Regensburg liest
Ein Buch als Schlüssel zur Seele

Psychotherapeutin Dr. Sepideh-Maria Ravahi erklärt im Interview, wie das Lesen von Büchern als Form der Therapie dienen kann.

18.04.2018 | Stand 16.09.2023, 6:08 Uhr

Die Psychotherapeutin Dr. Sepideh-Maria Ravahi bietet in Zusammenhang mit dem Festival eine bibliotherapeutische Sprechstunde an. Foto: Ravahi/privat

Das Lesen von Büchern als Form der Therapie – wie muss man sich das vorstellen?

Lesen ist natürlich keine Therapie im engeren Sinne, aber jeder leidenschaftliche Leser hat bestimmt schon erlebt, dass Texte das Potenzial haben, ihn zu verändern. Es gibt Forschungserkenntnisse darüber, auf welche Weise das Lesen auf den Menschen – sein Fühlen, Denken, Handeln einwirkt. Das Wissen über diese Wirkfaktoren kann bei der individuellen Auswahl der Lektüre genutzt werden, um neben der Freude am Lesen auch die heilsamen Eigenschaften eines Textes zur Entfaltung zu bringen.

Es gibt so unterschiedliche Bücher wie Menschen. Wie findet man das richtige?

Nicht jede Medizin ist für jeden Menschen geeignet. Dasselbe gilt auch für Bücher. Der Text mit der größten Wirkung ist derjenige, der die Persönlichkeit des Leser berücksichtigt, seine Lesegewohnheit, seine Lebenssituation, seinen Konflikt und auch die Phase, in der er sich gerade befindet. Wenn diese Rechnung aufgeht, dann gelingt oftmals eine intuitiv-unmittelbare Annäherung an den eigenen Konflikt, der neue Wege eröffnet.

Warum eignet sich „Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer“ als Buch für diese Art von Therapie?

In seinem Buch greift Alex Capus die ewige Spannung zwischen der gelebten und der ungelebten Biographie, zwischen dem Getanen und dem Versäumten und unserem menschentypischen Umgang mit dieser Spannung inklusive all seiner Verrücktheiten, Pathologien und Blüten auf. Somit berührt Capus inhaltlich ein universelles Thema, das sich hervorragend für das Ansinnen der literarischen Sprechstunde eignet.

Was bieten Sie in Zusammenhang mit der Aktion Regensburg liest genau an?

In Zusammenarbeit mit der Aktion Regensburg liest ein Buch lädt der Zusammenschluss „Literarische Apotheke“ Leser gegen einen geringen Unkostenbeitrag ein, vor dem Hintergrund von Capus‘ Roman die eigene gelebte und ungelebte Biografie und ihren Umgang mit diesen zu betrachten. Dies kann in einem Einzelgespräch oder in einer Gruppe mit maximal sechs Teilnehmern stattfinden. Das Angebot richtet sich an Menschen, die beim Lesen des Buchs auf sich selbst zurückgeworfen werden und nun neugierig sind, die eigenen inneren Räume zu durchschreiten – nein, dazu reicht die Zeit nicht – aber zumindest dazu, einen Blick durch das Schlüsselloch in die eigene Stube zu werfen.