Wettbewerb
Dorf-Casting: Interesse sinkt

Die Zahl der Teilnehmer bei „Unser Dorf hat Zukunft“ nimmt ab. Die Bewerbung fordert nämlich viel Einsatz. Zu viel?

18.06.2019 | Stand 16.09.2023, 5:31 Uhr
Kathrin Robinson

Mit einer Luftaufnahme von Haidenkofen fing alles an. 2010 schaffte es der Ort bis in den Bundesentscheid – und holte Gold. Ein Erfolg, mit dem niemand rechnete. Foto: Robert Spindler

Immer weniger bayerische Dörfer nehmen an dem Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ teil. Wie aus den von der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) veröffentlichten Zahlen hervorgeht, beteiligten sich an der Wettbewerbsrunde 2016 bis 2019 nur 237 Dörfer. Davon waren 44 aus der Oberpfalz und 23 aus Niederbayern. Zur Jahrtausendwende waren noch mehr als 1000 bayerische Dörfer dabei gewesen. Allein aus der Oberpfalz bemühten sich damals 245 Orte um eine Medaille bei dem Wettbewerb und damit mehr als zuletzt bayernweit. Seither sank die Zahl stetig. Die jüngste Runde hat diesen Monat begonnen.

„In den Kommunen sind immer weniger Bewohner ehrenamtlich tätig. Aber gerade dieser Einsatz und das Engagement sind für eine erfolgreiche Teilnahme unabdingbar“, sagt ein Sprecher des bayerischen Landwirtschaftsministeriums zur Erklärung. Auch setzten die Bürgermeister andere politische Schwerpunkte. Und andere Wettbewerbe wie das neu gestartete „Gütesiegel Heimatdorf 2019“ des bayerischen Heimatministeriums machten dem Wettbewerb zudem Konkurrenz.

Nicht nur Schönheit zählt

Seit 1961 haben nach LWG-Angaben mehr als 27 000 bayerische Dörfer an dem Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ teilgenommen, der früher unter dem Motto „Unser Dorf soll schöner werden“ stattfand. Dabei gehe es nicht allein darum, das schönste Dorf zu finden, sondern auch um die von der Dorfgemeinschaft gemeinsam erbrachten Leistungen. Der Wettbewerb für Dörfer und Ortsteile mit maximal 3000 Einwohnern läuft seit geraumer Zeit je über drei Jahre, wobei Auszeichnungen auf Kreis-, Bezirks-, Landes- und Bundesebene vergeben werden. Neben Urkunden und Preisgeldern geht es auch darum, die Dorfgemeinschaft zu beleben, den ländlichen Raum zu stärken und Orte etwa als Tourismusziele bekannter zu machen. Laut Ministerium sind im Haushalt rund 250 000 Euro pro Wettbewerbsrunde eingeplant.

Robert Spindler, Bürgermeister von Sünching im Landkreis Regensburg, sieht den Wettbewerb positiv. 2010 holte der kleine Ort Haidenkofen, der zum Gemeindegebiet gehört, sowohl auf der Landesebene als auch auf Bundesebene die Goldmedaille. Die Idee, dass das Dorf an dem Wettbewerb teilnehmen könnte, entstand nach einer Ballonfahrt, auf der Spindler – damals noch nicht Bürgermeister, aber begeisterter Fotograf – Schnappschüsse aus der Luft machte und beim Blick auf die Fotos feststellte, wie malerisch der Ort wirkte. Bei einer Dorfversammlung diskutierten die Bürger eine Teilnahme. Die Mehrheit sprach sich schließlich dafür aus, es zu probieren.

Ohne Vereine geht es nicht

„Alle haben an einem Strang gezogen“, erinnert sich eine der Hauptorganisatorinnen der Bewerbung, die nicht namentlich genannt werden möchte. Zahlreiche Stunden habe sie ehrenamtlich investiert, Anfragen beantwortet, Broschüren erstellt, Vorher-Nachher-Fotos gemacht, Präsentationen rechtzeitig vorbereitet. „Es war ein Riesenaufwand“, bilanziert sie. Ob sie das alles nochmal machen würde? „Das kann ich so spontan nicht beantworten“, gibt sie ehrlich zu. Trotzdem hat sich der Wettbewerb für den Ort aus ihrer Sicht gelohnt: „Die Resonanz war sehr positiv und die Dorfgemeinschaft hat profitiert.“ Die Feiern und Fahrten im Rahmen des Wettberwerbs seien ein schönes Gemeinschaftserlebnis gewesen. „Zur Preisverleihung nach Berlin ist das halbe Dorf im Bus nach Berlin gefahren. Daran erinnern sich alle gern.“

„Die Resonanz war sehr positiv und die Dorfgemeinschaft hat profitiert.“Eine Hauptorganisatorin der Bewerbung in Haidenkofen

Als „riesige Chance für den Ort“ bezeichnet Manfred Hauser, Bürgermeister von Lupburg im Landkreis Neumarkt, den Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“. Die Teilnahme Lupburgs liegt schon mehrere Jahre zurück, doch der Ort profitiere noch heute davon. „Bei uns muss man die Teilnahme in Zusammenhang mit der gleichzeitig stattfindenden Dorferneuerung sehen. Das hat den Ort richtig aufblühen lassen. Wir hatten ja vorher nicht mal eine vernünftige Kanalisation“, erinnert er sich. Der Wettbewerb sei mit eine Motivation gewesen, die Erneuerung anzugehen. Belohnt wurden die Bemühungen mit der Goldmedaille auf Landesebene 2004 und zudem dem Europäischen Dorferneuerungspreis 2006. Der Bürgermeister könnte sich eine Teilnahme jederzeit wieder vorstellen.

„Eine Kommune allein kann so einen Wettbewerb nicht stemmen, wenn die Vereine nicht mitmachen. Sie tragen die Hauptlast.“Birgit Höcherl, Bürgermeisterin von Schönsee

Weitere Nachrichten aus Bayern lesen Sie hier