Erschlagen im eigenen Haus

Serie Ostbayerns ungelöste Mordfälle: Im April 1989 wird der Neunburger Ernst Josef Pregler von seinem Sohn tot aufgefunden. Doch warum musste er sterben?

21.09.2017 | Stand 16.09.2023, 6:22 Uhr
Nina Schellkopf

Das Mordopfer: Ernst Josef Pregler wird von seinem Mörder brutal erschlagen. Bis heute rätseln die Ermittler über das mögliche Motiv. Fotos: MZ-Archiv

Neunburg vorm Wald. Donnerstag, der 27. April 1989. An diesem regnerischen Tag will der Sohn Ernst Josef Pregler zum Kneipenbesuch abholen – so wie fast jeden Tag. Doch der Vater ist tot – brutal erschlagen von einem Unbekannten.

Gegen 14.15 Uhr betritt der Sohn das Grundstück in der Diendorfer Straße 39 am Stadtrand von Neunburg. Der 30-Jährige öffnet das Tor, durchquert den Garten und geht schließlich ins Haus. Die Tür steht offen, aber das ist an und für sich nicht ungewöhnlich. Als Pregler junior das Wohn- und Schlafzimmer betritt, stockt ihm der Atem: Dort liegt sein Vater, blutüberströmt. Der 60-Jährige kniet vor dem Schlafsofa, der Oberkörper liegt auf der Sitzfläche, an seinem Schädel klafft eine große Wunde, überall ist Blut. Panisch läuft der Sohn aus dem Haus und zum Nachbarn, von wo aus er den Notarzt verständigt. Der kann nur noch den Tod des arbeitslosen Zimmermanns feststellen und die Kripo einschalten.

Wie die Obduktion später ergeben wird, wurde Ernst Josef Pregler mit unheimlicher Brutalität ermordet. Ein oder zwei Schläge müssen ihn zunächst an der rechten Stirnseite getroffen haben, so dass der 60-Jährige auf seiner Liege zusammengebrochen ist. An seinem Hinterkopf finden die Gerichtsmediziner bis zu elf Zentimeter große Wunden. Der Täter hat mit einem schweren, stumpfen Gegenstand insgesamt sechsmal auf den wehrlosen Mann eingeschlagen. Die Schädeldecke ist gebrochen. Die Mordwaffe – möglicherweise ein schwerer Hammer – ist bis heute spurlos verschwunden.

Die Art und Weise, wie Preglers Leichnam gefunden wird, lässt die Ermittler vermuten, dass der arbeitslose Zimmerer geschlafen hat, als ihn sein Mörder im Haus überrascht. Pregler trägt noch die Kleidung vom Vortag. Nur die Schuhe hat er ausgezogen. Vermutlich will er gerade aufstehen, als ihn die tödlichen Schläge treffen. Anzeichen für einen Kampf gibt es jedenfalls nicht.

Die Ermittlungen

Die Ermittlungen sind zäh. Der Täter hat keine verwertbaren Spuren hinterlassen. Obwohl die Kripo Amberg sofort eine 17 Mann starke Sonderkommission bildet, 461 Personen befragt und überprüft und sogar Handzettel in der Neunburger Innenstadt verteilt, kommen sie der Lösung des Falls kein Stück näher. Die ermittelnden Hauptkommissare sind enttäuscht: In all den Jahren habe es kein Kapitalverbrechen gegeben, bei dem so wenig Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen sind.

Lediglich ein Anrufer will am Mittag des Tattages einen unbekannten Mann im Garten des verwahrlosten Hauses gesehen haben. Die Polizei sucht daraufhin nach einem 45- bis 48-jährigen Mann mit dunkelbraunem Haar, graublauer Wolljacke, einem rot-weiß-schwarz karierten Hemd und einer braunen Cordhose. Doch auch dieser Hinweis bringt die Ermittler nicht weiter.

Tatzeit war vermutlich der frühe Donnerstagmorgen. Es gibt unterschiedliche Angaben darüber, wann Pregler das letzte Mal lebend gesehen worden ist. Fest steht, dass er in der Nacht vor dem Mord im „Altstadtstüberl“ zu Gast war. Von dort sei er dann aber gegen 23.35 Uhr alleine nach Hause gegangen. Danach verliert sich seine Spur. In Neunburg machen allerdings Gerüchte die Runde, dass der arbeitslose Zimmerer am Vormittag des Tattages noch lebend gesehen worden ist. Eine Frau will ihn gegen 9 Uhr auf dem Stadtplatz getroffen haben.

War Geldgier das Motiv?

Klar ist: Preglers Barschaft fehlt. Auf dem Tisch liegen lediglich noch 17 Pfennige. Doch einen typischen Raubmord schließen die Ermittler zunächst aus, denn bei dem gelernten Zimmerer war eigentlich nichts zu holen. Er ist seit längerer Zeit arbeitslos und wohnt mietfrei in dem verwahrlosten Anwesen in der Diendorfer Straße 39. Das Haus ist in einem erbarmungswürdigen Zustand. Es gibt weder Strom noch Wasser. Die meisten Zimmer sind voller Müll.

Ernst Josef Pregler lebt von 900 Mark Arbeitslosenhilfe, die er aber zumeist in Alkohol investiert. „Wenn er Geld hatte, ging er gerne einen trinken“, berichten die Nachbarn damals einem Zeitungsreporter. Im „Altstadtstüberl“ war er trinkfester Stammgast. In einem nahe gelegenen Abholmarkt kaufte er gerne mal „Sechsämter-Tropfen“, die dann vor dem „Mapperlgrill“ auf dem Stadthallenplatz ausgetrunken wurden.

Erst später stellt sich heraus, dass der 60-Jährige am Tag seines Todes mehr Geld als sonst bei sich gehabt haben muss. Offenbar hat er eine kleine Rentennachzahlung bekommen. In der Schmidt-Bank lässt er sich einen größeren Betrag von seinem Konto auszahlen. Wie immer, wenn er über Geld verfügt, zeigt er sich anschließend in seinem Stammlokal mehr als spendabel. Für ihn und seine Trinkkumpanen gibt es an diesem Mittwochabend 15 Piccoloflaschen Sekt. Die Ermittler mutmaßen: Hat diese Spendierfreudigkeit den Mörder angelockt?

Pregler hat seinen Mörder gekannt, da sind sich die Kripobeamten relativ sicher. Ein Unbekannter wäre wohl kaum in das heruntergekommene, ärmliche Haus eingebrochen, um dort Beute zu machen. Außerdem gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Räumlichkeiten durchsucht worden sind. Auch die Brutalität, mit der der Täter vorgegangen ist, spricht dafür, dass er sicherstellen wollte, dass der 60-Jährige keine Hinweise mehr auf ihn geben kann.

Die Obdachlosen-Theorie

Eine weitere Theorie der Ermittler: Ernst Josef Pregler ließ öfter einmal Obdachlose bei sich übernachten. Ist der 60-Jährige also möglicherweise auf dem Nachhauseweg einem Landstreicher begegnet, den er zu sich nach Hause eingeladen hat? Und wollte derjenige dem betrunkenen, schlafenden Pregler dann vielleicht das restliche Geld aus der Hosentasche ziehen, doch der wurde dabei wach und musste deshalb sterben? Auch Obdachlose und Landstreicher in der Gegend werden von der Polizei überprüft – ohne Ergebnis.

So sehr sich die Kripobeamten auch bemühen, sie kommen dem Täter einfach nicht auf die Spur. Noch einmal wird das Anwesen in der Diendorfer Straße 39 systematisch nach Spuren und Beweismitteln abgesucht. Dabei finden die Ermittler der Sonderkommission ein Herrenhemd in Größe „S“ in der Nähe des Tatorts. Es hat kurze Ärmel und ist blau mit grünen und weißen Streifen, an der Kragenleiste ist es mit drei Knöpfen versehen.

Wem das Kleidungsstück gehört hat, ist bis heute vollkommen unklar. Fest steht, dass Ernst Josef Pregler selbst von Familie und Bekannten nie darin gesehen worden ist. Es ist eine der letzten „heißen“ Spuren, der die Sonderkommission nachgeht. Die Ermittler bitten wieder um Hinweise aus der Bevölkerung – doch auch diesmal meldet sich niemand.

Ernst Josef Preglers Mörder bleibt bis heute ein Phantom ...