück zurücklegen. In Brüssel sind sie auf „etliche Tausend“ andere Vespa-Fahrer aus ganz Europa gestoßen.

Durch neue Produktionsstätten in Pontedra, Vietnam und Indien konnte der Absatz der Vespa-Roller zwischen 2005 und 2015 verdreifacht werden. Es wurden 170 000 Zweiräder produziert. Im vergangenen Jahr lag der Umsatz bei 1,3 Milliarden Euro.

Doch bei den Kunden sind nicht nur neue Modelle gefragt. Dominik Dobschensky restauriert in seiner Werkstatt auch ältere Roller. Dabei muss nicht zwangsläufig der Eindruck einer rundum erneuerten Vespa entstehen. „Auf Kundenwunsch bieten wir auch O-Lack-Roller an. Das heißt, wir bereiten den Lack auf, lassen aber einige der Roststellen, die wir konservieren.“ In den letzten Jahrzehnten ist die Szene der Vespa-Liebhaber wieder gewachsen. Darüber freut sich Meyer. Nur durch Zufall hatte er 2006 erfahren, dass sich der Verein bereits im Jahr 1990 wieder gegründet hatte. Auch im hohen Alter nimmt er noch regelmäßig an Treffen und Ausfahrten teil. Zum Beispiel in Zell am See: Zu den „Alp Days“ kamen im vergangenen Jahr 1500 Vespa-Fahrer. Teilweise sind so viele Fahrer dabei, dass die Korsofahrt entlang des Sees ins Stocken gerät. Für ihn und seine Vereinsfreunde geht die Saison jetzt richtig los. Am Sonntag findet mit dem „Anrollen“ die erste Ausfahrt statt.

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