Siegenburg-Range
Eine bombige Sache, so und so

Für die Natur ist das Ex-Bombodrom bei Siegenburg ein Schatz. Für den Menschen ist es erst mal ein riesiges Risiko-Areal.

02.02.2016 | Stand 16.09.2023, 6:48 Uhr
Die militärische Nutzung hat den Bombenabwurfplatz bei Siegenburg zu dem gemacht, was er ist: oberirdisch ein Natur-Idyll, im Untergrund eine riesige Altlasten- und Kampfmittel-Deponie. −Foto: dpa

Freud’ und Leid liegen nah beieinander auf dem ehemaligen Luft-Boden-Schießplatz Siegenburg. Oder besser gesagt: übereinander. Denn die Sandmagerrasen, Heideflächen und lichten Kiefern-Forsten sind eine Schatzkästlein für Natur und Mensch. Doch fast im gesamten Untergrund des rund 270 Hektar großen „Bombodroms“ können militärische Kampfmittel und sonstige Altlasten lauern. Sie zu finden und zu beseitigen, wird Jahre dauern und sowieso nur in ausgewählten Teilen umsetzbar sein. Am Betretungsverbot wird sich daher so schnell nichts ändern. Das wurde am Montag klar, bei einer Feier mit Bundes-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt, anlässlich der Ausweisung des Bombodroms als Naturschutzgebiet.

Hartnäckiges Drängen aus Siegenburg und dem Kreis Kelheim hatte schnell Erfolg: Nicht einmal ein Jahr dauerte das Verfahren, an dessen Ende, am 10. November 2015, die Regierung von Niederbayerndas frühere Nato-Übungsgelände zum Naturschutzgebieterklärte – rekordverdächtig schnell, betonte Regierungspräsident Heinz Grunwald. Das nunmehr drittgrößte Schutzgebiete im Kreis Kelheim ist ein „Glücksfall für den Arten- und Biotopschutz“, darin waren sich die Teilnehmer der Feier am Montag einig: Die schütter bewachsenen Sandflächen und Zwergstrauch-Heiden beherbergen Seltenheiten wie die „Blauflügelige Ödland-Schrecke“, eine Heuschrecke, oder die Ästige Mondraute, einen sehr seltenen Farn.

Dreierlei Aufgaben sind zu meistern

In den nächsten Jahren wollen nun dreierlei Interessen unter einen Hut gebracht werden: Militärische Altlasten müssen beseitigt werden – zumindest dort, wo sie das Grundwasser gefährden und dort, wo das Gelände danach gefahrlos betretbar sein soll; Die seltenen Tier- und Pflanzenarten im Areal sollen weiterhin ideale Lebensbedingungen vorfinden; Und: Es sollen naturinteressierte und erholungssuchende Menschen das Gebiet betreten können – ohne Gefahr für ihr eigenes Leben, aber auch ohne empfindsame Natur zu stören.

Eine Herkules-Aufgabe wird die Kampfmittel-Beseitigung. Diese Prognose des Landwirtschaftsministers und früheren Verteidigungs-Staatssektretärs Christian Schmidt belegte Karsten Pfaue von der Sparte Bundesforst der Bundesanstalt für Immobilien-Aufgaben (BImA).

Die BImA ist Eigentümerin des einstigen Bombenabwurf-Platzes und für ihn verantwortlich, seit 2014 die militärische Nutzung durch Bundeswehr und US-Air Force beendet wurde. Sie hat nach einem standardisierten Schema mit der Risikoerfassung und -bewertung begonnen, erläuterte Pfaue.

Dazu liegt seit Mitte 2015 eine erste Analyse vor, die „Historisch-genetische Rekonstruktion“ anhand von Material, das seit Nutzungsbeginn im Jahr 1937 verfügbar ist: Luftbilder, Archivmaterial und Gutachten. Hieraus ergibt sich, dass 96 Prozent der Bombodrom-Fläche unter Kampfmittel-Verdacht stehen; außerdem gibt es 25 Flächen wie ehemalige Sprengplätze, Tankstellen, Schrottgruben, wo wohl der Boden verseucht ist. Nun müssen genaue Untersuchungen her, erklärte Karsten Pfaue: Welche Bomben-Typen wurden in fast acht Jahrzehnten abgeworfen? Welche potenziellen Trinkwasser-Gefährder wie etwa TNT liegen vor? Viele Fragen sind offen.

Viele Sorgen, eine Entwarnung

Immerhin: Hinweise auf radioaktive Belastung, durch den Einsatz von abgereichertem Uran, gibt es nicht. Als nächstes wird laut Altlasten-Experte Pfaue das Areal beflogen: Aus Spezial-Luftbildern wird ein digitales Geländemodell erstellt, das vor allem Vergrabungen aufdeckt. Allein von der US-Army ist bekannt, dass vier Mal Hausmüll und 16 Mal Munitionsschrott verbuddelt wurde.

Noch mehr Sorgen bereiten die Kampfmittel, die im Boden liegen, Blindgänger zum Beispiel: Bis zu neun Meter tief haben sie sich in den weichen Sandboden gebohrt, weiß man. Bis Anfang der 1960er Jahre wurden scharfe Bomben genutzt, danach „nur“ noch Übungs-Material. Um welche Mengen es geht, lässt ein Projekt noch unter US-Regie erahnen: 1989 wurden nur die Straßen des Schießplatzes „tiefen-beräumt“, also ein kleiner Bruchteil des Geländes – allein dabei kamen bereits 275 Bomben zum Vorschein!

„Eine komplette Kampfmittelräumung ist nicht realistisch“Karsten Pfaue, Bundesforst-Sparte

In einer Pressemitteilung rechnet der Landshuter Bundestagsabgeordnete Dr. Thomas Gambke, „dass die Räumungskosten (…) sicher im 2-stelligen Millionen Eurobereich zu erwarten sind“. Dessen ungeachtet gilt laut Karsten Pfaue: „Eine komplette Kampfmittelräumung ist nicht realistisch“ – aus technischen und Kostengründen, und weil sonst keine schützenswerte Natur mehr übrig wäre.

Es müsse daher ein Konzept her, das zeigt, welche Bereiche der Natur überlassen werden, also ungestört und unbetreten bleiben: Dort könnten, vereinfacht gesagt, Kampfmittel im Boden bleiben, sofern sie nicht das Grundwasser gefährden. Letzteres müsse durch ein langfristiges Grundwasser-Monitoring abgesichert werden. In Bereichen aber, die künftig zugänglich sein sollen – sei es für Besucher, sei es für Naturschutz-Pflegearbeiten – müssen Kampfmittel beseitigt werden. Erst dann ist an eine Öffnung des Geländes für Besucher zu denken, stellte Pfaue klar.

Parallel zur BIma sind also jetzt diejenigen am Zug, die der „Rohperle“ Bombodrom den Naturschutz-Feinschliff geben wollen: Bundesamt für Naturschutz, Höhere Naturschutzbehörde,die „Naturerbe GmbH – Deutsche Bundesstiftung Umwelt“, der der Bundestags-Haushaltsausschuss eine Übernahme der Fläche angedient hat. Und natürlich all diejenigen, die sich vor Ort um das Gelände kümmern.

Für Landrat Dr. Hubert Faltermeier ist der Landschaftspflegeverband Kelheim VöF der ideale, weil „erfahrene Partner“, der sich künftig um Planung und Pflege-Management kümmern soll. Ein gewichtiges Wort mitreden will aber auch weiterhin die „Bürgerinitiative gegen den Fluglärm“. Ein Ende des Fluglärms ist zwar erreicht, nach langem und hartnäckigem Drängen der BI.

Aber BI-Vorsitzender Wolfdietrich M. Rading kann sich eine neue Zielsetzung vorstellen: den Weg zu Naturschutz-Optimierung und Besucherlenkung „kritisch und drängend“ zu begleiten. Das soll bei der Jahresversammlung am 29. April besprochen werden, so Rading. Der Markt Siegenburg, der das Verwaltungsgebäude am Rand des Areals gekauft hat, will darin ein Infozentrum verwirklichen, um das Schutzgebiet auch touristisch nutzen zu können, bekräftigte Bürgermeister Dr. Johann Bergermeier.