Wirtschaft
Ein tragisches Stück Braugeschichte

Der Auerbräu in Regensburg/Steinweg wird 120 Jahre alt. Von der einstigen Pracht blieb nur eine Gaststätte.

10.05.2016 | Stand 16.09.2023, 6:48 Uhr
Helmut Wanner

Der Auerbräu in der Schwandorfer Straße auf einer historischen Aufnahme: Das doppelte Walmdach von 1809 rettete das Wirtshaus vor dem Abriss. Foto: Auer

Bevor der 18-jährige Steinweger Brauerssohn Wilhelm Auer 1916 in den Krieg zog, das ist heute vor 100 Jahren, malte er in Temperafarben einen großen, schattigen Biergarten an der Westseite der Reinhausener Regenbrücke. Damals feierte der Auerbräu, gegründet von Wilhelm Auer sen. (1872 bis 1945), sein 20. Jubiläum.

„Hans Kneitinger und mein Vater hatten zusammen in Weihenstephan studiert“Theodor Auer

Wilhelm Auer hat den Krieg überlebt. Er wurde 1924 zum Priester geweiht. Das Gemälde wurde ihm immer wichtiger. Auf die Rückseite schrieb Auer, jetzt schon 46 Jahre älter, Theologieprofessor und Leiter des Stuttgarter Bibelwerks, als er es rahmte und gegenüber seiner Hauskapelle aufhängte: „Das war mein Vaterhaus, eine uralte Brauerei. Schon vor 1600 war hier schon Braustätte. Hier bin ich am 8. Juli 1898 geboren, hier habe ich eine glückliche Kindheit verbracht. 1962 hab ich es gerahmt und aufgehängt, denn nach dem Tod meiner Schwester Betty habe ich keine Heimat mehr.“

Brauerei unter den Rädern Fortunas

Wilhelm Auer hat 1955 die Chronik der Brauerei Auer geschrieben. Das Bild ging nach seinem Tod an seinen Bruder Hans über. Auch der hätte gerne noch einmal eine Halbe Auer-Märzen unter den Kastanien getrunken, was ihm nicht vergönnt war. Als der Theologieprofessor und Freund von Joseph Ratzinger (die MZ berichtete) starb, erbte sein Neffe Theodor, Sparkassendirektor a. D. und langjähriger Vorstand des Historischen Vereins, das Gemälde. Heute hat es einen Ehrenplatz in seiner Wohnung. Es zeugt von der Tragik einer Steinweger Brauerfamilie, die der Mutter Kirche zwei Priester und Theologieprofessoren schenkte, das Altarbild für die Dreifaltigkeitskirche spendete, zu den Glocken dazu zahlte, aber dennoch im Rad der Fortuna nach unten fiel.

Mittelbayerische Maps zeigt private Brauereien in der Region:

Auer-Bier wird schon seit über 40 Jahren nicht mehr gebraut, und dass es die original erhaltene Brauereiwirtschaft samt Einrichtung von 1896 noch gibt, ist vor allem dem Einsatz des Denkmalschützers Dr. Eberhard Paulus zu danken. Er durchkreuzte die totalen Abrisspläne. Auf dem Brauereigelände wurde eine Eigentumswohnanlage gebaut, ein Viertel erwarb die Stadt für Straßenbaumaßnahmen. Bevor der „Bräu“ Wilhelm Auer am 4. Juni 1945 in seinem Anwesen in der Schwandorfer Straße die Augen schloss, hatte er seinen Kindern das Versprechen abgenommen, die Steinweger Kleinbrauerei weiterzuführen. Die Bedingungen für die Erfüllung des Gelübdes waren schwierig: Sein auserwählter Nachfolger Sohn Theodor, den er in Weihenstephan Brauerei-Ingenieur hatte studieren lassen, war am 7. März 1944 in Tarnopol gefallen. Dessen zwei Brüder waren „aus der Art geschlagen“ und berühmte Theologieprofessoren geworden. Unter Schwester Betty Auer hatte die Brauerei keine Zukunft. Schließlich erbte eine Cousine alles und verkaufte an den Mangoldinger Bauunternehmer Albert Guggenberger. Der reichte den Abriss-Antrag ein, allein die Traditionsgaststätte am Brückenkopf konnte unter Denkmalschutz gestellt werden.

Die Fallhöhe der Brauerfamilie Auer kann ermessen, wer betrachtet, was Wilhelm Auer 1921 noch sein Eigen nannte. 87 Tagwerk Grund, darunter das gesamte Gebiet der späteren Konradsiedlung. In zehn Wirtschaften, von Demling bis Wenzenbach, in Keilberg und Sallern, schnappten die Verschlüsse der grünen Flaschen mit dem eingeprägten Auerochsen. Der vaterlos aufgewachsene Theodor Auer (80) kann sich erinnern, dass sich in seiner Zeit unter Kastanienbäumen die Steinweger, Stadtamhofer und Reinhausener bei Presssack sauer und Knackwurst zum Dämmerschoppen trafen.

Mit Kneitinger in Weihenstephan

Alte Steinweger sollen ja heute noch ihr Bier aus Krügen mit dem Auer-Ochsen-Emblem trinken. Allerdings nicht mehr befüllt mit dem bekannten „Auer-Bier“. Theodor Auer: „Es schmeckte ungefähr wie das Kneitinger Bier. Nur war das Helle etwas leichter, aber der Bock war genauso stark. Kein Wunder: Denn Hans Kneitinger und mein Vater Theodor hatten zusammen in Weihenstephan studiert.“

Lesen sie auch: Benedikt XVI. hörte 1947 seine erste Vorlesung von Dr. Johann Auer, Brauersohn aus Steinweg.Und: Für unsere Serie „Historische Wirtshäuser in Ostbayern“ haben wir vor drei Jahren schon das Auerbräu besucht.Die Geschichte lesen Sie hier.

Unsere Serie „Historische Wirtshäuser in Ostbayern“ finden Sie auch auf Mittelbayerische Maps:

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