Buchvorstellung
Dokument von Verfall und Neubeginn

Der Fotograf Stefan Winkelhöfer portraitiert die letzten Stunden der Regensburger Nibelungenkaserne. Der Bildband ist ein historisches Dokument.

12.09.2013 | Stand 16.09.2023, 7:26 Uhr
Fritz Wallner

Der unwirkliche Augenblick zwischen Stillstand, Verfall und Neubeginn – festgehalten von Stefan Winkelhöfer in der Regensburger Nibelungenkaserne.

Dieser Bildband ist mit seinem Erscheinen schon ein historisches Dokument. Er zeigt die Regensburger Nibelungenkaserne in einer kurzen Zeit des Stillstandes. Das Militär hat die Gebäude bereits verlassen und eine 30 Hektar große Industriebrache hinterlassen. Die Bagger sind aber noch nicht angerückt, um die Kompaniegebäude, die Fahrzeughallen oder das ehemalige Schießkino dem Erdboden gleich zu machen, damit die ehemalige Kaserne zu einem Technologie-Campus und damit zu einer Chance für die städtebauliche Entwicklung der Stadt Regensburg werden kann.

Ein halbes Jahr durfte sich Winkelhöfer auf dem Areal der ehemaligen Ami-Kaserne Fort Skelly aufhalten, die schon bei der Wehrmacht Artillerie-Kaserne und bei der Bundeswehr die Heimat von Flugabwehr- und Fernmeldebataillonen war. Mit der drastischen Verkleinerung der Bundeswehr wurde auch die Nibelungenkaserne, eine von fünf Kasernen in der Stadt Regensburg, überflüssig. Winkelhöfers Fotografien zeigen diese öde, menschenleere Atmosphäre des Verfalls, die einen ganz eigenartigen Reiz auf den Betrachter ausübt. Sie bilden ab, wie mühelos die Natur sich das zubetonierte Areal binnen weniger Wochen zurückholt. Und sie dokumentieren die wenigen Hinterlassenschaften menschlichen Seins, des Soldat-Seins. Schon heute gibt es diese Bilder nicht mehr – die meisten Gebäude sind zu Gerippen geworden, zu entkernten Ruinen oder zu staubigen Plätzen, an denen sich die ehemalige Lage nur noch erahnen lässt.

Der Bildband in höchster Qualität, in einer Auflage von nur 1000 Exemplaren erschienen, gehört nicht zu den Werken der Regensburger Schokoladenseiten-Fotografie. „Er richtet den Blick zurück auf ein wichtiges Detail unserer städtischen Identität, die sich nachhaltig verändert“, sagte Oberbürgermeister Hans Schaidinger am Donnerstag bei der Buchvorstellung. Ein Dokument dieses Übergangs zu erhalten, sei auch städtisches Anliegen gewesen, weshalb man die Herausgabe des Bandes unterstützt habe. Wenig, so Schaidinger, werde von der ehemaligen Nibelungenkaserne in die Zukunft gehen. Möglicherweise könne die Wache und das Stabsgebäude erhalten werden, wo auch ein „Dokument“ zur Militärgeschichte entstehen könnte. Um ein Hotel erweitert, könnten Räume des alten Wirtschaftsgebäudes als „Gesellschaftsräume“ genutzt werden.

Winkelhöfer, der sich selbst eher als „Lichtmaler“ denn als Fotograf sieht, hat den „letzten Augenblick des Dahinscheidens“, wie er selbst sagt, diesen morbiden Charme der ehemaligen Kaserne, mit seiner Leica mit Blick für Details und für das Spiel aus Licht und Schatten festgehalten. Der Text und die Textfragmente zum Buch stammen von Marita Panzer – und sie wurden nicht zuletzt für den Freundeskreis ehemaliger US-Soldaten, die in Fort Skelly stationiert waren, ins Amerikanische übersetzt.

Die Raffler-Kaserne ist mittlerweile in ziviler Nutzung, in der Bajuwaren-Kaserne gibt es noch militärische Rest-Nutzungen und die Leopold- und Pionierkaserne sollen vom Bund verkauft werden. Für diese Liegenschaften gibt es derzeit (noch) keine vergleichbaren Dokumentationen.