Schauspiel
Ein Ego-Kotzbrocken der Extraklasse

„Rum und Wodka“ erweist sich als Lebenselixier der finsteren Art.

15.11.2018 | Stand 16.09.2023, 5:58 Uhr
Peter Geiger

Jonas Hackmann verleiht dem Lebensüberdruss eines Mittzwanzigers Ausdruck. Foto: Christina Iberl

. Nein, natürlich ist dieser Typ da vorne auf der Bühne alles andere als sympathisch. Wer sich als zweifacher Familienvater so offen und sehenden Auges zum komplett orchestrierten Selbstkontrollverlust aus Alkohol und Seitensprung bekennt, ist ganz klar ein Ego-Kotzbrocken der Extraklasse.

Und auch dem Pluspünktchen, das er gleich zu Beginn seiner monologisch vorgetragenen Beichte auf der moralischen Habenseite verbuchen kann, ihm stutzt er selbst und höchstpersönlich die Flügel. Denn sein in entwaffnender Weise vorgetragenes Bekenntnis, ein „Arschloch“ zu sein, dessen „ganzes Leben“ aus „schmutzigen Details“ besteht, es mündet keineswegs in Selbsterkenntnis, die den Weg zu einer wie auch immer gearteten Läuterung ebnen könnte.

Nein, am Ende seiner im Grundton weinerlichen Selbstmitleids vorgetragenen Suada über ein verlorenes Wochenende kehrt er nach Hause zurück, zu den beiden Töchtern: „Ich sah ihnen beim Schlafen zu. Alles war friedlich. Ihr blondes Haar. Ihre kleinen Hände.“ Worauf, ungeschnitten, der in seiner Wucht alles fällende Satz folgt: „Ich konnte es nicht ertragen.“

Trotzdem – oder genau deswegen? – ist dieser „Rum und Wodka“ überschriebene „Soloabend mit Jonas Hackmann“ im Theater am Haidplatz ein Ereignis! Weil der 24-jährige aus dem Rheinmain-Gebiet stammende Ensembleneuling es brillant versteht, dieser ebenso namen- wie rückgratlosen Weichbirne, die sich da im Ozean des Multioptionalen mit traumhafter Sicherheit verhakt, höchst flexible Verstrebungen und Gelenkmodule einzusetzen.

Wenn er eingangs über die Wohnlandschaft turnt und davon erzählt, wie ihm all das gelang, mit 20 bereits einen guten Job bei der Stadtverwaltung zu ergattern, zu heiraten und ein Haus zu bauen (woran man übrigens merkt: das Stück des Iren Conor McPherson kann gar nicht aus unserer Gegenwart stammen!) – dann geschieht das mit so viel natürlich vorgetragener Altklugheit, dass man meint: Dieser Typ, der hat in seinen Twens schon eine Überdosis an Lebenssaft genossen! Respekt!

Aber dieses gegelte Manschkerl ist ja nicht nur ein Wie. Vor allem ist er ein Was! Und da wird durch das klug von Regisseur Fabian Rosonsky eingefädelte Spiel deutlich, wie wenig er den Fesseln der Pubertät entronnen ist. Wenn er in der Sternschnuppe Myfanwy die ewige Liebe zu erkennen glaubt. Und behauptet, Rum und Wodka seien ein Lebenkraft spendendes Elixier. Mit seinem feinsinnigen Spiel leuchtet Jonas Hackmann ihn aus, diesen Raum existenzieller Leere und abgrundtiefer Finsternis.