Glaube
Eine Spurensuche unter Luthers Erben

Falkenstein ist katholisches Kernland. Doch gerade hier lebt ein evangelischer Orden. Ein Besuch zum Reformations-Jubiläum.

30.10.2017 | Stand 16.09.2023, 6:25 Uhr

Bruder Philippus, hier mit Schwester Gertrud in der Kirche des Ordens, leitet die Christusbruderschaft in Falkenstein – ohne einem der Brüder oder Schwestern vorzustehen. „Er ist einer unter Gleichen“, sagt Schwester Gertrud zur Stellung des Bruders. Foto: Klöckner

Armut – Keuschheit – Gehorsam. Das klingt katholisch. Ist es aber nicht! Vielmehr sind das die drei „Leuchtzeichen“ der Christusbruderschaft, eines evangelisch-lutherischen Ordens – des einzigen im Landkreis Cham. Er hat seinen Hauptsitz in Falkenstein und beherbergt heute zwölf Schwestern und sechs Brüder.

Das alte Krankenhaus hat der Orden bei dessen Schließung 1984 übernommen, später, 1993, wurde ein großer, heller Neubau angebaut. Mit Tagungen, Freizeiten oder Frauentagen laden sie andere Christen zum religiösen Luftholen ein.

Erinnerung an andere Welt

Das Ordenshaus in Falkenstein sei ein Ort, wo Christen Stille finden könnten, sagt Schwester Gertrud bei der Begrüßung an der Pforte. Und es stimmt – kein Ton klingt durchs Treppenhaus, wo Verkaufstische mit religiöser Literatur und anderem aufgebaut sind. Warum es den Orden gebe? „Wir wollen den Menschen deutlich machen, dass es etwas anderes gibt als diese Welt“, so die Schwester, die seit über 40 Jahre dabei ist.

Man lebe bescheiden und einfach, aber nicht asketisch – „Sie sehen ja, bei uns ist alles schön!“ Und glaube, dass allein der Wille Gottes entscheide, ob man das Paradies sehe oder nicht. Auch gute Taten auf Erden hätten da keinerlei positive Wirkung, so Schwester Gertrud. Es sei hier auch kein Gehorsam gegenüber der Kirche gemeint, sondern ein Gehorsam nur Gott gegenüber. Sicher – Luther sei die Wurzel, aus der der evangelische Orden hervorgegangen sei – doch maßgeblich sei das Wort Gottes als Korrektiv in der Welt. Deshalb ist auch manches, was aus ihrer Kirche zu hören ist, oft nur schwer für sie nachzuvollziehen.

Katholisch aufgewachsen

Schwester Gertrud weiß genau, wovon sie spricht, wenn sie die Unterschiede der Kirchen beschreibt. Denn sie ist in einem katholischen Elternhaus aufgewachsen. In einer katholischen Diaspora in Baden-Württemberg. Sie habe als Volksschullehrerin gearbeitet. Doch innerlich habe ihr immer etwas gefehlt, ein Ziel im Leben. Zuerst habe sie Musik und Theologie studieren wollen, was aber in Stuttgart nicht möglich gewesen sei. So blieb es bei Musik – deshalb spielt sie heute die Orgel in der Kirche im Ordenshaus und hat auch schon manchen katholischen Organisten im Landkreis ausgebildet. Ein offener Abend der Christusbruderschaft führte sie zum Konfessionswechsel und zum Orden. „Für meine Eltern war das eine Katastrophe“, sagt sie.

„Wir folgen nur dem Wort Gottes!“Schwester Gertrud

Es überrascht, hier, mitten im katholischen Kerngebiet Bayerischer Wald, einen evangelischen Laienorden zu finden. In grauer Ordenstracht und mit ganz anderen Ausrichtungen als die sonst als weltoffen bekannte Es sei eine Fügung von Gott gewesen, die die Bruderschaft aus dem Stuttgarter Raum nach Falkenstein geführt habe, so Schwester Gertrud. Der dortige Orden habe einen anderen Weg eingeschlagen – „wir wollten den alten beibehalten!“, sagt sie. Die Christusbruderschaft als orthodox zu beschreiben, weist sie jedoch zurück. Kategorisieren lassen will sie sich nicht – „wir folgen nur dem Wort Gottes!“

So habe man sich auf die Suche nach einer neuen Heimat gemacht und dafür gebetet – und sei vor 35 Jahren hier fündig geworden. Bürgermeister Kulzer und Landrat Girmindl hätten den Orden mit offenen Armen empfangen. Damals habe in das alte Krankenhaus eine Diskothek gesollt – da ihnen der Orden gerade recht gekommen, auch wenn es hier und da anfangs geheißen habe, nun kämen die Ketzer und wollten missionieren, was aber nicht der Fall gewesen sei.

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Selbst der katholische Pfarrer Meier habe sie freudig begrüßt, wie es überhaupt mit den Falkensteinern schnell eine gute Zusammenarbeit gegeben habe – „mehr Probleme hatten wir da mit der Rodinger Evangelischen Kirchengemeinde“, sagt sie in der Rückschau. Die sei auf anderem Weg gewesen, sagt sie und gibt Stichworte wie Befreiungstheologie oder auch psychische Seelsorge. „Das haben wir abgelehnt. Wir wollten nur lebendige Christen sein“, beschreibt Schwester Gertrud.

Die Jüngste ist 45

Schwester Gertrud ist 74 Jahre alt – wenn man sie dann fragt, ob sie denn die Älteste sei, dann lacht sie herzhaft in ihrem Elektrorollstuhl. „Nein, bei weitem nicht“, – die Älteste, Schwester Hedwig, sei 91, die nächste, Schwester Ruth, schon 90. Und Bruder Michael hat auch schon mit 90 ein gesegnetes Alter erreicht. Wobei das Alter nicht viel aussage, meint Schwester Gertrud – Bruder Michael organisiere bis heute die Südtirol-Freizeit, Schwester Ruth noch immer Tagungen. Doch schaut sie in die „jüngeren“ Reihen des Ordens, wird es dünn. Die Jüngste im Kreise ist Mitte 40 – „Jüngere würden uns guttun!“, sagt Schwester Gertrud. Wie auch viele der katholischen Ordenskollegen leidet auch die Bruderschaft unter dem Nachwuchsmangel. Doch auch, wenn der Orden überaltert, bis heute bleibt sein Ziel fest: Er will ein Leuchtzeichen setzen.

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