Umwelt
Endlos-Geschichte um das vergiftete Haus

Seit Jahren wird versucht, das Grundstück einer ehemaligen Reinigung in Cham zu entgiften. Doch es gibt immer neue Probleme.

25.11.2015 | Stand 16.09.2023, 7:00 Uhr
Über manches wächst mit der der Zeit Gras, doch das Grundstück an der Frühlingsstraße 14, die ehemalige Wäscherei und chemische Reinigung, kommt nicht zur Ruhe, da der Untergrund wohl noch immer hohe Werte an Giften enthält. −Foto: Klöckner

Die unendliche Geschichte um die Entgiftung eines etwa 2000 Quadratmeter großen Grundstücks an der Frühlingsstraße in Cham hat einen Anfang, der schon lange zurückliegt. Wohl schon in den 90er Jahren oder vorher starteten die ersten Versuche – damals noch von der chemischen Reinigung und Wäscherei Christl selbst, die den Schaden im Boden verursacht hatte. Das Unternehmen scheiterte auch an den kostenträchtigen Versuchen, das Gelände zu reinigen.

1995 erfuhr das Landratsamt von der Bodenbelastung, das seit dem mehr oder weniger aktiv versucht, die mehrmals wechselnden Besitzer zur Sanierung des Grundstücks an der Frühlingsstraße zu bewegen, um das krebserregende Gift – vor allem das zu Reinigungszwecken benutzte PER – zu beseitigen. Bislang ohne Erfolg. Auch der jetzige Besitzer, eine „haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft“, deren Geschäftsführer ein Mann aus dem Landkreis Schwandorf ist, hat nicht auf die Aufforderung der Behörde reagiert.

Fachfirma arbeitet bereits

Doch dieses Mal – nach 20 Jahren hin und her – will das Landratsamt durchgreifen. Es hat eine Fachfirma beauftragt, den Grund und das Wasser darunter noch einmal zu untersuchen und wieder ein neues, teures Gutachten über die Belastung zu entwerfen. Denn zu viel Zeit ist seit dem letzten Gutachten vergangen – keiner wisse, ob und wieviel Gift noch im Boden sei. Wobei Martina Altmann nicht annimmt, dass sich das PER bereist ganz verflüchtigt und übers Wasser in andere Regionen rund um das Grundstück bewegt hat. 2008 war noch von einer „hochgradigen Belastung“ die Rede. 1992 bis 2001 war dort bereits einmal mit Luftabsaugung und Reinigung saniert worden – doch blieben die Schadstoffwerte hoch.

12000 Euro Gutachten-Kosten

Man gehe für die Untersuchung als Behörde in finanzielle Vorleistung, da der Eigentümer das wohl nicht leisten könne, so Oberregierungsrätin Martina Altmann, zuständig für Bau und Umwelt. Zumindest hat sich der Eigentümer bislang nicht gemeldet. Mit Bescheid vom 27. August 2014 hatte das Landratsamt der Grundstückseigentümerin – der „Frühlingsstr.14-UG“ für das fragliche Grundstück die Durchführung von umfassenden Sanierungsuntersuchungen mit abschließendem Maßnahmekonzept angeordnet. Es setzte ein Ultimatum bis 31. März 2015, die angeordnete Sanierungsuntersuchung selbst durchzuführen. Das geschah nicht.

Da der Anordnung nicht Folge geleistet worden sei und der Bescheid bestandskräftig wurde, werde nunmehr das Landratsamt Cham die Sanierungsuntersuchung im Wege der Ersatzvornahme – das heiße, auf Kosten der Eigentümerin – durchführen lassen, so Martina Altmann. Ob die Behörde den Einsatz jemals wiedersieht, ist fraglich: „Wir hoffen, das Geld wieder zu bekommen!“ Etwa 12000 Euro wird die Untersuchung mit dem Gutachten über die Bodenbelastung kosten.

„Mysteriös“: Messstelle ist weg

Für das neue Gutachten hat das Landratsamt nach eigenen Angaben mehrere Angebote von Sanierungsfirmen eingeholt und im Juni 2015 einer Sanierungsfirma den Auftrag erteilt. Doch gab es dann vor Ort eine „mysteriöse“ Überraschung, wie es Martina Altmann ausdrückt. So habe man bei der notwendigen Bestandsaufnahme festgestellt, dass zunächst einmal Ersatz für eine nicht mehr auffindbare Grundwassermessstelle geschaffen werden musste. Das ist ein Loch im Boden, das eigentlich von früheren Untersuchungen da sein müsste. War es aber nicht mehr.

Dementsprechend musste der ursprüngliche Auftrag für die Firma Anfang September 2015 noch einmal ausgeweitet werden. Zur Zeit ist die Fachfirma nun dabei, die Bestandsaufnahme durchzuführen. „Danach steht der Ersatzvornahme voraussichtlich nichts mehr im Wege“, sagt die Oberregierungsrätin. Die soll nun endlich und in jedem Fall kommen. „Es besteht Handlungsbedarf“, hat Martina Altmann noch einmal betont.

Dass das Grundstück seit Jahrzehnten auf eine Entgiftung wartet und es nicht so schnell vorangeht, wie gewünscht, ist selbst dem Landrat schon aufgefallen. In einem Schreiben von 2014 an einen früheren Mitarbeiter der chemischen Reinigung schreibt Franz Löffler: „Mir ist natürlich aufgefallen, dass die Durchsetzung der Maßnahmen nicht so schnell, wie ich es mir wünsche, vorangeht.“ Das liege aber nicht an seinen Mitarbeitern, sondern an den sich in der Vergangenheit ändernden Eigentumsverhältnissen des belasteten Grundstücks und den damit verbundenen „Vollzugsproblemen“.

Von der Amtspost überrascht

Das spielt auf die Besitzer an, die immer wieder dachten, sie kaufen ein Schnäppchen, wenn das Grundstück etwa bei Versteigerungen unter den Hammer kam. Das Kleingedruckte wurde nicht gelesen – erst mit der Post vom Landratsamt kam das böse Erwachen. Dagegen hatte schon ein Vorbesitzer geklagt – er sah das Landratsamt bei den Kosten mit im Boot, da es lange untätig gewesen sei.

Handlungsbedarf gibt es im Zusammenhang mit dem Grundstück auch an anderer Stelle. Eine frühere Chamer Mitarbeiterin in der chemischen Reinigung, die an Krebs erkrankt ist, klagt mittlerweile beim Sozialgericht auf Anerkennung ihrer Krankheit als Berufskrankheit. Sie vermutet, dass die Arbeit mit dem PER sie letztlich krank gemacht hat.