Musik
Die Zither-Elite pilgert nach Regensburg

Die Wegscheider Musikanten begründeten 1929 den Ruhm. Sie spielten auf Kerschensteiner-Zithern. Gefertigt in der Domstadt.

13.01.2017 | Stand 16.09.2023, 6:27 Uhr
Helmut Wanner
Beim Musizieren im Kneitinger Keller: Die Freude am Klang der Originalinstrumente aus der Pfarrergasse 10 vereint die Generationen. −Foto: Franz-Peter Klein

Es könnte einen Regensburger schon stolz machen. Der Zitherklang des bayerischen Oberlandes kommt aus Regensburg. Die besten Zitherspieler Bayerns, die 1926 gegründeten Wegscheider Musikanten, entdeckten 1929 den speziellen Klang der Instrumente aus der Domstadt.

„Ich bin sehr glücklich, dass diese Instrumente mit solch herrlichem Klang so geschätzt werden.“Mechthild Feser-Joch, Enkelin

Sie spielten auf Arion-Harfenzithern. Der Klavierboden und der Saitensteg waren eine Weiterentwicklung aus Regensburg, die eine ganz neue Klangfülle des Zitherspiels möglich machte.

Kerschensteiner gibt es nicht mehr, doch die Faszination ist ungebrochen. Eine ansehnliche Fan-Gemeinde aus 50 jungen und alten Zitherspielern aus Oberbayern scharte sich auf dem Galgenberg im Kneitinger Keller. Sie war angereist, um der Regensburger Instrumentenbauer-Dynastie Kerschensteiner zu gedenken. Die Öffentlichkeit bekam davon nichts mit.

Marmortafel in der Pfarrergasse

Wegen des 100. Todesjahrs von Franz-Xaver Kerschensteiner und des 80. Todesjahres seines Sohnes Franz Seraph Peter wählten die Zither--Freunde die Domstadt für ihr Jahrestreffen. Sie brachten eine Marmortafel am Haus Pfarrergasse 10 an, feierten in der Dominikanerkirche einen Gedenkgottesdienst. Danach spielten sie vier Stunden lang auf original Kerschensteiner-Instrumenten. Diese wurden bis 1935 in der Manufaktur in der Pfarrergasse hergestellt.

Die Anbringung der Gedenktafel sorgt in der Gasse für ein Kontrast-Erlebnis. Im Parterre der ehemaligen Werkstatt der Kerschensteiner arbeiten heute keine Kunsthandwerker mehr, sondern einarmige Banditen. Die Manufaktur ist einem Casino mit dem Namen „Super-Spiel“ gewichen. Kerschensteiner wurde 1935 durch Einheirat zum Musikhaus Weidlich. Das Unternehmen, das bis heute bei den Regensburgern einen guten Klang hat, ging 1995 ganz vom Markt.

Aber die Zither lebt. „Bis 5740 gingen die Bestellnummern“, weiß Franz Emmerig, Referatsleiter im Landesamt für Umwelt in Augsburg. Der Sohn des heute noch bekannten Regierungspräsidenten Prof. Dr. Ernst Emmerig (1916 bis 1999) spielt selbst die Zither. Seit Jahren kann er dabei an seine Vaterstadt denken, wenn er zu Hause übt oder mit seiner „Hie und da-Musi“ auftritt. Er hat sich zum anerkannten Kerschensteiner-Experten entwickelt. Im Regensburger Almanach 2015 schrieb er über seine Forschungen einen kenntnisreichen Artikel.

2500 Euro für die besten Zithern

Über seinen Lehrer Roman Messerer habe er von der Existenz und herausragenden Qualität der Kerschensteiner-Instrumente erfahren, erzählt er im Gespräch. Den heutigen Bestand schätzt er weltweit auf 260 Stück. Hin und wieder stoße man bei Online-Auktionen im Internet auf ein Exemplar. Manche machten eine weite Reise, sind danach aber in einem erbärmlichen Zustand. Kerschensteiner-Zithern wurden bis nach Brasilien verschifft. Eine wurde in Nordamerika sogar aus der Mülltonne gerettet.

Welchen Wert hat so eine Zither? „Die Frage ist schwierig“, sagt Emmerig. „Denn er hängt zunächst vom Zustand und einem erforderlichen Reparaturaufwand einschließlich Besaitung ab. Dann ist die Frage, welchen Preis der Interessent zahlen will, auf den man trifft. Ich habe schon Preise zwischen 400 und 2500 Euro gesehen. Um nicht falsche Erwartungen zu wecken, würde ich sagen, bei gutem Zustand im Mittel 1000 bis 1500 oder 1200 bis 1500 Euro.“

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Die Kerschensteiner-Erben wohnen in der Schweiz, in Hamburg und in München. Wir sprachen mit einer Enkelin. Mechthild Feser-Joch war bei der Gedenkfeier in Regensburg dabei. Sie sagte uns am Freitag, sie fühle sich „sehr glücklich, dass diese Instrumente mit solch herrlichem Klang so geschätzt werden.“ Sie hatte den Großvater selbst nicht mehr kennengelernt. „Meine Mutter erzählte viel von ihm. Er war wohl ein begnadeter Musiker und Instrumentenbauer, sowie ein sehr origineller Mensch.“

Franz-Xaver Kerschensteiner erhielt alle Auszeichnungen, die ein deutscher Geigenbauer erhalten konnte. Er war Stadtverordneter, Magistratsrat und Abgeordneter der Stadt Regensburg im oberpfälzischen Landrat. Er durfte sich Königl.-Bayer. Hoflieferant nennen. Sein Sohn Franz Seraph Peter Kerschensteiner (1869 bis 1935) stieg 1910 ins väterliche Geschäft ein.

Die Enkelin wieder stolz gemacht

Feser-Joch schlug einen anderen Weg ein. Sie studierte Stadtplanung in München. Trotz „Dritter Mann“ und der Revolution des Zither-Manä: Die Zither ist ein konservatives Instrument. Durch das Kennenlernen der Zitherspieler-Gemeinde um die Chieminger Lehrerin Lisbeth Genghammer wurde Mechthild Feser-Joch wieder zurück zu ihren familiären Wurzeln geführt. Sie bekennt: „Ich nutze jede Gelegenheit, sie zu hören.“